Ngugi Wa Thiong'o: "Geburt eines Traumwebers"

Auf dem Weg in die Unabhängigkeit

Der kenianische Schriftsteller Ngugi Wa Thiong'o
Der kenianische Schriftsteller Ngugi Wa Thiong'o © picture alliance / dpa /
Von Birgit Koß |
Der kenianische Schriftsteller Ngugi Wa Thiong'o beschreibt im dritten Teil seiner Autobiografie die Jahre 1959 bis 1964. Er erzählt politische Zeitgeschichte, aber auch von einer Studentenzeit an der damals besten Universität von Ostafrika.
Ngugi wa Thiong‘o wird seit Jahren vor der Verleihung des Literaturnobelpreises bei den Buchmachern als einer der aussichtsreichen Kandidaten gehandelt. Er ist einer der bedeutendsten Schriftsteller Afrikas. Die Anfänge seines Schreibens und seinen Hintergrund beschreibt er selber in "Die Geburt eines Traumwebers", dem dritten Teil seiner Autobiografie.
Während Teil Eins sich seiner Kindheit und Teil Zwei sich seiner High School Zeit widmet, beschreibt "Zeit des Aufbruchs" (so der Untertitel) seine Studienzeit von 1959 bis 1964 an der Makarere Universität in Uganda, der zur damaligen Zeit sehr hoch angesehenen und einzigen Universität für ganz Ostafrika. Dort wurden Abschlüsse erworben, die auch von der Universität London anerkannt waren.
In den Zeitraum seines Studiums fallen auch die Bestrebungen vieler afrikanischer Staaten, ihre Unabhängigkeit von den Kolonialmächten zu erhalten. Schonungslos beschreibt der Autor die Gräueltaten der englischen Siedler und Kolonialbeamten in Kenia, aber auch die Verquickungen der Geheimdienste bei der Entwicklung der jungen unabhängigen Staaten, wie etwa bei der Machtergreifung Idi Amins in Uganda. Und nicht zuletzt zeigt er die Bedeutung des Kalten Krieges auf für die Allianzen, die auf dem afrikanischen Kontinent geschlossen wurden.
Neben dieser politischen Zeitgeschichte erfahren wir viel Persönliches über den jungen Studenten. Da ist der brennende Wunsch, sich mit Literatur zu beschäftigen. Schon während des Studiums schreibt Ngugi wa Thiong’o zwei Romane, drei Theaterstücke und veröffentlicht über sechzig journalistische Texte in Zeitungen und Zeitschriften. Doch eine Stellung als Journalist bei der "Nation", einer der großen Zeitungen Kampalas, gleich nach Beendigung des Studiums, kündigt er zugunsten seines Weges als Schriftsteller.

Wunderbares Nachschlagewerk

Daneben liest sich das Buch wie ein Who is Who der intellektuellen Szene Afrikas Anfang der 1960er-Jahre. Auf der allerersten kontinentalen Conference of African Writers of English Expression 1962 trifft der junge Student unter andrem Wole Soyinka und Chinua Achebe, der nicht nur seinen Romanentwurf liest, sondern auch gleich an den renommierten englischen Heinemann Verlag weiter empfiehlt. Selbst wenn die vielfältigen Erinnerungen an die vielen Begegnungen manchmal für den außenstehenden Leser etwas zu detailliert erscheinen können, eignet sich das Buch als wunderbares Nachschlagewerk, zumal am Ende dankenswerterweise ein ausgiebiges Personenverzeichnis angefügt ist.
Besonders kritisch geht der Autor mit sich selbst ins Gericht. Immer wieder beschäftigt ihn die Frage, wie "ein Mann, der in einem Bildungssystem aufgewachsen ist, das mit all seinen Vorurteilen und der intellektuellen Neigung zugunsten des Westens ganz und gar kolonial ist", es nicht auch selbst geworden sein müsse.
Aber letzten Endes bleibt er immer seiner Lebensaufgabe treu – mache ich das Beste, was ich tun kann? – ein Anspruch, der von seiner Mutter kommt. Auch spielt der Schwur – stets nach der Wahrheit zu streben –, den er als Studienanfänger der Makarere Universität leisten musste eine wichtige Rolle. Das führt zu einem kompromisslosen Weg des Schriftstellers, der seine Aufrichtigkeit auch mit Gefängnisaufenthalt und Exil bezahlen musste. Davon wird Ngugi wa Thiong’o wohl im vierten Band seiner Autobiografie berichten.

Ngugi wa Thiong’o: Geburt eines Traumwebers. Zeit des Aufbruchs
Aus dem Englischen von Thomas Brückner
A1 Verlag, München 2016
256 Seiten, 19,90 Euro

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