Nicht nur Elend
Zwei Drittel aller Bewohner Nairobis leben in Slums. Davon durchbrechen mehr und mehr junge Menschen den vermeintlichen Automatismus von Herkunft und Zukunft. Sie nehmen beispielsweise ein Studium auf und gründen Start-Ups. Selbstbewusst wehren sie sich gegen das Klischee, dass in den Slums von Nairobi allein Armut, Resignation und Kriminalität zu Hause sind.
Dies ist eine Geschichte über Geld. Viel Geld. Und sie handelt nicht etwa in der Steueroase Monaco oder in Zürich. Sie handelt in den Slums von Nairobi, der Hauptstadt Kenias. Und es geht auch um anderen Reichtum, um den an Kreativität.
Die Menschen, die hier leben, sind arm. Ihre Hütten: Unterkünfte aus Wellblech, Holzbrettern, Lehmziegeln, Karton oder Plastikplanen. Die Wege: schmal, vom Regen aufgeweicht, von Kloaken gesäumt. Es gibt kein Abwassersystem, keine Müllabfuhr und elektrischen Strom für die meisten nur illegal.
Diese Armut macht manche Menschen reich: die tatsächlichen oder vorgeblichen Eigentümer der Ländereien, auf denen die Elendsviertel stehen. Außerdem die Hüttenbesitzer, die von Slumbewohnern viel Geld für winzige Parzellen und Bruchbuden verlangen, die kaum den Regen abhalten.
"Willkommen! Hier lebe ich. Das hier ist mein Wohnzimmer, und das da mein Schlafzimmer."
Umstandslos bittet Alice Lewa Nini in ihre Hütte. Für die Führung durch ihr kleines Reich im Slum namens Mukuru kwa Njenga muss sie sich kaum bewegen: Von der Eingangstür aus hat sie alles im Blick. Neben dem Sofa und Wohnzimmertisch hat Alice Koffer, Plastiktüten und Kleidung gestapelt. Schränke besitzt sie nicht. Im Schlafzimmer sieht es ähnlich aus.
Für die zwei Zimmer zahlt Alice jeden Monat etwa 25 Euro. Das ist in Mukuru kwa Njenga viel Geld. Ein Essen aus Chapati mit Bohnengemüse kostet umgerechnet zwei Eurocent, ebenso viel wie ein Haarschnitt. Ein Frühstück mit Tee und einem Donut kostet die Hälfte: einen Cent. Alice zahlt außerdem fünf Euro für den illegal abgezapften Strom. Damit betreibt sie einen Fernseher, auf den sie stolz ist.
"Siehst Du, ich bin wenigstens ein bisschen informiert. Ich kann Nachrichten aus der ganzen Welt gucken!"
In der Hütte aus Wellblech und Holz lebt Alice mit ihren sechs Kindern, zwei Enkeln und einer unbestimmten Anzahl weiterer Menschen.
"Wir sind zu zehnt, weil ich noch eine Frau bei mir aufgenommen habe. Sie hatte finanzielle Schwierigkeiten und keine Bleibe. Außerdem bin ich in unserer Nachbarschaft ‚Community Leader‘ und trage besondere Verantwortung. Deshalb nehme ich oft Kinder mit nach Hause, die ausgesetzt wurden. Ich kann dir also nicht genau sagen, zu wie vielen wir hier wohnen."
Alice Lewa Nini gehört zu den hunderttausenden Slumbewohnern, in deren Namen ein Dachverband der Selbsthilfegruppen von Slumbewohnern nun klagt. Deren juristischen Gegner sind die Landlords.
"Wir sind alle Slumbewohner, wir wohnen in den unterschiedlichsten Elendsvierteln und haben uns zusammengeschlossen", sagte Benson Osumba, der den Dachverband der Slumbewohner bis zu seinem plötzlichen Tod Mitte April leitete. Er war maßgeblich an der Vorbereitung einer Petition beteiligt, die Rechtsanwälte anschließend ausformulierten.
Die Menschen, die hier leben, sind arm. Ihre Hütten: Unterkünfte aus Wellblech, Holzbrettern, Lehmziegeln, Karton oder Plastikplanen. Die Wege: schmal, vom Regen aufgeweicht, von Kloaken gesäumt. Es gibt kein Abwassersystem, keine Müllabfuhr und elektrischen Strom für die meisten nur illegal.
Diese Armut macht manche Menschen reich: die tatsächlichen oder vorgeblichen Eigentümer der Ländereien, auf denen die Elendsviertel stehen. Außerdem die Hüttenbesitzer, die von Slumbewohnern viel Geld für winzige Parzellen und Bruchbuden verlangen, die kaum den Regen abhalten.
"Willkommen! Hier lebe ich. Das hier ist mein Wohnzimmer, und das da mein Schlafzimmer."
Umstandslos bittet Alice Lewa Nini in ihre Hütte. Für die Führung durch ihr kleines Reich im Slum namens Mukuru kwa Njenga muss sie sich kaum bewegen: Von der Eingangstür aus hat sie alles im Blick. Neben dem Sofa und Wohnzimmertisch hat Alice Koffer, Plastiktüten und Kleidung gestapelt. Schränke besitzt sie nicht. Im Schlafzimmer sieht es ähnlich aus.
Für die zwei Zimmer zahlt Alice jeden Monat etwa 25 Euro. Das ist in Mukuru kwa Njenga viel Geld. Ein Essen aus Chapati mit Bohnengemüse kostet umgerechnet zwei Eurocent, ebenso viel wie ein Haarschnitt. Ein Frühstück mit Tee und einem Donut kostet die Hälfte: einen Cent. Alice zahlt außerdem fünf Euro für den illegal abgezapften Strom. Damit betreibt sie einen Fernseher, auf den sie stolz ist.
"Siehst Du, ich bin wenigstens ein bisschen informiert. Ich kann Nachrichten aus der ganzen Welt gucken!"
In der Hütte aus Wellblech und Holz lebt Alice mit ihren sechs Kindern, zwei Enkeln und einer unbestimmten Anzahl weiterer Menschen.
"Wir sind zu zehnt, weil ich noch eine Frau bei mir aufgenommen habe. Sie hatte finanzielle Schwierigkeiten und keine Bleibe. Außerdem bin ich in unserer Nachbarschaft ‚Community Leader‘ und trage besondere Verantwortung. Deshalb nehme ich oft Kinder mit nach Hause, die ausgesetzt wurden. Ich kann dir also nicht genau sagen, zu wie vielen wir hier wohnen."
Alice Lewa Nini gehört zu den hunderttausenden Slumbewohnern, in deren Namen ein Dachverband der Selbsthilfegruppen von Slumbewohnern nun klagt. Deren juristischen Gegner sind die Landlords.
"Wir sind alle Slumbewohner, wir wohnen in den unterschiedlichsten Elendsvierteln und haben uns zusammengeschlossen", sagte Benson Osumba, der den Dachverband der Slumbewohner bis zu seinem plötzlichen Tod Mitte April leitete. Er war maßgeblich an der Vorbereitung einer Petition beteiligt, die Rechtsanwälte anschließend ausformulierten.
Recht auf bestmögliche Gesundheit
Die Bewohner der Elendsviertel fordern darin, dass ihnen das Land, auf dem sie zum Teil seit Jahrzehnten leben, überlassen wird. Oder dass sie es wenigstens kaufen können. Sie berufen sich dabei auf einen Artikel der neuen kenianischen Verfassung, die nach einem Referendum im August 2010 in Kraft trat. Darin heißt es:
"Jeder hat das Recht auf bestmögliche Gesundheit. Das umfasst das Recht auf medizinische Versorgung, einschließlich der Reproduktionsmedizin. Sowie das Recht auf angemessenen und erreichbaren Wohnraum, einschließlich annehmbarer Sanitäreinrichtungen."
Um die Petition auszuarbeiten, recherchierte Benson Osumba zwei Jahre lang. Er brachte Licht in die verschleierten Besitzverhältnisse und Grundbuchtitel, las Berichte von kenianischen Regierungskommissionen und des Programms für menschliche Siedlungen der Vereinten Nationen, kurz UN-Habitat.
Im September 2012 überreichten die Anwälte der Slumbewohner die Petition dem zuständigen kenianischen Gericht. Parallel dazu fordern sie die kenianische Kommission für Landfragen auf, die zweifelhaften Besitzurkunden der Slum Tycoons zu prüfen, die noch den Ärmsten Geld abknöpfen. Benson arbeitete mit Joseph Muturi zusammen.
In Nairobis schickem Stadtviertel Muthaiga, wo die Reichen zuhause sind, lebt auf der Fläche eines halben Fußballfeldes nur eine Familie. Muthaiga mit seinen Golfplätzen und Villen liegt direkt neben einem der Slums.
"Die von Slums bedeckte Fläche ist in Nairobi sehr klein, wenn man sie mit den Villenvierteln vergleicht. Die Reichen wohnen auf 80 Prozent des guten oder erstklassigen Landes. Die Elendsviertel sind dort zusammen gepfercht, wo man nicht bauen darf: im Hochwasserbereich innerstädtischer Bäche, unter Hochspannungsleitungen, über Erdölpipelines oder auf Privatland.
Nairobi hat rund vier Millionen Einwohner. Wir führen in den Slums gerade eine Volkszählung durch und haben schon mehr als zweieinhalb Millionen Bewohner gezählt. Und wir sind noch längst nicht in allen Elendsvierteln gewesen."
"Jeder hat das Recht auf bestmögliche Gesundheit. Das umfasst das Recht auf medizinische Versorgung, einschließlich der Reproduktionsmedizin. Sowie das Recht auf angemessenen und erreichbaren Wohnraum, einschließlich annehmbarer Sanitäreinrichtungen."
Um die Petition auszuarbeiten, recherchierte Benson Osumba zwei Jahre lang. Er brachte Licht in die verschleierten Besitzverhältnisse und Grundbuchtitel, las Berichte von kenianischen Regierungskommissionen und des Programms für menschliche Siedlungen der Vereinten Nationen, kurz UN-Habitat.
Im September 2012 überreichten die Anwälte der Slumbewohner die Petition dem zuständigen kenianischen Gericht. Parallel dazu fordern sie die kenianische Kommission für Landfragen auf, die zweifelhaften Besitzurkunden der Slum Tycoons zu prüfen, die noch den Ärmsten Geld abknöpfen. Benson arbeitete mit Joseph Muturi zusammen.
In Nairobis schickem Stadtviertel Muthaiga, wo die Reichen zuhause sind, lebt auf der Fläche eines halben Fußballfeldes nur eine Familie. Muthaiga mit seinen Golfplätzen und Villen liegt direkt neben einem der Slums.
"Die von Slums bedeckte Fläche ist in Nairobi sehr klein, wenn man sie mit den Villenvierteln vergleicht. Die Reichen wohnen auf 80 Prozent des guten oder erstklassigen Landes. Die Elendsviertel sind dort zusammen gepfercht, wo man nicht bauen darf: im Hochwasserbereich innerstädtischer Bäche, unter Hochspannungsleitungen, über Erdölpipelines oder auf Privatland.
Nairobi hat rund vier Millionen Einwohner. Wir führen in den Slums gerade eine Volkszählung durch und haben schon mehr als zweieinhalb Millionen Bewohner gezählt. Und wir sind noch längst nicht in allen Elendsvierteln gewesen."
Slum-Hütten als Einnahmequelle
Das UN-Programm folgerte aus den Ergebnissen einer Studie: Arme Menschen werden in kenianischen Großstädten so massiv ausgenutzt, wie sonst fast nirgendwo auf der Welt. Um eine Vorstellung von den Mieten in kenianischen Slums zu geben, erzählt Benson Osumba von dem Slum Korogocho, in dem er selbst wohnt.
"Die meisten Hütten sind drei mal drei Meter groß. Für so eine Hütte, in deren Nähe keine Toilette ist, zahlt man zwanzig Euro im Monat. Ist eine Toilette in der Nähe, sind es fünf Euro mehr. Ist außerdem die nächste Wasserstelle nicht allzu weit weg, kommen noch mal fünf Euro drauf.
Kann man Strom anzapfen, egal ob legal oder illegal, wird es noch mal teurer. Neun Quadratmeter kosten bei uns also bis zu 50 Euro im Monat. Wenn der Reiche, dem das Land gehört, hundert solcher Hütten vermietet, verdient er im Monat an den Slumbewohnern viel Geld."
Nehmen wir an, jemand besäße in einem der Slums ein halbes Fußballfeld an Boden. Durchschnittlich lebten auf dieser Fläche 320 Haushalte. Selbst bei der günstigsten Miete, also 20 Euro im Monat ließen sich mit dem halben Fußballfeld so 6400 Euro monatlich verdienen - deutlich mehr, als mit einem Grundstück gleicher Größe im Reichenviertel Muthaiga.
Denn dort steht auf einer Fläche derselben Größe nur eine einzige Villa. Und so hoch die Mieten in Nairobi auch sind: Für 3000 bis 4000 Euro ist eine solche Villa durchaus zu haben.
Die einfachen Slumhütten bringen laut UN-Habitat eine traumhafte Rendite von 130 Prozent. Trotzdem gibt es einen Wermutstropfen für die Slum Tycoons: Weil die Behausungen in der Regel illegal sind, müssen sie ihre Mieteinnahmen oft mit korrupten Beamten der Stadtverwaltung teilen.
In der Hütte von Alice Lewa Nini, im Slum von Mukuru kwa Njenga, stellt sich jedem Europäer die Frage: Wie sollen zehn oder mehr Menschen denn bitte hier rein passen?
"Ich kriege das schon hin. Einige passen ins Schlafzimmer, da steht auch mein Bett, in dem ich mit den kleineren Kindern zusammen schlafe. Für die größeren breite ich abends eine Matte auf dem Boden aus. So leben wir."
Und wo machen die Kinder ihre Hausaufgaben?
"Die müssen sie machen, bevor die anderen ins Bett gehen. Und wir müssen warten, bis sie fertig sind."
Für die Nacht wird der Wohnzimmertisch, der auch zum Essen dient, beiseite geschoben, damit die Schlafmatte auf den Boden passt. Anschließend kommt keiner mehr durch, überall liegt jemand. Aber trotz der Enge wirken die beiden Zimmer wohnlich.
"Die meisten Hütten sind drei mal drei Meter groß. Für so eine Hütte, in deren Nähe keine Toilette ist, zahlt man zwanzig Euro im Monat. Ist eine Toilette in der Nähe, sind es fünf Euro mehr. Ist außerdem die nächste Wasserstelle nicht allzu weit weg, kommen noch mal fünf Euro drauf.
Kann man Strom anzapfen, egal ob legal oder illegal, wird es noch mal teurer. Neun Quadratmeter kosten bei uns also bis zu 50 Euro im Monat. Wenn der Reiche, dem das Land gehört, hundert solcher Hütten vermietet, verdient er im Monat an den Slumbewohnern viel Geld."
Nehmen wir an, jemand besäße in einem der Slums ein halbes Fußballfeld an Boden. Durchschnittlich lebten auf dieser Fläche 320 Haushalte. Selbst bei der günstigsten Miete, also 20 Euro im Monat ließen sich mit dem halben Fußballfeld so 6400 Euro monatlich verdienen - deutlich mehr, als mit einem Grundstück gleicher Größe im Reichenviertel Muthaiga.
Denn dort steht auf einer Fläche derselben Größe nur eine einzige Villa. Und so hoch die Mieten in Nairobi auch sind: Für 3000 bis 4000 Euro ist eine solche Villa durchaus zu haben.
Die einfachen Slumhütten bringen laut UN-Habitat eine traumhafte Rendite von 130 Prozent. Trotzdem gibt es einen Wermutstropfen für die Slum Tycoons: Weil die Behausungen in der Regel illegal sind, müssen sie ihre Mieteinnahmen oft mit korrupten Beamten der Stadtverwaltung teilen.
In der Hütte von Alice Lewa Nini, im Slum von Mukuru kwa Njenga, stellt sich jedem Europäer die Frage: Wie sollen zehn oder mehr Menschen denn bitte hier rein passen?
"Ich kriege das schon hin. Einige passen ins Schlafzimmer, da steht auch mein Bett, in dem ich mit den kleineren Kindern zusammen schlafe. Für die größeren breite ich abends eine Matte auf dem Boden aus. So leben wir."
Und wo machen die Kinder ihre Hausaufgaben?
"Die müssen sie machen, bevor die anderen ins Bett gehen. Und wir müssen warten, bis sie fertig sind."
Für die Nacht wird der Wohnzimmertisch, der auch zum Essen dient, beiseite geschoben, damit die Schlafmatte auf den Boden passt. Anschließend kommt keiner mehr durch, überall liegt jemand. Aber trotz der Enge wirken die beiden Zimmer wohnlich.
Besitzverhältnisse sind oft unklar
Auf dem Fernseher steht ein Foto von Alice’ verstorbenem Mann. Überall sitzen, stehen oder liegen Stofftiere. Alle abgegriffen und überzogen vom Dreck vieler Jahre, der nicht mehr heraus zu waschen ist.
Alice fühlt sich in der kleinen Hütte zu Hause, sie wohnt dort schon seit Jahrzehnten, hat dort ihre Kinder hier groß gezogen. Dabei droht ihr, wie allen Slum-Bewohnern, immer die Gefahr, vertrieben zu werden. Wem der Boden gehört, wissen die meisten nicht. Benson Osumba und Joseph Muturi haben zwei Jahre gebraucht, um etwas Licht in das Dunkel der Besitzverhältnisse zu bringen.
"Die Landlords haben die Grundstücke praktisch umsonst gekriegt, allerdings unter Auflagen. Darauf wollen wir uns vor Gericht berufen. Dazu gehört, dass sie das Land nicht verkaufen dürfen. Und jetzt, 30 Jahre später, drohen sie den Menschen, die dort zum Teil schon seit Jahrzehnten leben: ‚Entweder, du zahlst 15.000 Euro für diese Parzelle – oder wir kommen mit Bulldozern.‘"
Eine weitere Auflage war, dass die neuen Landbesitzer das Grundstück innerhalb von zwei Jahren entsprechend dem Flächennutzungsplan entwickeln müssen.
Wenn sie dazu nicht in der Lage sind, sollte das Land an die Regierung zurückfallen. Tatsächlich aber behielten die Landlords ihre Grundstücke und verdienten durch die Parzellierung in Slum-Grundstücke und der Vermietung zehntausende von Euro.
Korogocho heißt das Elendsviertel, in dem Osumba und Muturi zu Hause sind. In der Nacht hat es tropisch dicht geregnet, die Wege sind aufgeweicht und gehen fast nahtlos in die Kloaken über, die alle Pfade säumen. Am Rand der Wege backen Männer Chapati, preiswerte, indische Teigfladen. Frauen frittieren Krapfen, Kassettenhändler werben mit dröhnenden Kostproben ihrer Musik um Käufer.
Osumba wurde dort vor 33 Jahren geboren und verdiente bis zu seinem Tod sein Geld, indem er einfache Teigwaren buk. Nebenbei studierte er Architektur. Im Studium beschäftigte er sich unter anderem mit Stadtentwicklung, für ihn einer der Auslöser dafür, die dubiosen Eigentumsverhältnisse in den Slums von Nairobi zu untersuchen.
Alice fühlt sich in der kleinen Hütte zu Hause, sie wohnt dort schon seit Jahrzehnten, hat dort ihre Kinder hier groß gezogen. Dabei droht ihr, wie allen Slum-Bewohnern, immer die Gefahr, vertrieben zu werden. Wem der Boden gehört, wissen die meisten nicht. Benson Osumba und Joseph Muturi haben zwei Jahre gebraucht, um etwas Licht in das Dunkel der Besitzverhältnisse zu bringen.
"Die Landlords haben die Grundstücke praktisch umsonst gekriegt, allerdings unter Auflagen. Darauf wollen wir uns vor Gericht berufen. Dazu gehört, dass sie das Land nicht verkaufen dürfen. Und jetzt, 30 Jahre später, drohen sie den Menschen, die dort zum Teil schon seit Jahrzehnten leben: ‚Entweder, du zahlst 15.000 Euro für diese Parzelle – oder wir kommen mit Bulldozern.‘"
Eine weitere Auflage war, dass die neuen Landbesitzer das Grundstück innerhalb von zwei Jahren entsprechend dem Flächennutzungsplan entwickeln müssen.
Wenn sie dazu nicht in der Lage sind, sollte das Land an die Regierung zurückfallen. Tatsächlich aber behielten die Landlords ihre Grundstücke und verdienten durch die Parzellierung in Slum-Grundstücke und der Vermietung zehntausende von Euro.
Korogocho heißt das Elendsviertel, in dem Osumba und Muturi zu Hause sind. In der Nacht hat es tropisch dicht geregnet, die Wege sind aufgeweicht und gehen fast nahtlos in die Kloaken über, die alle Pfade säumen. Am Rand der Wege backen Männer Chapati, preiswerte, indische Teigfladen. Frauen frittieren Krapfen, Kassettenhändler werben mit dröhnenden Kostproben ihrer Musik um Käufer.
Osumba wurde dort vor 33 Jahren geboren und verdiente bis zu seinem Tod sein Geld, indem er einfache Teigwaren buk. Nebenbei studierte er Architektur. Im Studium beschäftigte er sich unter anderem mit Stadtentwicklung, für ihn einer der Auslöser dafür, die dubiosen Eigentumsverhältnisse in den Slums von Nairobi zu untersuchen.
"Unser Bildungsniveau ist gut"
Auch Muturi hat immer im Slum gelebt. Für ihn ist es nicht zuletzt eine Frage der Selbstachtung, das Recht auf angemessenen Wohnraum notfalls einzuklagen. Das methodische Werkzeug dafür lernte er in der Schule und auf der Uni.
"Ja, unser Bildungsniveau ist gut. Es gehört zu den Stereotypen, dass die Leute meinen, aus den Slums könne nichts Gutes kommen. Aber Osumba war Architekturstudent, und ich bin studierter Sozialarbeiter. Viele Leute glauben, dass alle Slumbewohner kriminell sind. Aber jeder von uns kann sich entscheiden. Viele junge Menschen haben dieselbe Wahl getroffen wie ich: Ich werde nicht kriminell werden, ich will etwas aus meinem Leben machen."
22 Mädchen jagen einem Ball hinterher.
Auf einem Platz in Sichtweite spielen zwei weitere Mädchenmannschaften. Gespielt wird auf dem Gelände der Organisation "MYSA" (M’AISCHA), das Kürzel bedeutet: "Sportorganisation für die Jugendlichen von Mathare". Alle, die hierher kommen, haben dasselbe Ziel wie Muturi: Sie wollen aus ihrem Leben etwas machen. Alle leben in einem der Slums von Nairobi und haben, genau wie Muturi, viel intellektuelles und kreatives Potential.
In einem der Gebäude auf dem Gelände findet gerade eine Redaktionskonferenz statt. Einige Jugendliche haben die erste Ausgabe eines eigenen Magazins auf dem Markt gebracht. Es heißt "Zoom" und wirkt mit seinen Illustrationen und Fotos ansprechend, lebendig und professionell.
"Ich heiße Irene Esonga und habe für das Magazin einen Artikel geschrieben. Ich habe beim Layout geholfen und mich auch um die Öffentlichkeitsarbeit gekümmert. Dabei ging es nicht zuletzt darum, das Geld für diese erste Ausgabe aufzutreiben."
Irene Isonga, 19 Jahre alt, ist außerdem auf dem Titel des Magazins zu sehen, zusammen mit zwei anderen jungen Frauen.
"Ja, unser Bildungsniveau ist gut. Es gehört zu den Stereotypen, dass die Leute meinen, aus den Slums könne nichts Gutes kommen. Aber Osumba war Architekturstudent, und ich bin studierter Sozialarbeiter. Viele Leute glauben, dass alle Slumbewohner kriminell sind. Aber jeder von uns kann sich entscheiden. Viele junge Menschen haben dieselbe Wahl getroffen wie ich: Ich werde nicht kriminell werden, ich will etwas aus meinem Leben machen."
22 Mädchen jagen einem Ball hinterher.
Auf einem Platz in Sichtweite spielen zwei weitere Mädchenmannschaften. Gespielt wird auf dem Gelände der Organisation "MYSA" (M’AISCHA), das Kürzel bedeutet: "Sportorganisation für die Jugendlichen von Mathare". Alle, die hierher kommen, haben dasselbe Ziel wie Muturi: Sie wollen aus ihrem Leben etwas machen. Alle leben in einem der Slums von Nairobi und haben, genau wie Muturi, viel intellektuelles und kreatives Potential.
In einem der Gebäude auf dem Gelände findet gerade eine Redaktionskonferenz statt. Einige Jugendliche haben die erste Ausgabe eines eigenen Magazins auf dem Markt gebracht. Es heißt "Zoom" und wirkt mit seinen Illustrationen und Fotos ansprechend, lebendig und professionell.
"Ich heiße Irene Esonga und habe für das Magazin einen Artikel geschrieben. Ich habe beim Layout geholfen und mich auch um die Öffentlichkeitsarbeit gekümmert. Dabei ging es nicht zuletzt darum, das Geld für diese erste Ausgabe aufzutreiben."
Irene Isonga, 19 Jahre alt, ist außerdem auf dem Titel des Magazins zu sehen, zusammen mit zwei anderen jungen Frauen.
"Wir wollen eine Botschaft vermitteln"
"Dass wir aufs Cover kommen würden, war nicht von Anfang an klar. Erst dachten wir an Profi-Models. Aber dann haben wir und anders entschieden. Wir wollen eine Botschaft vermitteln – die, dass es in unseren Slums auch Schönheit gibt.
Ich habe zur der Zeit, als das Cover entstand, auch als Model gearbeitet. Für mich war es kein Ding, fotografiert zu werden. Und ich bin stolz darauf, dass wir das gemacht haben."
Auch im Inneren des Magazins wird kein Hehl daraus gemacht, woher die Models, die Autoren und Autorinnen, die Grafiker und Fotografen kommen: aus den Elendsvierteln von Nairobi. Auf den Fotos präsentieren sich alle selbstbewusst und mit offenem Blick.
"Ja, genau das soll unser Magazin vermitteln. Wir erzählen, woher wir kommen und wo wir heute stehen. Wir sind stolz auf unsere Herkunft aus den Slums, denn sie hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind."
Irene hat einen schwierigen Weg hinter sich: ihre Mutter starb, als sie sieben Jahre alt war. Nach dem Tod ihrer Mutter verschwand der Vater. Auch ihre älteren Geschwister gingen eigene Wege. Irene musste sich alleine durchschlagen. Immer versuchte das Mädchen, nicht nur genug Geld für ihr Essen aufzutreiben, sondern auch für die Schule.
Jeder aus der Zoom-Redaktion hat seine eigene, wechselvolle Geschichte. Dass die Jugendlichen das Vertrauen in ihre kreativen Talente entdeckt haben, verdanken sie zu einem guten Teil Projekten rund um MYSA: Dort haben sie fotografieren, filmen, oder zeichnen gelernt.
Für Irene wurde das zur Grundlage ihres heutigen Berufs: Sie bewarb sich bei einer Filmfirma und arbeitet dort nun, mit nur 19 Jahren, als Assistentin des Chefs. Das Wichtigste aber haben sich alle Redaktionsmitglieder von Zoom selbst beigebracht: ihre Selbstachtung zu bewahren und für ein besseres Leben zu kämpfen.
Ich habe zur der Zeit, als das Cover entstand, auch als Model gearbeitet. Für mich war es kein Ding, fotografiert zu werden. Und ich bin stolz darauf, dass wir das gemacht haben."
Auch im Inneren des Magazins wird kein Hehl daraus gemacht, woher die Models, die Autoren und Autorinnen, die Grafiker und Fotografen kommen: aus den Elendsvierteln von Nairobi. Auf den Fotos präsentieren sich alle selbstbewusst und mit offenem Blick.
"Ja, genau das soll unser Magazin vermitteln. Wir erzählen, woher wir kommen und wo wir heute stehen. Wir sind stolz auf unsere Herkunft aus den Slums, denn sie hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind."
Irene hat einen schwierigen Weg hinter sich: ihre Mutter starb, als sie sieben Jahre alt war. Nach dem Tod ihrer Mutter verschwand der Vater. Auch ihre älteren Geschwister gingen eigene Wege. Irene musste sich alleine durchschlagen. Immer versuchte das Mädchen, nicht nur genug Geld für ihr Essen aufzutreiben, sondern auch für die Schule.
Jeder aus der Zoom-Redaktion hat seine eigene, wechselvolle Geschichte. Dass die Jugendlichen das Vertrauen in ihre kreativen Talente entdeckt haben, verdanken sie zu einem guten Teil Projekten rund um MYSA: Dort haben sie fotografieren, filmen, oder zeichnen gelernt.
Für Irene wurde das zur Grundlage ihres heutigen Berufs: Sie bewarb sich bei einer Filmfirma und arbeitet dort nun, mit nur 19 Jahren, als Assistentin des Chefs. Das Wichtigste aber haben sich alle Redaktionsmitglieder von Zoom selbst beigebracht: ihre Selbstachtung zu bewahren und für ein besseres Leben zu kämpfen.