Nicht als stilles Mäuschen in der Ecke sitzen
Der Weg für Frauen in die deutschen Führungsetagen ist steinig. Oft müssen sie mitansehen, wie die Männer an ihnen vorbeiziehen. Die berühmte gläserne Decke sein in Deutschland dicker als anderswo, weiß Unternehmensberaterin Anke Domscheit-Berg aus eigener Erfahrung.
Alexandra Mangel: Die berühmte gläserne Decke heißt eben so, weil man sie von unten nicht sieht. Frauen, die Karriere machen wollen, bekommen sie oft erst zu spüren, wenn sie dagegenstoßen. Genau das ist auch Anke Domscheit-Berg passiert vor zehn Jahren als junge Mutter und gerade an der Schwelle zur Managerin einer Unternehmensberatung, als sie mit ansehen musste, wie Männer mit geringerer Qualifikation an ihr vorbeizogen. Seitdem hat sie sich nicht einfach mit dem Problem beschäftigt, sondern Hunderte von Managerinnen in großen deutschen Unternehmen geschult, und nach drei Jahren als Topmanagerin bei Microsoft hat sie sich jetzt als Beraterin in Sachen Frauenförderung selbstständig gemacht. Ich darf sie jetzt ganz herzlich bei uns im Studio begrüßen, herzlich willkommen, Frau Domscheit-Berg!
Anke Domscheit-Berg: Hallo!
Mangel: Waren Sie vor zehn Jahren auf den Karrierestopp nach dem ersten Kind vorbereitet, oder waren Sie überrascht, als es plötzlich einfach nicht mehr weiterging?
Domscheit-Berg: Das hat mich extrem überrascht, ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, was vielleicht auch daran liegt, dass ich ja noch in der DDR groß geworden bin und Wörter wie Rabenmutter oder gläserne Decke, die hatte ich einfach noch nie gehört. Ich bin davon ausgegangen, wenn man gute Leistung erbringt, dann kommt auch die Karriere. Und das hat wunderbar funktioniert bis zu dem Zeitpunkt, wo mein Kind da war, dann plötzlich ging es nicht mehr. Und ich hörte dann ganz interessante Argumente, warum es nicht weitergeht, weil ich ganz konkret nachgefragt habe, warum bin ich denn schon wieder nicht befördert worden, obwohl ich alle Voraussetzungen erfülle?
Mangel: Was haben Sie da zu hören gekriegt?
Domscheit-Berg: Also ich hörte zum Beispiel einmal, dass ich dankbar sein soll, dass ich mit Kind ja noch arbeiten kann in dieser Firma, und dass ich selbst gewählt hätte, ob ich Familie oder Karriere haben möchte, dass ich Karriere hätte machen können, aber von ganz alleine die Familie gewählt hätte, niemand mir diese Entscheidung aufgezwungen hat, und dass ich mich jetzt halt nicht wundern soll, dass ich nicht beides haben kann.
Mangel: Wenn man sich heute die Aufsichtsräte deutscher Unternehmen anschaut, dann ist man mit einer Männerquote von über 95 Prozent konfrontiert, die Unternehmen besetzen nur 4,5 Prozent der Aufsichtsratsposten mit Frauen. Ist die gläserne Decke in Deutschland besonders undurchdringlich?
Domscheit-Berg: Ja, das glaube ich schon. Also wenn wir in andere Länder gucken, und das muss gar nicht Norwegen sein, Norwegen hat inzwischen durch die Quote über 40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten, aber wir können auch in andere Länder schauen, das kann sogar irgendwo in Asien sein, in Singapur gibt es Rechenzentren ohne Ende, die von Frauen geleitet werden. Es gibt sehr viel höhere Anteile von Frauen in Führungspositionen in den angloamerikanischen Ländern, in Ländern wie Frankreich ist die Lage besser. Aber allgemein sind wahrscheinlich die skandinavischen Länder doch an de Spitze der Bewegung.
Mangel: Und was würden Sie sagen, woran liegt das in Deutschland, wo liegt das Problem?
Domscheit-Berg: Die gläserne Decke besteht aus sehr vielen Bausteinen. Wir finden einmal einen Grund für solche Behinderungen, dass es tatsächlich eine sehr große Segregation in der Bildung gibt, wobei ...
Mangel: ... was heißt das?
Domscheit-Berg: Das heißt, dass Frauen bestimmte Berufsgruppen auswählen, die weniger wahrscheinlich zu einer Karriere führen. Und das kann auch innerhalb von BWL sein, wenn Sie sich zum Beispiel auf Marketing und Personal spezialisieren, sind das später in Unternehmen die sogenannten dezentralen Bereiche, und aus dezentralen Bereichen kommt man relativ schlecht in die Topebene eines Unternehmens hinein. Das gilt für Männer genau so, aber Männer finden sich tendenziell eher in den sogenannten zentralen Bereichen. Das sind strategische, operative Finanzierung und solche Themen.
Mangel: Wenn wir jetzt aber mal bei den Frauen bleiben, die wie Sie eine Karriere als Managerin wollten, die das auch gekonnt hätten von den Qualifikationen, die aber trotzdem im Unternehmen nicht weiterkommen, was sind da für Mechanismen am Werk?
Domscheit-Berg: Ja ich hatte diese Zuschreibungen ja direkt gehört, mir hat unter anderem ein Manager auch gesagt, ich soll lieber Geschwister machen, das wäre für mein Kind viel wichtiger als eine arbeitende Mutter, und überhaupt wäre mein Platz ja eigentlich zu Hause, seine Frau hätte drei Kinder in drei Jahren gekriegt und würde sich wenigstens drum kümmern. Das hat mir der eigene Manager gesagt, der meine Beförderung praktisch nicht befürwortet hat. Es gibt dazu auch Untersuchungen, die zeigen, wenn jemand ein bestimmtes starkes Stereotyp verletzt, dass er dann in der Leistung abgewertet wird. Das heißt, in den Augen meines Chefs war meine Leistung weniger wert, nur weil ich mich nicht entsprechend dem Stereotyp Frau und Mutter verhalten habe.
Mangel: Wir sprechen im "Radiofeuilleton" mit Anke Domscheit-Berg, sie berät Frauen bei der Karriereplanung und sie berät Unternehmen, wie sie mehr Frauen in die Führungsetagen bekommen können. Frau Domscheit-Berg, wie reagieren Sie denn heute auf diese Erfahrung, die Sie gemacht haben, in Ihrer Beratungstätigkeit? Auf wie viel Problembewusstsein stoßen Sie denn bei den Unternehmensvorständen?
Domscheit-Berg: Wir haben ja inzwischen auch Unternehmen, die sich selbst eine Quote verordnen und sogar eine gesetzliche Quote fordern, wie die Deutsche Telekom. Quoten haben aber auch Bayer oder Daimler inzwischen. Diese Unternehmen müssen sich natürlich mit der Frage befassen, wie können wir diese Quote auch erreichen? Und der Siemens-Chef Löscher hat ja zum Beispiel gesagt, dass sein Hauptproblem die Lehmschicht in der mittleren Ebene ist, und das teile ich. Da gibt es besonders verbreitete Stereotype. Ich kann aber das Ganze nur verändern, wenn ich auf der obersten Managementebene, also wirklich auf der Vorstandsebene das Bewusstsein habe, dass ich als Unternehmen zukünftig nur wettbewerbsfähig sein kann, wenn ich auch die Frauen in allen Führungsetagen dabei habe. Das heißt, man muss dort das Commitment haben, die Bereitschaft, auch zu investieren unter anderem in Trainings, in Weiterbildung, in Mentoring, in Netzwerke, und muss dann dieses mittlere Management auch mitnehmen. Und wenn ich solche Trainings mache, dann mache ich die einerseits für Managerinnen oder solche, die es werden wollen oder sollen, aber durchaus auch für Personalleiter, die dann durchaus männlich sein können, und zeige ihnen selbst auch, was die Bausteine gläserner Decken sind, welche davon im Arbeitsumfeld liegen, wie zum Beispiel die Selbstdarstellung von Frauen und Männern sich unterscheidet oder die Bewertung der eigenen Leistung.
Mangel: Wo liegt da das Problem, können Sie das mal konkret machen?
Domscheit-Berg: Männer im Durchschnitt neigen dazu, die eigene Leistung höher zu bewerten, während Frauen eher dazu neigen, diese Leistung abzuwerten. Also es gab zum Beispiel eine Untersuchung, die hat man in Harvard bei MBA-Studenten mal gemacht und hat gefragt, wie denn dieser jeweilige Student, die Studentin die eigene Leistung relativ zu anderen beurteilt. 70 Prozent der männlichen Studenten fanden sich deutlich besser als alle anderen, was ja rein statistisch gar nicht geht. 70 Prozent der Frauen fanden sich total Durchschnitt, was auch nicht geht. Das heißt, Frauen haben sich unter Wert eingeschätzt und Männer über Wert. Und das findet natürlich im Alltag an Unternehmen auch statt.
Mangel: Und das vermitteln Sie dann in Ihren Beratungen?
Domscheit-Berg: Das vermittle ich, weil sehr oft die Art der Selbstdarstellung für Karriere und Beförderungsentscheidungen hinzugezogen wird. Und man muss Managern dann sagen, nur weil sich einer besser selbst verkauft, heißt das nicht, dass das für das Unternehmen die bessere Wahl ist.
Mangel: Sie haben bei McKinsey, bei der Unternehmensberatung McKinsey ja eine der ersten Studien initiiert, die sich mit dem Mehrwert von Frauen in Führungspositionen beschäftigt. Was bringen diese Frauen den Unternehmen denn, wie können Sie da argumentieren?
Domscheit-Berg: Also es gibt ja die wirtschaftlichen Erfolge, die man nachweisen und messen kann, das hat ja die zweite McKinsey-Studie, "Women Matter", erbracht, und hat gezeigt, wenn es mehr als drei Frauen, also mehr als 30 Prozent waren das im Schnitt, in Unternehmen in den Topführungsebenen gibt, dass sich die wirtschaftlichen Kennzahlen erheblich verbessern. Egal, ob das Eigenkapital, Rendite oder Aktienpreis sind, alles das verbesserte sich erheblich. Und das liegt unter anderem daran, dass Diversity, Vielfalt an sich einen Mehrwert bringt und Frauen einen besonderen Grad an Vielfalt in solche Gremien hineinbringen. Wenn man sich so einen klassischen Vorstand als Foto vorstellt, sind das alles völlig – also zumindest in meinen Augen – auswechselbar und sehr identisch und gleich aussehende Männer. Das ist so das Prinzip der homosozialen Reproduktion, wo ein Mensch nach Ähnlichkeit auswählt, die, mit denen er zusammenarbeiten möchte, weil er mehr Vertrauen zu diesen Menschen hat, sich da wohler fühlt ...
Mangel: ... weil er das besser kennt einfach ...
Domscheit-Berg: ... weil er das besser kennt. Das ist nicht böser Vorsatz und lass uns heute eine Frau diskriminieren, sondern das ist nur Wohlfühlfaktor. Wenn dann eine Frau dort reinkommt, führt das auch zu einem gewissen Störgefühl, weshalb man sie da eigentlich nicht gerne haben will, weshalb auch eine einzelne Frau nicht viel verändert, weil die ist dann nur das störende Element und wird nicht ernst genommen. Wenn dort aber 30 Prozent Frauen sitzen, dann verändert das Entscheidungsverhalten. Und Frauen sind tatsächlich etwas risikoaverser, was aber nicht unbedingt schlecht sein muss. Wir hätten die Wirtschaftskrise vielleicht nicht gehabt, wenn ein paar mehr risikoaverse Menschen in Führungsetagen Entscheidungen getroffen hätten oder Entscheidungen beeinflusst hätten.
Mangel: Und was raten Sie den Frauen?
Domscheit-Berg: Wenn ich als Frau in einem Unternehmen bin, das dort nichts tut, dann heißt das ja nicht, dass ich selbst nichts machen kann. Das heißt, dass meine Chancen vielleicht schlechter sind als in einem anderen Unternehmen, und eine Sache, die ich tun kann, ist gucken, ob ein anderes Unternehmen vielleicht besser ist und ich dorthin wechseln kann. Diese Möglichkeit hat aber nicht jede. Das heißt, man kann dann durchaus eine Menge Dinge lernen: Man kann lernen, wie man kommuniziert, dass man in Meetings nicht als kleines stilles Mäuschen in der Ecke sitzt und nichts sagt, sondern dass man sich laut und vernehmlich artikuliert, dass man zum Beispiel Konjunktive vermeidet, weil sie das, was ich sage, abschwächen, dass man sich, wenn man vor Leuten redet, sicher hinstellt und nicht möglichst wenig Raum einnimmt und die Beinchen übereinanderschlägt und dadurch auch wieder unsicher wirkt, wen man anschaut, wie man guckt. Diese Dinge, die kann man alle lernen, man kann auch einen gewissen Grad an Selbst-PR lernen, das interne Netzwerken, Sichtbarkeit gegenüber meinem Chef, aber auch dem Chef-Chef – das ist fast noch wichtiger, weil wenn ich sehr gut bin, will mein Chef mich gar nicht irgendwo anders hin hochbefördern, der will mich ja lieber als Arbeitstierchen behalten –, das heißt Sichtbarkeit außerhalb des unmittelbaren Abteilungsumfeldes zu schaffen, ist außerordentlich wichtig. Das sind manchmal kleine Dinge, die aber schon die Welt verändern können für einzelne Frauen.
Mangel: Dann zu einem großen Ding noch, was sagen Sie: Brauchen wir in Deutschland eine gesetzlich verordnete Frauenquote?
Domscheit-Berg: Das ist keine Frage, ja! Wir haben es ja lange genug ohne Quote probiert mit allen möglichen Maßnahmen, mit Audits für Beruf und Familie, mit freiwilligen Vereinbarungen, mit allen möglichen Werbungs- und Kommunikationsmaßnahmen auch aus dem Bundesfamilien- und Frauenministerium heraus. Das hat alles nichts gebracht. Das Einzige, wo sich was verändert hat, ist im Bildungsbereich, und das ist nicht ein Erfolg, den man dem Staat anrechnen kann, das waren die Frauen selbst.
Mangel: Anke Domscheit-Berg, Unternehmensberaterin für die Förderung von Frauen, außerdem IT-Beraterin, Managerin und Wirtschaftswissenschaftlerin. Danke schön fürs Gespräch, Frau Domscheit-Berg!
Domscheit-Berg: Danke schön!
Anke Domscheit-Berg: Hallo!
Mangel: Waren Sie vor zehn Jahren auf den Karrierestopp nach dem ersten Kind vorbereitet, oder waren Sie überrascht, als es plötzlich einfach nicht mehr weiterging?
Domscheit-Berg: Das hat mich extrem überrascht, ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, was vielleicht auch daran liegt, dass ich ja noch in der DDR groß geworden bin und Wörter wie Rabenmutter oder gläserne Decke, die hatte ich einfach noch nie gehört. Ich bin davon ausgegangen, wenn man gute Leistung erbringt, dann kommt auch die Karriere. Und das hat wunderbar funktioniert bis zu dem Zeitpunkt, wo mein Kind da war, dann plötzlich ging es nicht mehr. Und ich hörte dann ganz interessante Argumente, warum es nicht weitergeht, weil ich ganz konkret nachgefragt habe, warum bin ich denn schon wieder nicht befördert worden, obwohl ich alle Voraussetzungen erfülle?
Mangel: Was haben Sie da zu hören gekriegt?
Domscheit-Berg: Also ich hörte zum Beispiel einmal, dass ich dankbar sein soll, dass ich mit Kind ja noch arbeiten kann in dieser Firma, und dass ich selbst gewählt hätte, ob ich Familie oder Karriere haben möchte, dass ich Karriere hätte machen können, aber von ganz alleine die Familie gewählt hätte, niemand mir diese Entscheidung aufgezwungen hat, und dass ich mich jetzt halt nicht wundern soll, dass ich nicht beides haben kann.
Mangel: Wenn man sich heute die Aufsichtsräte deutscher Unternehmen anschaut, dann ist man mit einer Männerquote von über 95 Prozent konfrontiert, die Unternehmen besetzen nur 4,5 Prozent der Aufsichtsratsposten mit Frauen. Ist die gläserne Decke in Deutschland besonders undurchdringlich?
Domscheit-Berg: Ja, das glaube ich schon. Also wenn wir in andere Länder gucken, und das muss gar nicht Norwegen sein, Norwegen hat inzwischen durch die Quote über 40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten, aber wir können auch in andere Länder schauen, das kann sogar irgendwo in Asien sein, in Singapur gibt es Rechenzentren ohne Ende, die von Frauen geleitet werden. Es gibt sehr viel höhere Anteile von Frauen in Führungspositionen in den angloamerikanischen Ländern, in Ländern wie Frankreich ist die Lage besser. Aber allgemein sind wahrscheinlich die skandinavischen Länder doch an de Spitze der Bewegung.
Mangel: Und was würden Sie sagen, woran liegt das in Deutschland, wo liegt das Problem?
Domscheit-Berg: Die gläserne Decke besteht aus sehr vielen Bausteinen. Wir finden einmal einen Grund für solche Behinderungen, dass es tatsächlich eine sehr große Segregation in der Bildung gibt, wobei ...
Mangel: ... was heißt das?
Domscheit-Berg: Das heißt, dass Frauen bestimmte Berufsgruppen auswählen, die weniger wahrscheinlich zu einer Karriere führen. Und das kann auch innerhalb von BWL sein, wenn Sie sich zum Beispiel auf Marketing und Personal spezialisieren, sind das später in Unternehmen die sogenannten dezentralen Bereiche, und aus dezentralen Bereichen kommt man relativ schlecht in die Topebene eines Unternehmens hinein. Das gilt für Männer genau so, aber Männer finden sich tendenziell eher in den sogenannten zentralen Bereichen. Das sind strategische, operative Finanzierung und solche Themen.
Mangel: Wenn wir jetzt aber mal bei den Frauen bleiben, die wie Sie eine Karriere als Managerin wollten, die das auch gekonnt hätten von den Qualifikationen, die aber trotzdem im Unternehmen nicht weiterkommen, was sind da für Mechanismen am Werk?
Domscheit-Berg: Ja ich hatte diese Zuschreibungen ja direkt gehört, mir hat unter anderem ein Manager auch gesagt, ich soll lieber Geschwister machen, das wäre für mein Kind viel wichtiger als eine arbeitende Mutter, und überhaupt wäre mein Platz ja eigentlich zu Hause, seine Frau hätte drei Kinder in drei Jahren gekriegt und würde sich wenigstens drum kümmern. Das hat mir der eigene Manager gesagt, der meine Beförderung praktisch nicht befürwortet hat. Es gibt dazu auch Untersuchungen, die zeigen, wenn jemand ein bestimmtes starkes Stereotyp verletzt, dass er dann in der Leistung abgewertet wird. Das heißt, in den Augen meines Chefs war meine Leistung weniger wert, nur weil ich mich nicht entsprechend dem Stereotyp Frau und Mutter verhalten habe.
Mangel: Wir sprechen im "Radiofeuilleton" mit Anke Domscheit-Berg, sie berät Frauen bei der Karriereplanung und sie berät Unternehmen, wie sie mehr Frauen in die Führungsetagen bekommen können. Frau Domscheit-Berg, wie reagieren Sie denn heute auf diese Erfahrung, die Sie gemacht haben, in Ihrer Beratungstätigkeit? Auf wie viel Problembewusstsein stoßen Sie denn bei den Unternehmensvorständen?
Domscheit-Berg: Wir haben ja inzwischen auch Unternehmen, die sich selbst eine Quote verordnen und sogar eine gesetzliche Quote fordern, wie die Deutsche Telekom. Quoten haben aber auch Bayer oder Daimler inzwischen. Diese Unternehmen müssen sich natürlich mit der Frage befassen, wie können wir diese Quote auch erreichen? Und der Siemens-Chef Löscher hat ja zum Beispiel gesagt, dass sein Hauptproblem die Lehmschicht in der mittleren Ebene ist, und das teile ich. Da gibt es besonders verbreitete Stereotype. Ich kann aber das Ganze nur verändern, wenn ich auf der obersten Managementebene, also wirklich auf der Vorstandsebene das Bewusstsein habe, dass ich als Unternehmen zukünftig nur wettbewerbsfähig sein kann, wenn ich auch die Frauen in allen Führungsetagen dabei habe. Das heißt, man muss dort das Commitment haben, die Bereitschaft, auch zu investieren unter anderem in Trainings, in Weiterbildung, in Mentoring, in Netzwerke, und muss dann dieses mittlere Management auch mitnehmen. Und wenn ich solche Trainings mache, dann mache ich die einerseits für Managerinnen oder solche, die es werden wollen oder sollen, aber durchaus auch für Personalleiter, die dann durchaus männlich sein können, und zeige ihnen selbst auch, was die Bausteine gläserner Decken sind, welche davon im Arbeitsumfeld liegen, wie zum Beispiel die Selbstdarstellung von Frauen und Männern sich unterscheidet oder die Bewertung der eigenen Leistung.
Mangel: Wo liegt da das Problem, können Sie das mal konkret machen?
Domscheit-Berg: Männer im Durchschnitt neigen dazu, die eigene Leistung höher zu bewerten, während Frauen eher dazu neigen, diese Leistung abzuwerten. Also es gab zum Beispiel eine Untersuchung, die hat man in Harvard bei MBA-Studenten mal gemacht und hat gefragt, wie denn dieser jeweilige Student, die Studentin die eigene Leistung relativ zu anderen beurteilt. 70 Prozent der männlichen Studenten fanden sich deutlich besser als alle anderen, was ja rein statistisch gar nicht geht. 70 Prozent der Frauen fanden sich total Durchschnitt, was auch nicht geht. Das heißt, Frauen haben sich unter Wert eingeschätzt und Männer über Wert. Und das findet natürlich im Alltag an Unternehmen auch statt.
Mangel: Und das vermitteln Sie dann in Ihren Beratungen?
Domscheit-Berg: Das vermittle ich, weil sehr oft die Art der Selbstdarstellung für Karriere und Beförderungsentscheidungen hinzugezogen wird. Und man muss Managern dann sagen, nur weil sich einer besser selbst verkauft, heißt das nicht, dass das für das Unternehmen die bessere Wahl ist.
Mangel: Sie haben bei McKinsey, bei der Unternehmensberatung McKinsey ja eine der ersten Studien initiiert, die sich mit dem Mehrwert von Frauen in Führungspositionen beschäftigt. Was bringen diese Frauen den Unternehmen denn, wie können Sie da argumentieren?
Domscheit-Berg: Also es gibt ja die wirtschaftlichen Erfolge, die man nachweisen und messen kann, das hat ja die zweite McKinsey-Studie, "Women Matter", erbracht, und hat gezeigt, wenn es mehr als drei Frauen, also mehr als 30 Prozent waren das im Schnitt, in Unternehmen in den Topführungsebenen gibt, dass sich die wirtschaftlichen Kennzahlen erheblich verbessern. Egal, ob das Eigenkapital, Rendite oder Aktienpreis sind, alles das verbesserte sich erheblich. Und das liegt unter anderem daran, dass Diversity, Vielfalt an sich einen Mehrwert bringt und Frauen einen besonderen Grad an Vielfalt in solche Gremien hineinbringen. Wenn man sich so einen klassischen Vorstand als Foto vorstellt, sind das alles völlig – also zumindest in meinen Augen – auswechselbar und sehr identisch und gleich aussehende Männer. Das ist so das Prinzip der homosozialen Reproduktion, wo ein Mensch nach Ähnlichkeit auswählt, die, mit denen er zusammenarbeiten möchte, weil er mehr Vertrauen zu diesen Menschen hat, sich da wohler fühlt ...
Mangel: ... weil er das besser kennt einfach ...
Domscheit-Berg: ... weil er das besser kennt. Das ist nicht böser Vorsatz und lass uns heute eine Frau diskriminieren, sondern das ist nur Wohlfühlfaktor. Wenn dann eine Frau dort reinkommt, führt das auch zu einem gewissen Störgefühl, weshalb man sie da eigentlich nicht gerne haben will, weshalb auch eine einzelne Frau nicht viel verändert, weil die ist dann nur das störende Element und wird nicht ernst genommen. Wenn dort aber 30 Prozent Frauen sitzen, dann verändert das Entscheidungsverhalten. Und Frauen sind tatsächlich etwas risikoaverser, was aber nicht unbedingt schlecht sein muss. Wir hätten die Wirtschaftskrise vielleicht nicht gehabt, wenn ein paar mehr risikoaverse Menschen in Führungsetagen Entscheidungen getroffen hätten oder Entscheidungen beeinflusst hätten.
Mangel: Und was raten Sie den Frauen?
Domscheit-Berg: Wenn ich als Frau in einem Unternehmen bin, das dort nichts tut, dann heißt das ja nicht, dass ich selbst nichts machen kann. Das heißt, dass meine Chancen vielleicht schlechter sind als in einem anderen Unternehmen, und eine Sache, die ich tun kann, ist gucken, ob ein anderes Unternehmen vielleicht besser ist und ich dorthin wechseln kann. Diese Möglichkeit hat aber nicht jede. Das heißt, man kann dann durchaus eine Menge Dinge lernen: Man kann lernen, wie man kommuniziert, dass man in Meetings nicht als kleines stilles Mäuschen in der Ecke sitzt und nichts sagt, sondern dass man sich laut und vernehmlich artikuliert, dass man zum Beispiel Konjunktive vermeidet, weil sie das, was ich sage, abschwächen, dass man sich, wenn man vor Leuten redet, sicher hinstellt und nicht möglichst wenig Raum einnimmt und die Beinchen übereinanderschlägt und dadurch auch wieder unsicher wirkt, wen man anschaut, wie man guckt. Diese Dinge, die kann man alle lernen, man kann auch einen gewissen Grad an Selbst-PR lernen, das interne Netzwerken, Sichtbarkeit gegenüber meinem Chef, aber auch dem Chef-Chef – das ist fast noch wichtiger, weil wenn ich sehr gut bin, will mein Chef mich gar nicht irgendwo anders hin hochbefördern, der will mich ja lieber als Arbeitstierchen behalten –, das heißt Sichtbarkeit außerhalb des unmittelbaren Abteilungsumfeldes zu schaffen, ist außerordentlich wichtig. Das sind manchmal kleine Dinge, die aber schon die Welt verändern können für einzelne Frauen.
Mangel: Dann zu einem großen Ding noch, was sagen Sie: Brauchen wir in Deutschland eine gesetzlich verordnete Frauenquote?
Domscheit-Berg: Das ist keine Frage, ja! Wir haben es ja lange genug ohne Quote probiert mit allen möglichen Maßnahmen, mit Audits für Beruf und Familie, mit freiwilligen Vereinbarungen, mit allen möglichen Werbungs- und Kommunikationsmaßnahmen auch aus dem Bundesfamilien- und Frauenministerium heraus. Das hat alles nichts gebracht. Das Einzige, wo sich was verändert hat, ist im Bildungsbereich, und das ist nicht ein Erfolg, den man dem Staat anrechnen kann, das waren die Frauen selbst.
Mangel: Anke Domscheit-Berg, Unternehmensberaterin für die Förderung von Frauen, außerdem IT-Beraterin, Managerin und Wirtschaftswissenschaftlerin. Danke schön fürs Gespräch, Frau Domscheit-Berg!
Domscheit-Berg: Danke schön!