Nick Hornby: "Just like you"
Aus dem Englischen von Stephan Kleiner
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020, 384 Seiten, 22 Euro
Literarischer Pop mit ein bisschen Politik
06:32 Minuten
Joseph und Lucy begegnen sich an einer Fleischtheke im Norden Londons und von da nimmt der Roman in Hornbyscher Manier seinen Lauf: Viel Brexit, Alltagsrassismus, geplatzte Lebensträume - eine rührende Geschichte mit wenig Tiefgang - wie ein guter Popsong.
Der Running Gag in Nick Hornbys neuem Roman "Just like you" ist das institutionalisierte Missverständnis, der ständig wiederkehrende Satz: "Das war ein Witz". Da wird die typisch britische (und typisch Hornbysche) ironische Brechung der Wahrnehmung der Welt ihrerseits ironisch gebrochen, um der Sache Willen: Minus mal Minus ergibt bekanntlich Plus.
Der Hilfsverkäufer und die Lehrerin
Es beginnt mit einer Fleischbeschau: "Vielleicht redete die laute Blonde, wenn sie von Schweinelenden sprach, tatsächlich über ein Stück Fleisch." Eine Metzgerei im Norden Londons als Brennglas, als alltägliche Jedermann-Bühne, auf der sich alle geben, wie sie wirklich sind, auch der athletische 22-jährige Hilfsverkäufer ("der unter den drei schwarzen Gesichtern in deiner mentalen Datenbank wohl am ehesten dem jungen Denzel Washington ähnelt") und die 42-Jährige, noch nicht ganz geschiedene weiße Lehrerin (Fachbereichsleitung Englisch) in der Schlange. Da die Begegnung an der Fleischtheke für eine Anbahnung über eine derart weite Strecke (einmal quer durch die englische Gesellschaft) nicht ausreicht, wird Joseph auch noch Babysitter von Lucys Söhnen. Und (auch) die lieben ihn. Und jetzt?
Der Brexit als beherrschendes Thema
Schon ist das Feld abgesteckt, in dem Hornby die englische Gesellschaft des Jahres 2016 einer Vivisektion unterzieht. Es ist das Jahr des Brexit-Referendums. Und so ist der Brexit naturgemäß beherrschendes Thema. ("Wie hätte Shakespeare abgestimmt?") Aber für einen wie Joseph spielen immer auch racial profiling, Alltagsrassismus selbst bei den Liebsten, die eigenen Lebensträume (Auflegen in einem großen Club) und überhaupt die Suche nach einem Ort in einer zerrissenen Gesellschaft eine Rolle, während eine wie Lucy sich damit abfinden muss, dass in der ersten Hälfte nicht alles ideal gelaufen ist und dass die zweite Hälfte jetzt irgendwie anfängt, auch wenn die Jeans noch verdammt gut sitzt.
Hornby als Meister des treffenden Dialogs
Melissa Harrison hat einmal gesagt, Romane seien für die Gesellschaft, was Träume für Individuen sind:"Postkarten des Unbewussten" und "Ahnungen davon, wer wir sind und was wir über uns selbst denken". Ihr Kollege Nick Hornby ist da in seinen Versuchsanordnungen als Romancier robuster: Hier weiß die Leserin, woran sie ist, und der Leser weiß es auch. Hornby macht literarischen Pop: inhaltlich – zu den Leitmotiven seines Romanwerks (darunter High Fidelity, About a Boy, zuletzt Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst) gehören Sichverlieben (oder auch nicht), Jungsein (oder auch nicht) und Musik (die auf jeden Fall), aber auch stilistisch: pointiert, schnell, witzig.
Hornby ist ein Meister des treffenden Dialogs. Um diese Stärke wissend, geben sich seine Romane bisweilen fast schon wie die Drehbücher, zu denen sie oft werden. Diese Geschichten taugen so gut als Film, weil die entworfenen Bilder zusammen mit den pointierten Unterhaltungen die Substanz der Gefühle und der gesellschaftlichen Analysen nicht nur andeuten, sondern enthalten. Das bleibt zwangsläufig an einer gewissen Oberfläche, ist aber, wenn es gut gemacht ist, schlagend, dabei witzig, mitreißend, rührend und im Kern doch ernst und wahr. Wie die Geschichte von Lucy und Joseph – und wie ein guter Popsong.