"Nicht so angepasst wie alle anderen"
Zusammen schufen sie einst das legendäre "Millionenspiel", jetzt blickt der Produzent Günter Rohrbach zurück auf seinen langjährigen Weggefährten Wolfgang Menge. Im Interview erklärt er, was den Reiz seiner Drehbücher ausmachte - und was Menge mit der Kultfigur "Ekel Alfred" gemeinsam hatte.
Joachim Scholl: Alter spielte überhaupt keine Rolle, es sei denn, man sei ein Käse – das war einer seiner markanten Sprüche, und tatsächlich hat er bis ins hohe Alter gearbeitet und geschrieben, der Autor Wolfgang Menge. Jetzt ist er gestorben, mit 88 Jahren in Berlin, und wir wollen seine Leistung, seine vielen erfolgreichen Fernseharbeiten resümieren, aber auch an sein Wesen, sein schnodderiges Naturell erinnern, mit dem Wolfgang Menge auch eine Marke wurde in der deutschen Fernsehlandschaft. Und eine ebensolche Persönlichkeit, das ist Günter Rohrbach, der frühere Präsident der Deutschen Film-Academy, und Produzent von vielen Filmen nach Drehbüchern von Wolfgang Menge. Guten Tag, Herr Rohrbach!
Günter Rohrbach: Guten Tag!
Scholl: Sie gehören zur selben Generation, Wolfgang Menge geboren 1924, Sie 1928, wie lange haben Sie sich gekannt?
Rohrbach: Seit 1965. Ich war damals gerade Fernsehspielchef des Westdeutschen Rundfunks geworden, und zu meinen ersten Gesprächen mit Autoren gehörte eines mit dem damals noch behaarten, also kopfbehaarten Wolfgang Menge, und es war von Anfang an eine große Sympathie, ein großes Verständnis miteinander, und eine große Freude, dann auch über all die Jahre miteinander zu arbeiten.
Scholl: Das mit den Haaren, da denke ich gerade drüber nach, weil die Zuschauer meiner Generation, also die 50-Jährigen, kennen ihn natürlich nur mit seiner Glatze, seiner Platte.
Rohrbach: Ja, ja, genau, aber so ist er nicht auf die Welt gekommen.
Scholl: Wie war es denn, mit ihm zu arbeiten, Herr Rohrbach?
Rohrbach: Ja, eigentlich war das ein großes Vergnügen. Ich meine, er war, das haben Sie ja eben schon ein bisschen angesprochen, er war ein kauziger Mensch, er pflegte auch gewisse Marotten, beispielsweise sein Geiz, von dem ich nie genau wusste, ist er nun wirklich geizig oder tut er nur so. Er kam auch zu uns ins Büro und hat gleich alles mögliche an Büromaterial eingesammelt, das er mitgenommen hat. Auch das war eher – also ich glaube nicht, dass es ihm da unbedingt darum ging, die paar Mark zu sparen, sondern auch das war eher so ein Vergnügen, mit dem er auch seinen Charakter etwas ausstellte als nicht so angepasst, wie alle anderen.
Scholl: Wie würden Sie denn seinen Stil als Autor, auch so seine Filmhandschrift beschreiben? Sie kennen ja vermutlich alle seine Arbeiten seit den 60er-Jahren.
Rohrbach: Er war ja nun von Hause aus Journalist, und das hat auch seine ganze Arbeit geprägt: der Journalismus. Er war jemand, der gewohnt war zu Recherchieren, der sich für Zeitthemen interessierte, der diese Zeitthemen auch mit einer gewissen Aktualität aufzugreifen versuchte, und dann hatte er eben auch die Begabung, das, wenn man so will, poetisch oder künstlerisch zu verarbeiten, also das was über den reinen Journalismus hinausging, war das, was er noch hinzufügte und was den besonderen Reiz seiner Drehbücher ausmachte, die ja meistens auch sehr witzig waren. Er konnte sehr prägnante Dialoge schreiben, er war auch im normalen Leben immer eher etwas spöttisch, er hatte diese angelsächsische Attitüde, damit schmückte er sich auch ein bisschen. Er las angelsächsische, amerikanische Zeitungen, er trug amerikanische Hemden – er hatte so eine große Neigung, sich anders zu geben, als wir biederen Deutschen uns so ausgestellt haben.
Scholl: Eine Fernsehlegende ist inzwischen der Film "Das Millionenspiel" – 1970 kam das ins Fernsehen. Visionär in seiner düsteren Prophetie der medialen Zukunft. Sie haben den Film damals produziert, Herr Rohrbach. War das Ihnen und allen Beteiligten damals klar, auch Herrn Menge, dass hier so etwas ganz Epochales geschah?
Rohrbach: Nein, nein, es war uns nicht klar, es war uns auch vor allen Dingen nicht klar, dass die Menschen zu Hause an ihren Fernsehern zu einem großen Teil die Sache ernst genommen haben. Also das war ja die Simulation eines Spiels, einer Fernsehunterhaltungssendung, bei der ein Mensch so lange verfolgt wurde, bis er entweder sein Leben gerettet hat oder wenn er das nicht geschafft hatte, 24 Stunden diesen Verfolgern zu entkommen, dann auch mit dem Tode bestraft wird. Es gab dann eine große Belohnung, aber es gab auch die Möglichkeit des Todes. Und wir haben keine Sekunde gedacht, dass die Menschen das möglicherweise ernst nehmen würden. Aber wir hatten als Moderator Dieter Thomas Heck, also einen damals schon bekannten deutschen Fernsehmoderator, und es gab dann massenhaft Anrufe beim Sender ...
Scholl: ... von Leuten, die mitmachen wollten.
Rohrbach: ... auch von Leuten tatsächlich, die sich angemeldet haben. So schrecklich diese Vorstellung sein mag.
Scholl: Zum Tod von Wolfgang Menge – Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Filmproduzenten Günter Rohrbach. Herr Rohrbach, auf ewig für die meisten Zuschauer, glaube ich auch, wird der Name Wolfgang Menge mit dem Ekel Alfred verknüpft bleiben. "Ein Herz und eine Seele" hieß die Serie, von 1973 bis 1976 lief sie. Das war ja bitterböser Humor auf eine Weise, eine Mentalitätsgeschichte des westdeutschen Spießers, muss man sagen, durchaus auch umstritten und kontrovers diskutiert, wenngleich beim Publikum hochbeliebt. Auch da waren Sie federführend als Produzent, Herr Rohrbach. Wie erinnern Sie sich denn an diese Serie, diese Arbeit mit Menge, die ja dann auch wirklich so sensationell erfolgreich war?
Rohrbach: Ja, das war ja so, dass wir das live produziert haben, das heißt also, live gesendet. Und ...
Scholl: Also wie ein Theaterstück sozusagen, nicht aufgezeichnet?
Rohrbach: Nein, es wurde nicht aufgezeichnet. Es wurde natürlich auch aufgezeichnet für die Zukunft, sonst könnte man es ja heute nicht mehr sehen, aber es wurde live gesendet, es wurde geprobt wie Theater, und wurde dann mit Publikum live ausgestrahlt, und es wurde bis zum letzten Augenblick der Producer, der unmittelbare Producer – das war ja Peter Märthesheimer, der auch an den Drehbüchern immer ein bisschen mitgeschrieben hat –, und es wurde bis zum letzten Augenblick, es war ja immer Montags – also Menge ist am Wochenende angereist, man saß sonntags noch zusammen, hat noch überlegt, was können wir noch einbauen, was ist aktuell, und wurden dann Dinge bis zum letzten Augenblick dann auch hineingenommen, die im Augenblick interessant waren und vielleicht wichtig waren. Aber das Interessante ist irgendwie, dass er – Sie sagten eben, eines Spießers, aber es war ja eine Sophistication, diese Figur, die war ja nicht nur spießig, die sprach ja vieles aus, was ...
Scholl: Ja, sie war auch so anarchisch auf eine Weise…
Rohrbach: Ja, genau, und es war auch – obwohl das etwas merkwürdig klingt – in gewisser Weise ein Selbstporträt von Wolfgang Menge. Vieles von dem, was Alfred so sagte, das hat er auch gesagt. Er hat es nicht immer ernst gemeint, aber es war auch immer eine gewisse Brechung darin, wo man ihn wiederentdeckte und wiedererkannte. Deswegen war er auch so unglücklich mit Schubert, er hätte die Rolle am liebsten selber gespielt.
Scholl: Ach, er war unglücklich mit dem Schubert, ja?
Rohrbach: Er war absolut unglücklich mit Schubert, was überhaupt nicht zu verstehen war, der ...
Scholl: Der war doch klasse, ja.
Rohrbach: ... der Schubert war brillant, und es hat ihn – je beliebter Schubert wurde, desto wütender war er eigentlich auf ihn.
Scholl: Interessant war ja dann auch, dass Wolfgang Menge ja sozusagen auch zum deutsch-deutschen Autor wurde mit dem Motzki, dem ostdeutschen Pendant zu Alfred Tetzlaff nach der Wiedervereinigung. Ja, das war, kann man sagen, Wolfgang Menges Beitrag zur Einheit.
Rohrbach: Ja, es gab aber noch einen anderen Beitrag, das ist vielleicht heute vergessen worden, ein Fernsehspiel, das hieß "Die Dubrow-Krise". Das haben wir – ich kann das Datum nicht mehr genau sagen, aber ich denke, es war noch vor "Millionenspiel", aber ich bin nicht ganz sicher – produziert, und zwar war das, um es ganz kurz zu sagen, eine Geschichte, dass ein kleines Dorf, das an der Zonengrenze in der DDR lag, durch einen Irrtum der DDR-Behörden, die die Zonengrenze neu markiert haben und den Zaun neu verlegt haben, plötzlich morgens wachten die Leute auf und sie waren im Westen. Und da gab es natürlich eine große Aufregung, die DDR hat sich aufgeregt, weil sie natürlich das eigentlich nicht wollte, die Leute waren irgendwie ganz begeistert, dass sie plötzlich im Westen waren, der Westen hat sich auch natürlich drauf gestürzt, die Medien haben sich drauf gestürzt und so weiter. Das war damals sehr witzig, und eine Vorwegnahme, wenn Sie so wollen, des Mauerfalls.
Scholl: Das war 1969, ich habe es gerade noch mal nachgeschlagen, ja, ein Jahr vor dem "Millionenspiel". Herr Rohrbach, wenn in der Geschichte des Deutschen Fernsehens das Kapitel über Wolfgang Menge geschrieben wird, wie würden Sie, Herr Rohrbach, sein Kapitel überschreiben?
Rohrbach: Ja, der Zeitgeschichtler, der Zeitautor, würde ich vielleicht sagen. Also er war ja damals tatsächlich eine singuläre Figur. Es gab damals auch noch nicht so viele Fernsehspiele wie heute, es gab auch noch nicht so viele Autoren, die diese schreiben konnten, insofern ragte er heraus, er war ja auch als Autor bekannt, was es ja selten gibt, wenn Sie sich mal ansehen, ...
Scholl: Drehbuchautoren sind wenig berühmt.
Rohrbach: ... sie sind ja nicht bekannt, die Filme werden meistens mit den Regisseuren identifiziert – bei Ihm war es noch der Autor. Es hieß: "Das Millionenspiel" von Wolfgang Menge, Regie Tom Toelle. Der Autor stand da noch im Vordergrund. Das kam auch irgendwie noch so ein bisschen vielleicht vom Theater her, vielleicht auch vom Hörspiel her, das hat sich ja dann später verändert.
Scholl: In Memoriam Wolfgang Menge. Der Drehbuchautor ist im Alter von 88 Jahren gestorben, und gewürdigt hat ihn sein Produzent und langjähriger Weggefährte Günter Rohrbach. Ich danke Ihnen!
Rohrbach: Vielen Dank Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Günter Rohrbach: Guten Tag!
Scholl: Sie gehören zur selben Generation, Wolfgang Menge geboren 1924, Sie 1928, wie lange haben Sie sich gekannt?
Rohrbach: Seit 1965. Ich war damals gerade Fernsehspielchef des Westdeutschen Rundfunks geworden, und zu meinen ersten Gesprächen mit Autoren gehörte eines mit dem damals noch behaarten, also kopfbehaarten Wolfgang Menge, und es war von Anfang an eine große Sympathie, ein großes Verständnis miteinander, und eine große Freude, dann auch über all die Jahre miteinander zu arbeiten.
Scholl: Das mit den Haaren, da denke ich gerade drüber nach, weil die Zuschauer meiner Generation, also die 50-Jährigen, kennen ihn natürlich nur mit seiner Glatze, seiner Platte.
Rohrbach: Ja, ja, genau, aber so ist er nicht auf die Welt gekommen.
Scholl: Wie war es denn, mit ihm zu arbeiten, Herr Rohrbach?
Rohrbach: Ja, eigentlich war das ein großes Vergnügen. Ich meine, er war, das haben Sie ja eben schon ein bisschen angesprochen, er war ein kauziger Mensch, er pflegte auch gewisse Marotten, beispielsweise sein Geiz, von dem ich nie genau wusste, ist er nun wirklich geizig oder tut er nur so. Er kam auch zu uns ins Büro und hat gleich alles mögliche an Büromaterial eingesammelt, das er mitgenommen hat. Auch das war eher – also ich glaube nicht, dass es ihm da unbedingt darum ging, die paar Mark zu sparen, sondern auch das war eher so ein Vergnügen, mit dem er auch seinen Charakter etwas ausstellte als nicht so angepasst, wie alle anderen.
Scholl: Wie würden Sie denn seinen Stil als Autor, auch so seine Filmhandschrift beschreiben? Sie kennen ja vermutlich alle seine Arbeiten seit den 60er-Jahren.
Rohrbach: Er war ja nun von Hause aus Journalist, und das hat auch seine ganze Arbeit geprägt: der Journalismus. Er war jemand, der gewohnt war zu Recherchieren, der sich für Zeitthemen interessierte, der diese Zeitthemen auch mit einer gewissen Aktualität aufzugreifen versuchte, und dann hatte er eben auch die Begabung, das, wenn man so will, poetisch oder künstlerisch zu verarbeiten, also das was über den reinen Journalismus hinausging, war das, was er noch hinzufügte und was den besonderen Reiz seiner Drehbücher ausmachte, die ja meistens auch sehr witzig waren. Er konnte sehr prägnante Dialoge schreiben, er war auch im normalen Leben immer eher etwas spöttisch, er hatte diese angelsächsische Attitüde, damit schmückte er sich auch ein bisschen. Er las angelsächsische, amerikanische Zeitungen, er trug amerikanische Hemden – er hatte so eine große Neigung, sich anders zu geben, als wir biederen Deutschen uns so ausgestellt haben.
Scholl: Eine Fernsehlegende ist inzwischen der Film "Das Millionenspiel" – 1970 kam das ins Fernsehen. Visionär in seiner düsteren Prophetie der medialen Zukunft. Sie haben den Film damals produziert, Herr Rohrbach. War das Ihnen und allen Beteiligten damals klar, auch Herrn Menge, dass hier so etwas ganz Epochales geschah?
Rohrbach: Nein, nein, es war uns nicht klar, es war uns auch vor allen Dingen nicht klar, dass die Menschen zu Hause an ihren Fernsehern zu einem großen Teil die Sache ernst genommen haben. Also das war ja die Simulation eines Spiels, einer Fernsehunterhaltungssendung, bei der ein Mensch so lange verfolgt wurde, bis er entweder sein Leben gerettet hat oder wenn er das nicht geschafft hatte, 24 Stunden diesen Verfolgern zu entkommen, dann auch mit dem Tode bestraft wird. Es gab dann eine große Belohnung, aber es gab auch die Möglichkeit des Todes. Und wir haben keine Sekunde gedacht, dass die Menschen das möglicherweise ernst nehmen würden. Aber wir hatten als Moderator Dieter Thomas Heck, also einen damals schon bekannten deutschen Fernsehmoderator, und es gab dann massenhaft Anrufe beim Sender ...
Scholl: ... von Leuten, die mitmachen wollten.
Rohrbach: ... auch von Leuten tatsächlich, die sich angemeldet haben. So schrecklich diese Vorstellung sein mag.
Scholl: Zum Tod von Wolfgang Menge – Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Filmproduzenten Günter Rohrbach. Herr Rohrbach, auf ewig für die meisten Zuschauer, glaube ich auch, wird der Name Wolfgang Menge mit dem Ekel Alfred verknüpft bleiben. "Ein Herz und eine Seele" hieß die Serie, von 1973 bis 1976 lief sie. Das war ja bitterböser Humor auf eine Weise, eine Mentalitätsgeschichte des westdeutschen Spießers, muss man sagen, durchaus auch umstritten und kontrovers diskutiert, wenngleich beim Publikum hochbeliebt. Auch da waren Sie federführend als Produzent, Herr Rohrbach. Wie erinnern Sie sich denn an diese Serie, diese Arbeit mit Menge, die ja dann auch wirklich so sensationell erfolgreich war?
Rohrbach: Ja, das war ja so, dass wir das live produziert haben, das heißt also, live gesendet. Und ...
Scholl: Also wie ein Theaterstück sozusagen, nicht aufgezeichnet?
Rohrbach: Nein, es wurde nicht aufgezeichnet. Es wurde natürlich auch aufgezeichnet für die Zukunft, sonst könnte man es ja heute nicht mehr sehen, aber es wurde live gesendet, es wurde geprobt wie Theater, und wurde dann mit Publikum live ausgestrahlt, und es wurde bis zum letzten Augenblick der Producer, der unmittelbare Producer – das war ja Peter Märthesheimer, der auch an den Drehbüchern immer ein bisschen mitgeschrieben hat –, und es wurde bis zum letzten Augenblick, es war ja immer Montags – also Menge ist am Wochenende angereist, man saß sonntags noch zusammen, hat noch überlegt, was können wir noch einbauen, was ist aktuell, und wurden dann Dinge bis zum letzten Augenblick dann auch hineingenommen, die im Augenblick interessant waren und vielleicht wichtig waren. Aber das Interessante ist irgendwie, dass er – Sie sagten eben, eines Spießers, aber es war ja eine Sophistication, diese Figur, die war ja nicht nur spießig, die sprach ja vieles aus, was ...
Scholl: Ja, sie war auch so anarchisch auf eine Weise…
Rohrbach: Ja, genau, und es war auch – obwohl das etwas merkwürdig klingt – in gewisser Weise ein Selbstporträt von Wolfgang Menge. Vieles von dem, was Alfred so sagte, das hat er auch gesagt. Er hat es nicht immer ernst gemeint, aber es war auch immer eine gewisse Brechung darin, wo man ihn wiederentdeckte und wiedererkannte. Deswegen war er auch so unglücklich mit Schubert, er hätte die Rolle am liebsten selber gespielt.
Scholl: Ach, er war unglücklich mit dem Schubert, ja?
Rohrbach: Er war absolut unglücklich mit Schubert, was überhaupt nicht zu verstehen war, der ...
Scholl: Der war doch klasse, ja.
Rohrbach: ... der Schubert war brillant, und es hat ihn – je beliebter Schubert wurde, desto wütender war er eigentlich auf ihn.
Scholl: Interessant war ja dann auch, dass Wolfgang Menge ja sozusagen auch zum deutsch-deutschen Autor wurde mit dem Motzki, dem ostdeutschen Pendant zu Alfred Tetzlaff nach der Wiedervereinigung. Ja, das war, kann man sagen, Wolfgang Menges Beitrag zur Einheit.
Rohrbach: Ja, es gab aber noch einen anderen Beitrag, das ist vielleicht heute vergessen worden, ein Fernsehspiel, das hieß "Die Dubrow-Krise". Das haben wir – ich kann das Datum nicht mehr genau sagen, aber ich denke, es war noch vor "Millionenspiel", aber ich bin nicht ganz sicher – produziert, und zwar war das, um es ganz kurz zu sagen, eine Geschichte, dass ein kleines Dorf, das an der Zonengrenze in der DDR lag, durch einen Irrtum der DDR-Behörden, die die Zonengrenze neu markiert haben und den Zaun neu verlegt haben, plötzlich morgens wachten die Leute auf und sie waren im Westen. Und da gab es natürlich eine große Aufregung, die DDR hat sich aufgeregt, weil sie natürlich das eigentlich nicht wollte, die Leute waren irgendwie ganz begeistert, dass sie plötzlich im Westen waren, der Westen hat sich auch natürlich drauf gestürzt, die Medien haben sich drauf gestürzt und so weiter. Das war damals sehr witzig, und eine Vorwegnahme, wenn Sie so wollen, des Mauerfalls.
Scholl: Das war 1969, ich habe es gerade noch mal nachgeschlagen, ja, ein Jahr vor dem "Millionenspiel". Herr Rohrbach, wenn in der Geschichte des Deutschen Fernsehens das Kapitel über Wolfgang Menge geschrieben wird, wie würden Sie, Herr Rohrbach, sein Kapitel überschreiben?
Rohrbach: Ja, der Zeitgeschichtler, der Zeitautor, würde ich vielleicht sagen. Also er war ja damals tatsächlich eine singuläre Figur. Es gab damals auch noch nicht so viele Fernsehspiele wie heute, es gab auch noch nicht so viele Autoren, die diese schreiben konnten, insofern ragte er heraus, er war ja auch als Autor bekannt, was es ja selten gibt, wenn Sie sich mal ansehen, ...
Scholl: Drehbuchautoren sind wenig berühmt.
Rohrbach: ... sie sind ja nicht bekannt, die Filme werden meistens mit den Regisseuren identifiziert – bei Ihm war es noch der Autor. Es hieß: "Das Millionenspiel" von Wolfgang Menge, Regie Tom Toelle. Der Autor stand da noch im Vordergrund. Das kam auch irgendwie noch so ein bisschen vielleicht vom Theater her, vielleicht auch vom Hörspiel her, das hat sich ja dann später verändert.
Scholl: In Memoriam Wolfgang Menge. Der Drehbuchautor ist im Alter von 88 Jahren gestorben, und gewürdigt hat ihn sein Produzent und langjähriger Weggefährte Günter Rohrbach. Ich danke Ihnen!
Rohrbach: Vielen Dank Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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