Das MoMA - noch größer, noch schöner und noch globaler
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Das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) wird nach 18 Wochen Schließzeit wiedereröffnet – renoviert und größer. Es setzt nun um, was der Kunsthistorikerin Bärbel Küster zufolge längst überfällig ist: Nicht länger hängt hier nur die Kunst der alten Männer.
Die Geschichte des Museum of Modern Art (MoMA) ist auch eine Geschichte der Verdrängung. Vielleicht passt das MoMA auch deshalb so gut nach New York: Schon für den Neubau 1939 mussten vier Brownstone-Häuser an der 53. Straße weichen. Nach mittlerweile fünf großen Erweiterungen hat sich das MoMA fast auf den gesamten Block ausgedehnt.
"Schon der MoMa-Gründungsdirektor Alfred Barr hatte 1939 gesagt: 'Nichts ist auf Dauer. Nicht die Kunst, nicht die Einrichtung, nicht die Ausstellungen.' Er hat verstanden, dass sich das Museum ständig weiterentwickeln muss, sich genauso entwickeln muss wie die moderne Kunst", sagt der heutige MoMA-Direktor Glenn Lowry.
Radikale Selbsterneuerung des Museums
Für die jüngste Erweiterung wurde zum Entsetzen von Denkmalschützern das American Folk Art Museum abgerissen. Damit hat das MoMA nicht nur die Fläche um ein Drittel auf 66.000 Quadratmeter vergrößert. Lowry spricht von einer "radikalen Selbsterneuerung" des Museums - dank der Architektin Liz Diller: "Liz ist eine echte urbane Architektin. Die spürt den Herzschlag der Stadt. Sie kennt die Menschen, die Gebäude so gut, dass sie genau weiß, was sie machen muss. Ihre Arbeit hier war die einer Chirurgin. Sie wusste genau, wo man etwas verändern muss, aber auch, wo man es besser lässt. Und das Ergebnis ist so beeindruckend vollendet, wie es sich nie zuvor angefühlt hat."
Anmutung eines Apple Stores
Der Architekturkritiker der New York Times fühlt sich an das "leicht seelenlose Ambiente" eines Apple Stores erinnert. Alles ist lichter, luftiger, aber auch glatter geworden. Den Übergang zwischen Alt- und Neubau merkt man kaum. Vor allem gibt es deutlich mehr Platz – und den kann das MoMA gebrauchen.
Zuletzt quetschten sich drei Millionen Besucher im Jahr durch die Ausstellungen. Die größere Fläche hat jedoch auch andere Vorteile, sagt Kuratorin Sarah Suzuki: "Wir haben mehr Raum, um darüber nachzudenken, was wir eigentlich wollen. Wir haben jetzt die Chance, moderne und zeitgenössische Kunst auf eine neue, andere und bessere Art zu präsentieren."
Moderne Kunst ist global
Vorbei die Zeit, in denen der MoMA-Besucher nahezu chronologisch durch die moderne Kunstgeschichte geleitet wurde. Eine grobe Struktur gibt es zwar immer noch, aber man kann und muss sich entscheiden, in welcher Reihenfolge man die mehr als 60 Galerien entdecken will.
Dabei gibt es auch einige gewollte Überraschungen, sagt Kurator Rajendra Roy: "Wir wollen, dass unsere Besucher verstehen, dass moderne Kunst nicht nur von toten Männern europäischer Abstammung kommt. Moderne Kunst ist global und betrifft alle Geschlechter. Um das zu verdeutlichen, muss man schon mal einen anderen Teil der Geschichte erzählen."
Neue Kombinationen
So findet sich neben Picassos "Mädchen von Avignon" plötzlich das Gemälde einer afroamerikanischen Künstlerin aus den späten 1960er Jahren, das eine rassistische Bluttat zeigt. Solche gewagten Kombinationen sollen altbekannte Werke in neuem Licht erscheinen lassen. Eine weitere Neuerung: Alle sechs Monate wird ein Drittel der Dauerausstellung ausgetauscht, sagt Architektin Liz Diller: "Der Bestand ist riesig. Da ist so viel mehr im Lager, als wir zeigen können. Und deshalb ist die Idee mit der vierten Dimension 'Zeit' so großartig. New Yorker, die schon hundert Mal im MoMA waren, haben jetzt einen Grund wieder zu kommen und können Neues entdecken."
Die MoMA-Macher jedenfalls rechnen schon mit einer halben Million Besucher mehr im Jahr. Notfalls müssen eben irgendwann weitere Gebäude dem MoMa Platz machen. Einige wenige gibt es noch zwischen der fünften und sechsten Avenue, die abgerissen werden könnten.
Es gibt nicht nur die Moderne der weißen Männer
Nach Einschätzung der Kunsthistorikerin Bärbel Küster ist dieser neue Umgang mit Kunst im MoMA längst überfällig: "Es gibt seit über 20 Jahren zahlreiche Forschungen, die an diesen Fragen dran sind: Welche lokalen Interpretationen gab es weltweit? Wie interpretierten Künstlerinnen und Künstler, die sich in Paris oder in New York ausgebildet hatten, bereits in den 30er-Jahren oder auch in der Zeit nach 1945 diese Moderne weiter, also dann an anderen Orten."
Es gebe hier eine sehr große Bandbreite von Interpretationen der Moderne, die in vielen Museen nicht sehr präsent ist. "Es ist definitiv der Fall, dass es nicht nur die Moderne der weißen Männer und deshalb haben die Museen der Welt eine Pflicht, das darzustellen."