Nie mehr Schlange stehen in der Bücherei

Von Wolfgang Nitschke |
Egal ob im Flughafen, an der Supermarktkasse oder an der Ausleihe der Stadtbücherei: Stets muss man warten, bis man an der Reihe ist und eine freundliche Mitarbeiterin einen bedient. In der Münchner Stadtbibliothek gehört Schlange stehen der Vergangenheit an: Dort helfen kleine RFID-Chips per Funkübertragung, die Nutzerdaten an einen Rechner zu übertragen, so dass man selbstständig an SB-Terminals Bücher ausleihen und zurückgeben kann.
"Bach für Bücherfreunde” heißt eine CD, auf der auch dies Stück zu finden ist und in zahlreichen Bibliotheken kann man sich die CD auch ausleihen. Das ist aber noch vielerorts ein mühsames Unterfangen. Man betritt den Büchertempel, holt Bücher, CDs, Kassetten aus den Regalen und stellt sich dann in der Schlange an, an deren Ende ein freundlicher Mitarbeiter des Hauses die so genannten Medien verbucht. Nach einiger Wartezeit kann man dann nach Hause gehen und lesen oder Bach hören und man weiß genau, dass man nach vier Wochen wieder in der Schlange steht - bei der Rückgabe.

In der Münchener Stadtbibliothek ist das anders dank RFID - Radiofrequenz-Identifikation. Dr. Eva Schubert, Leiterin der Stadtbibliothek München, erklärt, was heute zu tun ist, wenn man die Tür zur Bibliothek durchschritten hat

"Holen Sie erstmal das Buch. Dann gehen Sie an das Ausleihterminal, lesen Ihren Bibliotheksausweis ein und inzwischen haben Sie Ihre Medien, die Sie ausleihen wollen, bereits auf diese Platte gelegt und Sie brauchen weiter nichts tun, bis auf dem Bildschirm erscheint, dass alles verbucht ist - also das geht sehr schnell, in Sekunden - und Sie beenden den Vorgang und verlassen die Bibliothek."

RFID funktioniert mit "funkenden Etiketten". Jedes Buch, jede CD oder DVD hat einen kleinen Mikroprozessor aufgeklebt, auf dem alle wichtigen Daten gespeichert sind, Name, Standort, was auch immer notwendig ist. Auch der Leihausweis hat einen solchen Chip. Das Terminal und die Chips des Ausweises und des Buches oder der CD können miteinander auf Funkfrequenzen kommunizieren. Und: an den Terminals ist so genannte Stapelverarbeitung möglich. Fünf bis zehn RFID-Chips können gleichzeitig mit dem Rechner im Hintergrund in Kontakt treten. Die Zeit des Schlangestehens an der Ausleihe gehört der Vergangenheit an. Nicht nur Ausleihen ist an den Terminals möglich. Marianne Pohl, Projektleiterin für RFID in der Stadtbibliothek München.

"Die Medien werden, wenn sie verbucht sind, angezeigt mit dem Rückgabedatum und der Kunde entscheidet sich dann, ob er mit einer Quittung oder ohne eine Quittung beenden möchte. Gleichzeitig kann er dann an diesem Gerät noch eine Verlängerung seiner Medien durchführen. Das heißt: er wählt die Funktion Konto, legt seinen Ausweis noch einmal ein und kann dann sehen die Gesamtübersicht über das Konto, also nicht nur die aktuelle Ausleihe und er kann auch hier die Verlängerung am Gerät durchführen."

Technikmuffel haben in der Münchener Stadtbibliothek aber heute schlechte Karten, denn der Gebrauch der RFID-Terminals ist ein Muss! Konventionelle Ausleihe ist nur noch bei Computerproblemen möglich. Aber die meisten Leseratten kommen klar und finden die Neuerung gut.

"Ja, ist besser. Jetzt muss ich noch verlängern. Ich muss mich konzentrieren - da legt man den Ausweis noch mal rein, drückt auf Verlängern und schon kriegt man die entsprechende Quittung. Fertig und jetzt darf ich gehen. Wenn die Leute damit umgehen, dann geht es eigentlich schneller, also wenn die verstehen, damit umzugehen, das ist das Problem. Wenn aber einer ewig nicht klar kommt, dann ist es beschwerlich. Wir haben jetzt hier den Hinweis: Bitte warten, bei 'nem Buch - das ist kein guter Hinweis, wenn da nur steht: Bitte warten und dann kommt nix mehr. Prinzipiell bin ich natürlich offen für neue Technologien, ob es einfacher ist, kann ich natürlich jetzt noch nicht beurteilen."

Besonders gut kommen bei den Kunden der Stadtbibliothek aber die Rückgabeterminals an. Die befinden sich außerhalb der Bibliothek und sind so nicht nur während der Öffnungszeiten erreichbar. Bücher kann man somit auch nach dem Kneipenbummel mal eben zurückgeben oder vor der Frühschicht.

"Also es ist schon etwas einfacher, man muss nicht so lange anstehen, weil mehrere solcher Geräte rum stehen. Also ich bin schon zufrieden. Ich gebe meine Bücher zurück und meine CDs. Ich habe erst mal geschaut, weil ich das das erste Mal mach´ und - zu schnell o.K. - ja dann habe ich erstmal zugeguckt. So und jetzt legt man die einfach rein und das Ding macht es einfach von selbst - bloß unpersönlicher."

Unpersönlicher wird es in den Münchener Bibliotheken in der Tat zunehmend werden. Auch alle Stadtteilbibliotheken werden umgerüstet, um Kosten und damit Arbeitsplätze zu sparen. Wo früher 5 Menschen gearbeitet haben, arbeiten dann zwei Menschen und vier Computer, denn die kosten keine Sozialabgaben. Auf der anderen Seite spart die Selbstverbuchung mit RFID der Stadt aber so viel Geld, dass keine weiteren Bibliotheken mehr geschlossen werden müssen - vorerst. Elektronische Welten haben halt immer Vor- und Nachteile.