News aus Pösing
In Pösing, einem kleinen Ort in der bayerischen Oberpfalz, ertönen jeden Tag um 17:30 Uhr die Fanfaren. Dann ist es Zeit für die Ortsnachrichten. Nicht etwa per Podcast, Newsletter oder Facebook, sondern per Lautsprecherdurchsage.
Es scheppert mächtig aus den Lautsprechern. Ein Mann bleibt vor seinem Gartentor stehen, hört kurz hin, wartet. Autos brausen vorbei, da und dort gehen die Fenster auf. Eine Frau bleibt vor einem der grauen Kästen auf roten Pfählen stehen und horcht:
"Na immer wenn was passiert im Ort wird man informiert, auf relativ kurzem Wege, ohne Umwege, das hört jeder, kriegt jeder mit, wird flott mit Musik angekündigt, eine witzige Idee."
Das Knistern aus den Lautsprechern verstummt langsam. Eine Frauenstimme erklingt:
Annemarie Wittmann kippt ihre Fenster im Wohnzimmer jeden Tag um 17.30 Uhr und lauscht dem Lautsprecher vor dem Haus. Ihre Eltern haben auch schon auf die Nachrichten per Lautsprecher vertraut, damals 1955. Eine Firma aus dem Westfälischen fuhr damals durch die deutschen Kommunen und pries ihre Erfindung, die Ortssprechanlagen an. Die Pösinger griffen gleich zu.
Annemarie Wittmann, verheiratet mit dem Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr, will wissen, was los ist in ihrem Dorf, dem oberpfälzischen Pösing. Die meisten der rund 1000 Einwohner kennt sie von Vereinstreffen und -festen. Auf dem Wohnzimmertisch liegen die Vereinsnachrichten. Vor einigen Tagen hat sie einen Zettel geschrieben und den nächsten Vereinstermin darauf notiert. Die Nachricht hat sie der Zweiten Bürgermeisterin in den Briefkasten geworfen:
"Das ist gerade was für Sachen wie Preisschafkopfen oder Floriansfest, da ist gleich die ganze Bevölkerung eingeladen, zwar auch über Zeitungen, aber die Durchsage ganz vor Ort das gehört einfach zum Ort und auf das hört ein jeder und dann weiß ein jeder Bescheid."
Der Wirt der Dorfschänke kippt nachmittags auch immer ein Fenster. Am Stammtisch sitzen fünf Männer beim Bier. Einer von ihnen räuspert sich, Johann Weigl, Vorstand vom örtlichen Fußballverein und Gemeinderat von 1983 bis 1995. Er ist stolz auf die Ortssprechanlage. Früher wurde oft diskutiert, sagt er, ob man die Kosten für die Anlage - Energie und Instandsetzung nach Blitzschlägen - nicht einsparen könne:
Weigl: "Aber das war gar nicht so lange, dann ist man sofort wieder übereingekommen, wir machen eine Investition, wir machen eine Erneuerung, wir machen auch eine Erweiterung der Lautsprecher und zum Schluss war immer das Credo: Wir brauchen das, wir behalten das, wir bleiben bei dem."
Achtung Durchsage!
Drinnen im blassrosa gestrichenen Rathaus steht Gisela Riederer, die zweite Bürgermeisterin vor einem kleinen Schrank. Vor ihr liegen kleine und große Zettel, handbeschrieben oder als Computerdruck. Sie hält ein Mikrofon in der Hand und liest:
"Eine Durchsage: Der FSV Pösing veranstaltet am Samstag seinen traditionellen Sportlermaskenball. Beginn ist um 20 Uhr im Gasthaus Weitzer. Es finden lustige Einlagen statt."
"Die ersten Male war ich schon nervös, aber das gibt sich, also das erste war ganz zittrig, aber es wird immer besser."
Gisela Riederer weiß, dass ihre Durchsage auf über 60 Lautsprecher übertragen wird. Am Kindergarten, an der Kirche, beim Bauern am Stall. Bis hin zum Neubaugebiet, wo vor einigen Jahren extra Kabel für die Erweiterung der Ortssprechanlage verlegt wurden. Manchmal bekommt sie morgens einen Anruf von Angehörigen, denen ein naher Verwandter verstorben ist. Dann geht sie so schnell wie möglich ins Rathaus und schaltet die Sprechanlage ein.
"Ich glaube Pösing ist eine der Gemeinden, wo die meisten Menschen zur Aussegnung kommen. Die Aussegnung ist ja meistens am Sterbetag und das steht ja dann in keiner Zeitung. Über die Ortssprechanlage kriegen es alle mit und beteiligen sich natürlich an der Aussegnung."
Die alten Holztreppen knarren auf dem Weg zum Dachboden im Rathaus, zum heimlichen Museum der Gemeinde. Neben einem dicken Holzbalken steht die alte Ortssprechanlage von 1955, ein echte Rarität:
"Vorsichtig da ist der Plattenspieler, das hat man schon manuell bedienen müssen, damit die Platte losgeht, die ist hier eingeschaltet worden. Das war die erste Anlage und das war schon die neuere."
Gisela Riederer zeigt auf das archaisch wirkende Ungetüm. Ein hüfthoher Apparat mit dicken Knöpfen. Die Originalschallplatte müsste auch noch irgendwo sein, sagt die Bürgermeisterin entschuldigend. Die Schallplatte mit dem Fanfarenklang, der irgendwann einmal auf CD kopiert wurde.
Wieder unten im Gemeindesaal legt der hinzugekommene Erste Bürgermeister Edmund Roider die Hand liebevoll auf die neueste Anlage in dem kleinen Schrank: ein Verstärker, ein CD-Player, ein Mikro.
"2004/2005 haben wir die letzte Anlage gekauft, die hat 3000 Euro gekostet, aber bei der Renovierung des Rathauses haben wir die gesamte Verkabelung neu machen müssen, es kostet halt einiges, aber das wollen wir uns leisten."
Wenn es richtig wichtig wird, dann nimmt Edmund Roider persönlich das Mikro in die Hand, zum Beispiel zu Weihnachten. Per Ortssprechanlage wünscht er seinen Bürgern jedes Jahr ein frohes Fest und dankt ihnen für das vergangene Jahr. Manchmal reizt es ihn, eine andere CD einzulegen, nicht nur die Fanfaren, sondern richtige Musik. Aber da kommt ganz schnell die GEMA, hat er gelernt, mehrere hundert Euro müsste der kleine Ort für Musik aus seiner Ortssprechanlage berappen, das ist nicht drin.
Zwei Jugendliche schließen vor dem Rathaus ihre Räder ab, gehen in den Jugendraum des Rathauses. Bei der Frage nach der Ortssprechanlage sprudelt es aus ihnen heraus:
Besser als so ein Podcast
"Also ich finde das ganz gut, da krieg man immer gleich mit was los ist. Man ist immer auf dem neuesten Stand. Besser als so ein Podcast, wo man immer ins Internet reinschauen muss, da hört man das und braucht nicht ins Internet rein oder den Computer hochfahren. Da bin ich überzeugt davon, man soll es auf jeden Fall beibehalten."
" Ja das ist doch sehr praktisch, da weiß man gleich was im Dorf los ist, man muss nicht lange umeinandersuchen. Man muss nur einmal zuhören und weiß dann was los ist. Das ist halt auch sehr selten und das macht Pösing einzigartig. "
Wenn er von seiner Ortssprechanlage erzählt, muss Bürgermeister Edmund Roider zwischendurch lachen. Seine Augen strahlen dabei. Wie er vor 25 Jahren, als der Strom für das Kirchgeläut ausfiel, kurzerhand die Glocken von einer Kassette über alle Lautsprecher laufen ließ.
Nur bei einem Thema wird er ernst. Nein, die Anlage wurde im Kalten Krieg mit dem damals zehn Kilometer entfernten Ostblock nie für politische Zwecke genutzt:
"Da gibt es auch einen Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahre 1955, als man die Anlage angeschafft hat, dass ausdrücklich keine politischen Durchsagen gemacht werden dürfen. Wenn man die letzten 60 Jahre anschaut, unsere Anlage ist ja nicht mehr wegzudenken, meine Vorgänger und auch die amtierende Gemeindeführung gibt immer wieder Geld aus, dass die Anlage auch in Zukunft für uns Pösinger erhalten bleibt."
"Na immer wenn was passiert im Ort wird man informiert, auf relativ kurzem Wege, ohne Umwege, das hört jeder, kriegt jeder mit, wird flott mit Musik angekündigt, eine witzige Idee."
Das Knistern aus den Lautsprechern verstummt langsam. Eine Frauenstimme erklingt:
Annemarie Wittmann kippt ihre Fenster im Wohnzimmer jeden Tag um 17.30 Uhr und lauscht dem Lautsprecher vor dem Haus. Ihre Eltern haben auch schon auf die Nachrichten per Lautsprecher vertraut, damals 1955. Eine Firma aus dem Westfälischen fuhr damals durch die deutschen Kommunen und pries ihre Erfindung, die Ortssprechanlagen an. Die Pösinger griffen gleich zu.
Annemarie Wittmann, verheiratet mit dem Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr, will wissen, was los ist in ihrem Dorf, dem oberpfälzischen Pösing. Die meisten der rund 1000 Einwohner kennt sie von Vereinstreffen und -festen. Auf dem Wohnzimmertisch liegen die Vereinsnachrichten. Vor einigen Tagen hat sie einen Zettel geschrieben und den nächsten Vereinstermin darauf notiert. Die Nachricht hat sie der Zweiten Bürgermeisterin in den Briefkasten geworfen:
"Das ist gerade was für Sachen wie Preisschafkopfen oder Floriansfest, da ist gleich die ganze Bevölkerung eingeladen, zwar auch über Zeitungen, aber die Durchsage ganz vor Ort das gehört einfach zum Ort und auf das hört ein jeder und dann weiß ein jeder Bescheid."
Der Wirt der Dorfschänke kippt nachmittags auch immer ein Fenster. Am Stammtisch sitzen fünf Männer beim Bier. Einer von ihnen räuspert sich, Johann Weigl, Vorstand vom örtlichen Fußballverein und Gemeinderat von 1983 bis 1995. Er ist stolz auf die Ortssprechanlage. Früher wurde oft diskutiert, sagt er, ob man die Kosten für die Anlage - Energie und Instandsetzung nach Blitzschlägen - nicht einsparen könne:
Weigl: "Aber das war gar nicht so lange, dann ist man sofort wieder übereingekommen, wir machen eine Investition, wir machen eine Erneuerung, wir machen auch eine Erweiterung der Lautsprecher und zum Schluss war immer das Credo: Wir brauchen das, wir behalten das, wir bleiben bei dem."
Achtung Durchsage!
Drinnen im blassrosa gestrichenen Rathaus steht Gisela Riederer, die zweite Bürgermeisterin vor einem kleinen Schrank. Vor ihr liegen kleine und große Zettel, handbeschrieben oder als Computerdruck. Sie hält ein Mikrofon in der Hand und liest:
"Eine Durchsage: Der FSV Pösing veranstaltet am Samstag seinen traditionellen Sportlermaskenball. Beginn ist um 20 Uhr im Gasthaus Weitzer. Es finden lustige Einlagen statt."
"Die ersten Male war ich schon nervös, aber das gibt sich, also das erste war ganz zittrig, aber es wird immer besser."
Gisela Riederer weiß, dass ihre Durchsage auf über 60 Lautsprecher übertragen wird. Am Kindergarten, an der Kirche, beim Bauern am Stall. Bis hin zum Neubaugebiet, wo vor einigen Jahren extra Kabel für die Erweiterung der Ortssprechanlage verlegt wurden. Manchmal bekommt sie morgens einen Anruf von Angehörigen, denen ein naher Verwandter verstorben ist. Dann geht sie so schnell wie möglich ins Rathaus und schaltet die Sprechanlage ein.
"Ich glaube Pösing ist eine der Gemeinden, wo die meisten Menschen zur Aussegnung kommen. Die Aussegnung ist ja meistens am Sterbetag und das steht ja dann in keiner Zeitung. Über die Ortssprechanlage kriegen es alle mit und beteiligen sich natürlich an der Aussegnung."
Die alten Holztreppen knarren auf dem Weg zum Dachboden im Rathaus, zum heimlichen Museum der Gemeinde. Neben einem dicken Holzbalken steht die alte Ortssprechanlage von 1955, ein echte Rarität:
"Vorsichtig da ist der Plattenspieler, das hat man schon manuell bedienen müssen, damit die Platte losgeht, die ist hier eingeschaltet worden. Das war die erste Anlage und das war schon die neuere."
Gisela Riederer zeigt auf das archaisch wirkende Ungetüm. Ein hüfthoher Apparat mit dicken Knöpfen. Die Originalschallplatte müsste auch noch irgendwo sein, sagt die Bürgermeisterin entschuldigend. Die Schallplatte mit dem Fanfarenklang, der irgendwann einmal auf CD kopiert wurde.
Wieder unten im Gemeindesaal legt der hinzugekommene Erste Bürgermeister Edmund Roider die Hand liebevoll auf die neueste Anlage in dem kleinen Schrank: ein Verstärker, ein CD-Player, ein Mikro.
"2004/2005 haben wir die letzte Anlage gekauft, die hat 3000 Euro gekostet, aber bei der Renovierung des Rathauses haben wir die gesamte Verkabelung neu machen müssen, es kostet halt einiges, aber das wollen wir uns leisten."
Wenn es richtig wichtig wird, dann nimmt Edmund Roider persönlich das Mikro in die Hand, zum Beispiel zu Weihnachten. Per Ortssprechanlage wünscht er seinen Bürgern jedes Jahr ein frohes Fest und dankt ihnen für das vergangene Jahr. Manchmal reizt es ihn, eine andere CD einzulegen, nicht nur die Fanfaren, sondern richtige Musik. Aber da kommt ganz schnell die GEMA, hat er gelernt, mehrere hundert Euro müsste der kleine Ort für Musik aus seiner Ortssprechanlage berappen, das ist nicht drin.
Zwei Jugendliche schließen vor dem Rathaus ihre Räder ab, gehen in den Jugendraum des Rathauses. Bei der Frage nach der Ortssprechanlage sprudelt es aus ihnen heraus:
Besser als so ein Podcast
"Also ich finde das ganz gut, da krieg man immer gleich mit was los ist. Man ist immer auf dem neuesten Stand. Besser als so ein Podcast, wo man immer ins Internet reinschauen muss, da hört man das und braucht nicht ins Internet rein oder den Computer hochfahren. Da bin ich überzeugt davon, man soll es auf jeden Fall beibehalten."
" Ja das ist doch sehr praktisch, da weiß man gleich was im Dorf los ist, man muss nicht lange umeinandersuchen. Man muss nur einmal zuhören und weiß dann was los ist. Das ist halt auch sehr selten und das macht Pösing einzigartig. "
Wenn er von seiner Ortssprechanlage erzählt, muss Bürgermeister Edmund Roider zwischendurch lachen. Seine Augen strahlen dabei. Wie er vor 25 Jahren, als der Strom für das Kirchgeläut ausfiel, kurzerhand die Glocken von einer Kassette über alle Lautsprecher laufen ließ.
Nur bei einem Thema wird er ernst. Nein, die Anlage wurde im Kalten Krieg mit dem damals zehn Kilometer entfernten Ostblock nie für politische Zwecke genutzt:
"Da gibt es auch einen Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahre 1955, als man die Anlage angeschafft hat, dass ausdrücklich keine politischen Durchsagen gemacht werden dürfen. Wenn man die letzten 60 Jahre anschaut, unsere Anlage ist ja nicht mehr wegzudenken, meine Vorgänger und auch die amtierende Gemeindeführung gibt immer wieder Geld aus, dass die Anlage auch in Zukunft für uns Pösinger erhalten bleibt."