Ist Nicki Minaj die amtierende Königin des Rap?
Manchmal geht es im Hiphop zu wie bei Game of Thrones: Es rollen Köpfe, weil alle auf den Thron wollen. Die Rapperin Nicki Minaj aus New York ist jetzt vorgeprescht – und hat ihr neues Album "Queen" genannt.
Oliver Schwesig: "Killing for Fame", das könnte man über die folgende Künstlerin sagen: Nicki Minaj. Manchmal geht es im Hiphop nämlich zu wie bei Game of Thrones: Es rollen Köpfe, weil alle auf den Thron wollen. Derzeit wird darüber gestritten, wer sich die Königin des Rap nennen darf. Die Rapperin Nicki Minaj aus New York ist jetzt vorgeprescht und hat sich selbst zur "Queen" gekrönt, zumindest der Titel ihres Albums legt das nahe, das neben echtem Rap auch viel Pop zu bieten hat, zum Beispiel die Ballade "Come See About Me". Ja, 'Kümmer' dich mal ein bisschen um mich', "Come See About Me", Nicki Minaj.
Über das Album und wieso ausgerechnet Tracy Chapman fast die Veröffentlichung verhindert hätte, spreche ich jetzt mit unserem Hiphop-Erklärbär Fabian Wolff. Das Album von Nicki Minaj heißt schlicht "Queen", auf dem Cover ist sie wie eine Pharaonin zu sehen. Dicke Lippe also soweit das Auge reicht. Mit welchem Recht darf sie sich denn so nennen, Königin des Raps?
Fabian Wolff: Das ist ein bisschen trotzige Schutzbehauptung, aber sie hat auf jeden Fall sehr glaubhafte Wurzeln, sehr kredibile Anfänge als Mixtaperapperin in New York vor mehr zehn Jahren. 2010 hatte sie dann auf dem Song "Monster" von Kanye West einen legendären Gastpart, das war ihr Durchbruch.
Dieser Verse hatte eine ganz große technische Präzision und war gleichzeitig stilistisch sehr innovativ. Man kann wirklich sagen, dass hat vielleicht das ganze, damals so ein bisschen eingeschlafene Genre Hiphop vielleicht revitalisiert. Der Hype war damals so groß, dass sie nur auf der Grundlage dieser einen Strophe wirklich ernsthaft als eventuell beste Rapperin aller Zeiten im Gespräch war.
Schwesig: Ja, da wird heftig ausgeteilt, "Monster" Nicki Minaj. Und seit dem Song sind allerdings acht Jahre vergangen, hat sie in dieser Zeit die großen Erwartungen erfüllen können? Das war, Sie haben es erwähnt, nur so ein kleiner Gastauftritt, der so ein Paukenschlag war, konnte sie das erfüllen, diese Erwartungen?
Wolff: So einen großen Moment des Hypes oder des Könnens, der Größe, hatte sie dann nicht mehr. Das hat auch was damit zu tun, dass sie die vorgeschriebene Rolle, in der sie dann alle gesehen haben, nämlich die harte Rapperin sein, die austeilen und mit den Jungs mithalten kann und irgendwie 'real' ist, die hat sie ziemlich schnell unterwanderte und hat einfach den Pop gemacht, den sie machen wollte, und mit dem wollte sie keine Rapfreaks ansprechen, sondern eher Teenagermädchen.
Balanceakt zwischen Hiphop und Pop
Es gab dann natürlich Konflikte, ein New Yorker Radiosender hat dann quasi verkündet, das ist kein Hiphop mehr, warum tritt die eigentlich bei uns auf und so, große Konflikte und großer Skandal. Aber diese unterschiedlichen Zielgruppen musste sie halt immer balancieren, das klappt halt auch nicht immer und deswegen wechseln jetzt auch auf dem Album Songs, in dem sie sich vor allem aufs Rappen und auf die 'lines' konzentriert eben mit Pop-Balladen ab, die wir gehört haben, eine von denen sogar mit Ariana Grande, auch so einem Teenie-Idol, aufgenommen. Manchmal verbindet sie beides in einem Song, das dann ein paar irritierende Effekte zur Folge, wenn man über so einem poppigen Tropical-House-Beat das 'c-word' dann hört.
Schwesig: Sie haben mir am Anfang gesagt, dass ihre Selbstkrönung auch ein bisschen Trotz ist. Die Rapperin Cardi B, ebenfalls aus New York, die gilt nun als der große neue Superstar des Genres. Ist das Album auch eine Antwort auf deren Erfolg?
Wolff: Cardi B ist tatsächlich da, wo Nicki Minaj vor Jahren war und sogar noch viel weiter: ihre Single "Bodak Yellow" war in den USA der Sommerhit 2017 und Cardi B war die erste Rapperin seit Lauryn Hill auf Platz 1 in den Billboard-Charts. Die gehört zur nächsten Generation, ist zehn Jahre jünger als Nicki Minaj, aber trotzdem ganz klar von ihr inspiriert, wie das halt ist, wenn man aus New York kommt und Rap macht. Trotzdem eigenständig, sie hat nämlich sehr ihre hispanischen Wurzeln in den Vordergrund gerückt, sprachlich, von den Texten.
Es gibt dann immer so typische Rap-Gerüchte, dass die beiden natürlich verfeindet seien, und verfeindet sein müssen, einzelne Zeilen werden als versteckte Angriffe gelesen. Minaj hat jetzt auf dem neuen Album 'bury the body', die Leichen ihrer abservierten Gegnerin will sie also begraben, und sie lässt das so ein bisschen wie 'Bardi" klingen das 'body', das ist einer der Spitznamen von Cardi B. Das sind dann so einzelne Zeilen, die dann auf Twitter verbreitet werden, und interpretiert werden.
Schwesig: Unglaublich, wie da gestichelt wird. Jetzt haben Sie Lauryn Hill schon erwähnt, als Mitglied der Fugees und solo in den Neunzigern große Erfolge und danach quasi verschwunden, eine andere Rapperin aus dieser Zeit, Foxy Brown, die hat sogar einen Gastauftritt auf dem Album. Was verbindet denn Nicki Minaj mit dieser Generation aus den Neunzigern?
Wolff: Viele Dinge haben sich natürlich geändert, Hiphop ist die größte Pop-Musik des Planeten, aber eine Sache hat sich eben nicht geändert: Ein weiblicher MC im Mainstream, das ist immer noch eine sehr widersprüchliche Position. Heute ist die Verkündung weiblicher Stärke im Pop ja ein Verkaufsargument geworden, aber in der Substanz gehen diese Ermächtigungsposen dann durchaus oft auf Kosten anderer Frauen, die dann zum Beispiel 'ein Auge auf meinen Typen werfen' oder so, und das geht natürlich nicht. Das merkt man zum Beispiel bei Cardi B ganz deutlich.
Aber Minaj wenigstens hat auch einen ganzen Song darüber, dass die ganzen großen männlichen Namen im Rap es sicher im Bett nicht bringen – das ist schon das zweite Remake eines Songs von Biggie Smalls, "Dreams", der damals alle R&B-Sängerinnen auflistete, mit denen er gerne mal schlafen würde. Also Minaj bezieht sich ganz gerne auf die Größen von gestern und die guten alten Zeiten von Hiphop, da ist es dann auch egal, ob diese Größen männlich oder weiblich sind.
Tracy Chapman verhinderte Song-Veröffentlichung
Schwesig: In diesen guten alten Zeiten von Hiphop war das Album als Kunstform von großer Bedeutung, inzwischen bezeichnen Leute wie Drake ihre Veröffentlichung ja nur noch als Projekte, oder gleich als Playlists, manchmal gibt es nur ein Mixtape. In welche Richtung geht denn das neue Minaj-Album "Queen"?
Wolff: Das Album passt noch auf eine CD, physisch erscheint es aber erst in zwei Wochen, mit 70 Minuten ist es aber schon sehr lang. Dieses Aufgeblähte hat ja seit Jahrzehnten im Hiphop Tradition, Doppelalben, 120 Minuten und so. Und in Streaming-Zeiten hat man natürlich noch den Impuls, dass man möglichst viele Songs veröffentlichen möchte, weil man damit möglichst viele Streams einheimst. Ein rundes, geschlossenes Projekt, vielleicht eine große Erzählung ist es nicht.
Es fehlt ja auch ein Song, der Track, den sie mit Nas aufgenommen hat, "Sorry". Nas, ja noch so eine Neunziger-Größe. Der konnte wegen eines Samples von Tracy Chapman nicht auf die Verkaufsversion, Chapman musste nämlich eigentlich zustimmen, dass dieser Track mit dem Sample veröffentlicht werden darf, und das hat sie dann, nachdem man sie endlich erreicht hat, sie ist ja sehr zurückgezogen, abgelehnt, sie möchte nicht, dass der Track kommerziell vertrieben wird, extra wurde der Release verschoben, hat dann doch nicht geklappt. Eine Lücke auf dem Album hinterlässt er nicht, das fühlt sich deswegen jetzt nicht weniger oder mehr komplett an als vorher, aber immerhin wurde mal wieder über Tracy Chapman gesprochen.
Schwesig: In der Tat, das ist in der Tat wie bei Game of Thrones. Ist Nicki Minaj zurecht die neue 'Queen of Hiphop? Ihr neues Album "Queen" soll den Verdacht nahe legen. Erläuterungen waren das von Musikjournalist Fabian Wolff.