Nick Drake

Der tote Songwriter als Renditeobjekt

Eine Schallplatte wird in einem Musikfachgeschäft in Hannover (Niedersachsen) auf einem Plattenspieler abgespielt.
Original-Vinyl von wiederentdeckten Künstlern erreicht Höchstpreise © picture alliance / dpa / Foto: Christoph Schmidt/dpa
Von Ralf bei der Kellen |
Vor 40 Jahren starb der Singer-Songwriter Nick Drake mit gerade 26 Jahren an einer Überdosis Antidepressiva. Zu Lebzeiten relativ erfolglos, galt er unter Musikern und Musik-Nerds jahrelang als Geheimtipp und Ikone, bis ihn die Werbung entdeckte und postum zum Plattenerfolg verhalf.
Heinrich Böhme (Plattenladenbetreiber): "Wenn man sich jetzt irgendwie als 20-jähriger Musikinteressierter irgendwie informiert, was gab's denn so, dann ist das da jetzt so in dem Bereich einer der ersten Namen, die fallen. Und mittlerweile ist der bekannt wie Leonard Cohen oder Bob Dylan oder was auch immer."
Ein Fernsehspot aus dem Jahre 2000: Vier junge Menschen in einem VW-Cabriolet auf dem Weg zur Party. Aber statt die laute Massenveranstaltung zu besuchen, beschließen die introvertierten gutaussehenden Leute, lieber den Mond zu betrachten. Dazu läuft ein Lied des britischen Songwriters Nick Drake.
Richard Thompson: "Als ich das zum ersten Mal sah, wäre ich fast von der Couch gefallen! Das war ein ganz schöner Schock für mich. Seitdem wird er in Amerika oft von den Soft Rock- und Easy Listening-Sendern gespielt. Ich falle dann jedes Mal aus allen Wolken."
- Sagt Richard Thompson, der die die Lebens- und Leidensgeschichte des talentierten Freundes und Kollegen Drake im Studio und auf der Bühne hautnah miterlebt hat.
Früher Tod eines sensiblen Künstlers
Die Kurzfassung: Mit 20 Jahren bekommt Nick Drake einen Plattenvertrag. Er nimmt drei erfolgslose Alben auf, vom letzten – eben "Pink Moon" – werden zu seinen Lebzeiten nicht einmal 3000 Einheiten verkauft. Drake, schon immer schüchtern und introvertiert, bekommt zusehends psychische Probleme, raucht Unmengen Marihuana, kommt in psychiatrische Behandlung, zieht zu seinen Eltern zurück.
Am Mittag des 25. November 1974 findet ihn seine Mutter tot im Bett – verstorben an einer Überdosis des verschriebenen Antidepressivums. Ob Suizid oder Unfall bleibt für immer offen.
Als Entdecker und Produzent Joe Boyd nach Drakes Tod sein Label "Witchseason" an Island Records verkauft, besteht er darauf, dass man dort die Alben Nick Drakes verfügbar hält. Und: Boyd spielt vielen Musikern, mit denen er zusammenarbeitet – wie zum Beispiel REM – Drakes Musik vor. In den 80ern wird der Name Nick Drake zum obligatorischen Namedropping unter Insidern. Und bald auch zum Muss im Schrank von Musikauskennern.
Heinrich Böhme: "Also Nick Drake wird von relativ jungen Sammlern gekauft ... also, damit meine ich unter 50, das ist ein junger Sammler (lacht leise) also ... das ist eben auch ein Statussymbol, Nick Drake-Platten zuhause im Regal - schon schön ... "
Der Name Nick Drake bringt Geld ein
Heinrich Böhme ist Inhaber des Berliner Plattenladens "Galactic Supermarket", eine der ersten Adressen, wenn es um rare Schallplatten geht. Er zeigt ein leicht abgegriffenes Original der ersten LP von 1968. Darauf ein Preisaufkleber: 950 Euro. In besserem Zustand würde die LP auch schon mal 1.500 bringen, sagt er. Nick Drake liegt noch immer im Trend.
"Zur Zeit wird einfach alles gekauft, wo der Name draufsteht, also – wenn die damit Geld verdienen können, warum sollen sie's dann nicht machen?"
Gabrielle Drake: "Es gibt nur wenige Dinge, die man mit Bestimmtheit über Nick sagen kann. Aber eins weiß ich ganz sicher: Er wollte, dass seine Musik gehört wird. Ich glaube nicht, dass er unzufrieden mit der Volkswagen-Werbung gewesen wäre."
Nick Drakes Schwester Gabrielle, Alleinerbin der Rechte an den Songs ihres Bruders. Nach dem TV-Spot stieg das Album in den Amazon-USA-Verkaufscharts auf Rang 2. Diese postume Erfolgsgeschichte ruft auch die Industrie auf den Plan. Rolling Stone-Redakteur Maik Brüggemeyer:
"Da hat man gemerkt, man kann quasi aus der Vergangenheit noch Leute entdecken, die schon vollkommen entwickelt sind, die ihre Platten schon aufgenommen haben und kann damit noch Geld machen in einem viel größeren Maße, als man das vorher dachte."
Ausgrabungen "unterbewerteter" Künstler
Sammler und Industrie überbieten sich im Ausgraben ständig neuer, "unterbewerteter" Künstler: Tim Hardin, Judy Sill und andere sind plötzlich en vogue. Das Ganze gipfelt in der der Wiederentdeckung des totgeglaubten Songwriters Rodriguez und dem Dokumentarfilm "Sugarman".
Im Dezember 2013 erschien die "Tuck Box", eine Kopie von Nick Drakes Butterbrotdose, die er als Student besaß. Zum diesjährigen Weihnachtsgeschäft erwartet den Fan ein Buch, das in einer 1000er-Auflage mit fünf bisher unveröffentlichten Versionen bereits bekannter Songs und drei neu entdeckten Fotografien aufwartet. Der Preis: 150 britische Pfund.
Maik Brüggemeyer: "Die Romantik, die Tragik, die Stimme, die dazu passt, die Texte, die dazu passen, das ist natürlich quasi wie ausgedacht. Also, man könnte fast glauben, jemand von heute hätte sich ausgedacht, wie so ein Songwriter, so ein vergessener Songwriter zu sein hat. Und dann würde man wahrscheinlich auf Nick Drake kommen. Der ist das Idealbild des vergessenen und wie man dann sagt unterschätzten Songwriters."