Kann Musik tatsächlich so etwas wie Heilung bringen, bei Depressionen zum Beispiel, wie ja einige New-Age-Musiker behaupten und auch Mindfulness-Musik-Apps, die während der Pandemie Hochkonjunktur hatten.
New-Age-Musik
Suzanne Doucet gilt als Pionierin der New-Age-Musik. In den 1970er-Jahren moderierte sie gemeinsam mit Ilja Richter die Popmusiksendung 4-3-2-1 Hot and Sweet. © picture alliance / United Archives / United Archives / kpa / Grimm
Eine Reise Richtung Entspannung
11:36 Minuten

Es ist das letzte Tabu unter den Musikgenres, die letzte Richtung, mit der man noch schocken kann: New Age. Der Musik- und Reisejournalist Fabian Peltsch hatte eine schwer depressive Phase und entdeckte dabei genau diese Musik und ihre Ursprünge.
Kritiker sind bei dem Label "New Age" schnell bei der Hand mit dem Stempel "esoterisch". Aus unerklärlichen Sphären kommen hier Töne und sorgen für Entspannung, so das schnelle Urteil.
Der Musik- und Reisejournalist Fabian Peltsch aber wollte mehr Aufklärung darüber in einer Phase seines Lebens, in der ihm diese Musik geholfen hatte. Er machte sich auf die Reise nach den Ursprüngen.
"Während der Pandemie ging ich durch eine Trennung, viele andere Sachen gingen schief, ich geriet, wie viele andere, in ein Loch", erzählt er. Viele Musiken, die er zuvor gehört hatte, hatten für ihn plötzlich keine Bedeutung mehr, wie er sagt. Und dann habe er, der Musikjournalist, über eine Playlist New Age entdeckt und spürte, dass dies die einzige Musik war, die er "in diesem Zustand noch aushalten konnte".
Unfassbar uncool
Er habe sich zunächst geschämt. "New Age – das ist das letzte Tabu, und auf eine Art auch das Einzige, womit man andere noch schocken kann, weil es so unfassbar uncool ist", sagt er. Aber New Age war eben die einzige Musik, die er ertragen konnte, die lindernd gewirkt habe.
Er habe "reingelesen" und "reingehört" und sich auf den Weg gemacht, sagt Peltsch, um so die großen Fragen zu klären: Was ist Musik überhaupt, warum bewegen uns diese Schallwellen so?
Er sei nach Los Angeles gefahren, dorthin, wo die New-Age-Musik, wie wir sie heute kennen, in den späten 70er-Jahren entstand. "Hier haben die Hippies versucht, die Erfahrungen der psychedelischen Revolution der 60er in einen gesetzteren Lebensstil zu übertragen, mit Yoga, Meditation, Kristallheilung und so weiter."
Prince und Stallone kauften hier Meditationsmusik
Er kontaktierte die Musikerin Suzanne Doucet, die in den 60er- und 70er-Jahren in Deutschland ein riesiger Popstar war, Musiksendungen mit Hans Clarin und Ilya Richter moderierte, Ende der 70er-Jahre in die USA auswanderte, um sich ganz der New-Age-Musik zu widmen, wie Peltsch erzählt. "Sie hatte in L.A. auch den ersten Plattenladen der Welt, der ausschließlich New Age anbot. Als New Age dann Mitte der 80er zum Hype wurde, kamen da auch Berühmtheiten hin wie Prince und Sylvester Stallone, um sich Meditationsmusik zu kaufen."
Ab Mitte der 70er-Jahre hatten dann diese Musiker mit Elektronik experimentiert, ihre Kassetten in Eigenregie aufgenommen und das dann quasi aus dem Kofferraum verkauft, berichtet Peltsch. "Zum Beispiel am Strand, in Venice Beach. Das waren ernsthafte Gottsucher, die versucht haben, durch die Musik mit etwas Höherem in Kontakt zu kommen." Mit dieser ganzen Do-it-yourself-Attitüde habe dies sogar was von der amerikanischen Punk-und Hardcore-Szene gehabt, die ja dann auch in Kalifornien ihre Blüte erlebt habe: "Die frühe New-Age-Musik war zum Teil auch sehr psychodelisch."
Etwas gefunden, weil er hier kein Tabu sah
Getroffen habe er dann etwa Aeoliah, eine schillernde Figur, in den 80er-Jahren so was wie der Posterboy des New Age. Und nun, in den vergangenen fünf Jahren habe es dann vor allem in L.A. eine kleine New-Age-Renaissance gegeben: "Ich traf dort Matthew McQueen, einen Labelmacher, der dabei tonangebend war. Als wir dann aber sprachen, hat er sich aber wieder von New Age distanziert. Er war da in seltsame Welten abgedriftet und hatte gerade noch den Absprung geschafft, bevor es so in Richtung Sekte ging."
Für Peltsch ist New Age jetzt nicht die neue Heilung, aber eben interessant, wie er sagt: "Ich höre heute zumindest wieder querbeet alle Genres, laut Spotify waren es in diesem Jahr 144. Ich denke, ich habe auf der Reise begriffen, dass Musik etwas Heiliges und auch Heilendes ist, und dass es da ein tieferes Wissen gibt, das in der Popindustrie verloren gegangen ist." Wichtig sei es für ihn gewesen, dass er hier etwas finden konnte, eben weil er hier kein Tabu gesehen habe.