Nick Hornby: "Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst. Eine Ehe in zehn Sitzungen". Roman
Aus dem Englischen von Ingo Hertzke
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020
160 Seiten, 18 Euro
Der ganz normale Wahnsinn des Zusammenlebens
06:18 Minuten
Eine Ehekrise als Comedy erzählt Nick Hornby in seinem Roman "Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst". Beziehungserprobte werden sich sofort wiederkennen. Aber eine Erkenntnis ist neu: Es ist irgendwie auch schön, wenn der andere nervt.
Liebe und Popmusik - wie untrennbar Sound und Seelenpein zusammenhängen, hat kaum jemand so amüsant und pointiert beschrieben wie der britische Schriftsteller Nick Hornby. "High Fidelity", "About a boy" oder "How to be good" heißen seine Romane, die allesamt Bestseller sind und hochkarätig verfilmt wurden.
Auch in seinem neuen Buch spielt die Popmusik eine Rolle, allerdings eher als leise verklingender Hintergrundsound. Denn die Eheprobleme, mit denen sich Louise und Tom herumschlagen, hängen auch damit zusammen, dass Tom als Musikjournalist keine bezahlten Aufträge mehr bekommt und sich in digitalen Zeiten wie ein "Kohlekumpel oder ein Hufschmied" fühlt.
Und auch wenn die erfolgreiche Louise es leugnet, ist ihr die Arbeitslosigkeit ihres Mannes doch irgendwie peinlich.
Erst Pub, dann Paartherapie
Wobei das nicht der eigentliche Grund ist, weshalb die beiden eine Eheberatung aufsuchen, sondern Louises kurze Affäre mit einem anderen beziehungsweise die offenbar schon länger bestehende Lustflaute im Ehebett. Da "Sex die eine Sache ist, die dich von allen anderen Menschen in meinem Leben abhebt", wie Louise ihrem Gatten an den Kopf wirft, bleibt, wenn man den Sex streicht, nur "dass du die Wohnung mit irgendeinem Typen teilst, der ständig mault und sich über deine Bettlektüre lustig macht".
Also hat Louise ihren Mann Tom aus dem Bett und der gemeinsamen Wohnung komplimentiert und nun treffen sie sich einmal die Woche in einem Pub, um von dort aus gemeinsam zur Paartherapie zu gehen. Was in der Praxis dann verhandelt wird, erfährt man allerdings nur indirekt.
Denn Hornby beschränkt sein kleines Dialogstück ausschließlich auf die Treffen im Pub und lässt die beiden bei Bier und Weißwein endlich alles aussprechen, was jahrelang unter den Tisch gekehrt wurde. Etwa, ihr Ärger darüber, dass er sie nie fragt, wie ihr Tag war. Oder dass er für den Brexit gestimmt hat, angeblich nur, um ihre Freunde zu ärgern.
Er hätte, findet sie, schon bevor irgendwer überhaupt an ein Referendum gedacht hat, ein T-Shirt mit der Aufschrift "Ich bin raus" tragen können.
"Europa: Du bist raus. Sex: Du bist raus. Arbeit: Du bist raus. Ehe, Leben, Freunde: Raus, raus, raus."
Witzig-leichtes Konversationsstück
So witzig wie dieses Ehepaar schon vor der eigentlichen Therapiesitzung seine Wortgefechte austrägt, fragt man sich, was im Beisein der Therapeutin eigentlich erst los sein muss. Wobei gerade darin auch eine Schwäche dieses Dialogstücks liegt, denn wer sich noch so hinreißend miteinander unterhalten und sich derart schlagfertig gegenseitig zu analysieren vermag, versteht sich doch im Prinzip blendend.
Was die beiden sich an den Kopf werfen, kennt jeder, der schon mal eine etwas längerfristige Beziehung geführt hat, und (so gut wie) jeder wird sie darum beneiden, wie lustig sie damit umgehen und wie beiläufig sie die Grundfragen des menschlichen Liebeslebens streifen:
"Wie sind Neuanfänge überhaupt möglich?", fragt Louise. "Wenn man lange Zeit zusammen war und Kinder hat und seit Jahren vom anderen genervt ist? Aber wenn der andere aufhörte, einen zu nerven, wäre er nicht mehr derselbe."
Schnell und pointiert sind die Szenen, in denen Hornbys Protagonisten den ganz normalen Wahnsinn des Zusammenlebens verhandeln – eine Art Screwball-Comedy in Buchform, ein witzig-leichtes Konversationsstück in zehn Sitzungen – das man sich sofort auf der großen Leinwand mit Starbesetzung vorstellen kann.