Die Künstler stellen sich hinter Ekrem Imamoglu
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Macht den Mund auf! Nach der Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul hat sich der abgesetzte Gewinner, Ekrem Imamoglu, nun an Künstler und Kulturschaffende gewandt. Unter dem Hashtag #AllesWirdSehrSchön unterstützen sie ihn.
Damit hatte die türkische Regierungspartei AKP am 31. März wohl nicht gerechnet: dass Ekrem Imamoglu in Istanbul, der wirtschaftlich wichtigsten türkischen Stadt, mit einer Mehrheit von rund 13.000 Stimmen zum Oberbürgermeister gewählt werden würde. Präsident Erdogan war schnell dabei, das Ergebnis anzuzweifeln - und hat erreicht, dass die Wahlkommission Neuwahlen anordnete.
Erdogan hält die Annullierung des Wahlergebnisses für einen Schritt zur Stärkung der Demokratie, der abgesetzte Oberbürgermeister spricht von Verrat. Imamoglu hat deswegen nun die Kulturschaffenden in der Türkei aufgerufen, für die Demokratie aufzustehen.
"Imamoglu hat ins Schwarze getroffen"
Die Journalistin Susanne Güsten lebt in Istanbul und berichtete im Deutschlandfunk Kultur, Imamoglu habe mit seinem Appell "offenbar ziemlich ins Schwarze getroffen". Er habe einen "sehr beeindruckenden Auftritt zu nächtlicher Stunde vor Zehntausenden draußen unter freiem Himmel" hingelegt. Dabei wandte er sich an die Menschen und erklärte, man lasse sich nicht provozieren, aber auch nicht unterkriegen. Es sei jetzt an der Zeit, den Mund aufzumachen.
#HerSeyCokGüzelOlacak
Daraufhin seien noch in der Nacht unzählige Nachrichten über die Sozialen Medien verbreitet worden - immer mit dem Hashtag #AllesWirdSehrSchön (#HerSeyCokGüzelOlacak). Bildende Künstler, Regisseure, Schriftsteller und Musiker haben sich zu Wort gemeldet.
Darunter auch Prominente wie der Komiker und Regisseur Cem Yilmaz. Er hat mehr als 14 Millionen Twitter-Follower - mehr als Präsident Erdogan. Aber auch der Regisseur Yilmaz Erdogan, der Popsänger Tarkan, der Pianist Fazil Say und der Schriftsteller Ahmet Ümit meldeten sich zu Wort.
Sich zu äußern sei immer ein Risiko, sagte Güsten. "Der Hashtag alleine wird niemanden ins Gefängnis bringen." Wer sich allerdings ausführlicher äußere, müsse sehr aufpassen. Der Vorwurf der Präsidentenbeleidigung könne schnell dazu führen, dass die Polizei vor der Tür stehe. Hier schütze aber momentan die pure Masse an Unterstützern. In der Menge gebe es viel Sicherheit.
"In sechseinhalb Wochen kann viel passieren"
Wenn heute gewählt würde, könnte Imamoglu mit der Wiederwahl rechnen, prophezeit Güsten. Aber es seien noch sechseinhalb Wochen bis zur Wahl am 23. Juni. Und das sei für türkische Verhältnisse eine sehr lange Zeit. Eine ähnliche Situation habe es schon 2015 bei den Parlamentswahlen gegeben, als die AKP die absolute Mehrheit verloren hatte. Auch diese Wahl wurde wiederholt, im November 2015. Zwischen beiden Terminen brach ein Krieg aus. Nun fürchte man sich vor dem, was zwischen heute und dem 23. Juni passieren kann, so Güsten.