Nicht ohne mein Smartphone!

Daniel Fiene im Gespräch mit Katrin Heise · 29.04.2013
Das soziale Netzwerk schülerVZ macht dicht, weil es die mobile Entwicklung verschlafen hat. Und auch Facebook gilt mittlerweile bei jungen Leuten als uncool. Hoch im Kurs für den Austausch mit Freunden stehen hingegen Smartphone-Anwendungen wie WhatsApp oder WeChat.
Katrin Heise: Es war eine der deutschen Erfolgsgeschichten eines Start-ups, die Internetportale für Jugendliche studiVZ, meinVZ und schülerVZ. Wie sollte man sich anders am Nachmittag auch austauschen, wenn nicht über das entsprechende Netzwerk! Von Millionen Nutzern ab zehn Jahren bei schülerVZ sind jetzt aber nur noch 200.000 Aktive übrig geblieben. Und bei solchen Zahlen, da trägt sich der Aufwand eben nicht, den Betreiber tätigen müssen, um die zugesagte Sicherheit zu bieten.

Einspieler

Die Schüler haben sich also abgewendet von schülerVZ. Morgen wird das Portal schülerVZ dann geschlossen. Ich begrüße jetzt den Web-Journalisten Daniel Fiene, schönen guten Tag!

Daniel Fiene: Guten Tag, Frau Heise!

Heise: Sie haben sich gerade auch in letzter Zeit auf vielen Veranstaltungen umgehört, was Jugendliche so vom Netz erwarten. Warum sind tatsächlich so viele weggegangen von schülerVZ?

Fiene: Wir haben ja auch schon gerade bei den Eindrücken gehört, dass da ein Schüler sagt, er hat sich vor den PC gesetzt. Und das ist auch wirklich eine sehr prägnante Ausnahme, die für viele Jugendliche steht, denn schülerVZ hat eindeutig die mobile Entwicklung verschlafen. Wenn wir uns mal anschauen, wie schülerVZ jetzt zuletzt aussah, dann war das so ein bisschen der Stand von Facebook im Jahr 2008, das waren ja auch die Hochzeiten von schülerVZ, damals gab es fünf Millionen Nutzer, das waren sieben von zehn Schülern in Deutschland. Und auf diesem Stand ist schülerVZ immer stehengeblieben. Facebook hat sich zum Beispiel als Konkurrent weiterentwickelt, hat sehr viel in mobile Anwendungen investiert, und das ist ein Punkt, dem heute junge Menschen wirklich viel Bedeutung beimessen, und den konnte schülerVZ in der vergangenen Zeit nicht erfüllen.

Heise: Weil sich eben keiner mehr vor seinen PC setzt, sondern das Ganze in Smartphone- oder wie auch immer -Format bei sich hat. Also, es sind dann viele, nehme ich an, zu Facebook gegangen. Aber dort verharren sie ja auch nicht, Facebook verliert die Jungen, laut Zahlen jedenfalls der Analyse-Firma Socialbakers. Obwohl Facebook eine Handy-App hat, gewinnen die aber auch mehr Ältere dazu. Wieso ist das da so eine Entwicklung?

Fiene: Also, da sehe ich so ein bisschen zwei Gründe, warum es so eine Jugendlichenflucht bei Facebook in den aktuellen Nutzerzahlen gibt. Das ist, glaube ich, hat einmal so einen Aspekt auch damit zu tun, dass auf einmal dann auch Mutti und Vati zu Facebook kommen und eine Freundschaftsanfrage stellen, dann ist das natürlich erst mal schon wieder ein bisschen per se uncooler, und für viele Jugendliche ist das eher mittlerweile, Facebook, eine Kontaktplattform, um auch mit Erwachsenen in Kontakt zu bleiben.

Und es gibt aber auch noch einen technischen Aspekt. Denn diese Facebook-App, die ist zwar schön und gut, aber es gibt auch Apps, die das besser machen. WhatsApp ist zum Beispiel so eine Gruppen-SMS-App oder -Anwendung fürs Smartphone, die von sehr vielen Jugendlichen sehr exzessiv genutzt wird. Das sehen wir auch in den letzten Monaten, dass das auch schon auf die Erwachsenenwelt übergeschwappt ist.

Und das sind eigentlich so ein paar Gründe, warum die gesagt haben, wir werden hier auf jeden Fall auch noch mal nachbessern. Also, das hat Facebook gesagt, die haben zum Jahreswechsel eine Börsenmitteilung herausgegeben und da heißt es drin, wir glauben, dass manche unserer Nutzer, vor allem jüngere Nutzer, andere Produkte und Dienste, die uns ähneln, kennen, als Ersatz für Facebook aktiv nutzen. Und da hat Facebook jetzt gesagt, da ziehen wir nach, da bessern wir noch mal nach, und haben jetzt vor drei Wochen eine neue Über-App herausgebracht, die heißt Facebook Home. Und damit wollen sie den mobilen Bedürfnissen der Nutzer noch stärker gerecht werden, um auch dann tatsächlich noch einmal auch hier diesen Abwärtstrend bei den Jugendlichen zu stoppen.

Heise: Also, da kann man aber sicherlich nach drei Wochen noch nicht sagen, wie das tatsächlich dann läuft, oder?

Fiene: Ja, das ist tatsächlich noch ein bisschen zu früh. Es gibt einige Berichte, dass die Download-Zahlen nicht wirklich überragend gut sein sollen, aber ich finde sehr viele Nutzerberichte, die begeistert sind, dass jetzt mit Facebook Home nicht mehr die Programme im Vordergrund stehen, dass das nicht mehr so technisch ist, sondern dass mit Facebook Home auf einmal die Freunde im Vordergrund stehen. Das können Sie sich so vorstellen, dass es da so kleine runde Kreise gibt, egal, was Sie gerade auf Ihrem Smartphone machen, sehen Sie immer die Köpfe Ihrer Freunde, mit denen Sie zuletzt gechattet haben. Und das ist ein sehr einfacher Zugang, der kommt dieser jungen Generation wirklich zugute.

Heise: Wenn wir bei dieser jungen Generation noch mal kurz bleiben: Also, die Gruppe der 14- bis 19-Jährigen ist ja für Marktstrategen irgendwie ganz besonders wichtig. Ist übrigens 14 bis 19 überhaupt eine realistische Einschätzung? Facebook ab 14? Ich meine, viele der Angemeldeten sind tatsächlich doch viel jünger und manipulieren da?

Fiene: Das hat rechtliche Gründe, weil Facebook als US-Dienst ist dem US-Bundesgesetz Children’s Online Privacy Protection Act ja verpflichtet. Dieses Gesetz sagt, dass das Speichern persönlicher Daten von Kindern untersagt ist, und die müssen deswegen mindestens 13 Jahre alt werden. Und auch wenn es dann jüngere Teilnehmer auf Facebook gibt, ist das so ein kleiner rechtlicher Kniff, warum sich dann die ganzen Marktstrategen auf 14 bis 19 Jahre kümmern.

Heise: Was ist den jungen Netzwerknutzern wirklich wichtig – unser Thema im Deutschlandradio Kultur. Auskunft gibt Daniel Fiene. Herr Fiene, Mobilität haben Sie eben schon genannt als einen ganz besonders wichtigen Faktor für junge Netzwerknutzer. Und es ist auch wichtig, unter sich zu sein, also ihre eigenen kleinen, ungestörten Zirkel zu haben, Sie haben die Freundschaftsanfragen von Mama und Papa erwähnt, die will man natürlich auf gar keinen Fall haben. Wo gibt es denn tatsächlich diese Exklusivität, die Ungestörtheit für Jugendliche im Netz noch? Sie sagen ja, bei WhatsApp kommen die Erwachsenen auch schon wieder dazu!

Fiene: Es gibt da tatsächlich so ein paar Apps, die da sehr getrennt sind aktuell. Da gibt es zum Beispiel auch eine WhatsApp-Konkurrenz, die heißt WeChat, die kommt aus China und da kann ich auch so was wie SMS miteinander verschicken, das ist gerade sehr im Trend. Und da kann man dann nicht nur Text schicken, sondern auch Bilder, Videos und so weiter. Eine andere Geschichte aus den USA ist auch gerade sehr beliebt, die heißt Snapchat und das Besondere ist hier, dass, wenn ich Ihnen ein Foto schicke, kann sich das nach ein paar Minuten oder nach ein paar Stunden selbst zerstören. Und das ist auch ein Gedanke, der viele Jugendliche fasziniert, und das ist gerade ein regelrechter Hype in einigen Bereichen.

Heise: Aus welchem Grund? Aus dem Grund, dass man die Fotos eben dann doch nicht für Ewigkeiten im Netz haben will?

Fiene: Auf jeden Fall. Denn das ist natürlich auch schon so, dass mittlerweile viele junge Menschen schlechte Erfahrungen damit gemacht haben, dass mal eben ein harmloses Handy-Foto dann für Ewigkeiten auf irgendwelchen Pinnwänden in sozialen Netzwerken hängen bleibt. Und da versuchen sich die Jugendlichen auf jeden Fall mit zu arrangieren. Und Snapchat springt genau in diese Lücke rein und sagt, wenn ihr hierüber Fotos teilt, zerstören die sich dann selbst. Und viele sind gespannt, ob auch andere Dienste etwas Ähnliches anbieten werden, wenn das jetzt erfolgreich ist.

Heise: Ein ähnlich wichtiges Thema für Jugendliche ist ja die Information zu einem Ort zu erhalten, an dem sie sich gerade befinden. Also, das scheint Jugendlichen ja ganz besonders wichtig zu sein. Beispielsweise, sie gehen auf irgendeine Party und wollen dann informiert werden, wie ist diese Party eigentlich, von Leuten, die da auch sind. Gibt es so was, also diese Art der Vernetzung?

Fiene: Also, da gibt es zum Beispiel das soziale Netzwerk Foursquare, das gibt es auch primär, ursprünglich als mobile App. Also erst war die Smartphone-Applikation da und dann kam später die Webseite, die man dann nutzen kann. Und das springt genau in diese Lücke rein und das macht so ein bisschen die Unübersichtlichkeit der Welt einfacher. Das sortiert die Unübersichtlichkeit für die jungen Menschen. Das heißt, da werden Fragen beantwortet wie "Wo sind gerade meine Freunde?", "Was passiert in diesem Moment herum?", "In welches Café kann ich heute Nachmittag am besten gehen?" oder "Welche Bar ist heute Abend angesagt?". Und viele Anwendungen versuchen, genau das zu beantworten. Das sehen wir auch bei Facebook, wenn man sich anguckt, welche neuen Funktionen sie in den vergangenen Monaten ergänzt haben, dann hatte das auch sehr viel mit Echtzeitfunktion oder auch mit Funktionen zu tun, die an bestimmte Orte gebunden waren.

Heise: Das bedeutet aber, dass mein elektronisches Medium ja ganz viel von mir sammeln muss und vernetzen muss, also beispielsweise vom GPS bis zu meinen gelesenen Postings, alles wird in Zusammenhang gebracht. Das heißt, da scheint bei mir dann wieder das Stichwort Datenschutz auf. Sie haben vorhin gesagt, Jugendliche sind schon mal um ihre Fotos besorgt. Wie sehr haben sie auch tatsächlich Bedenken, was Datenschutz angeht?

Fiene: Also, die Jugendlichen machen sich schon ihre Gedanken. Aber wenn es darum geht, wenn ein Dienst wirklich die Grundbedürfnisse befriedigt, also ganz einfach mit meinen Freunden zu kommunizieren, wissen, was um mich herum passiert, dann gerät dieser Datenschutzaspekt eindeutig in den Hintergrund. Das zeigen auch die Nutzerzahlen. Das heißt, eine gewisse Sensibilität ist da, aber am Ende ist da der praktische Nutzen den jungen Menschen doch viel wichtiger. Entsprechend werden diese Dienste genutzt und auch ausprobiert vor allen Dingen.

Heise: Vielen Dank! Daniel Fiene, Web-Journalist. Morgen ist der letzte Tag von schülerVZ, über die Gründe des Scheiterns und das, was Jugendliche sich tatsächlich erwarten von ihren sozialen Netzwerken, sprach ich mit ihm. Vielen Dank, Herr Fiene!

Fiene: Danke, Frau Heise!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.