Niederlande und Dänemark

Wo Radfahren funktioniert

24:08 Minuten
Radfahrer auf einer neuen Fahrrad- und Fußgängerbrücke, Innenhafenbrücke, Butterfly 3-Wege-Brücke, im Hafen von Kopenhagen.
Gute Infrastruktur: Radfahrer auf einer neuen Fahrrad- und Fußgängerbrücke in Kopenhagen. © imago / imagebroker / Harald Wenzel
Von Marten Hahn und Andre Zantow |
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In niederländischen und dänischen Städten dominieren die Radfahrer. Nach Protesten in den 70er-Jahren gegen den Autoverkehr haben beide Länder die Radinfrastruktur stark ausgebaut. Elektromobilität und Radfahrunlust unter Jüngeren erfordern neue Anreize.
Geert Kloppenburg aus Zandvoort berät Firmen, hält Vorträge und betreibt einen Podcast zum Thema Mobilität. Darin spricht er mit Experten weltweit über Verkehrslösungen, die das Leben in Städten besser machen. Bei den Niederlanden denken alle ans Radfahren, wobei das nicht immer so war.
„Manche Leute glauben, das ist seit hunderten von Jahren so. Aber das ist der größte Quatsch. Es brauchte fast Straßenkämpfe in Amsterdam in den 70ern und 80ern, um das System zu ändern.“
Der Niederländer glaubt, dass es darauf ankommt, die richtigen Fragen zu stellen.
„Fragt man die Leute: Wie wünschst du dir deine Mobilität? Dann kommen da Antworten wie: ‚Ich will mein Auto vor dem Haus parken.‘ Und so entstehen dann Berichte in denen steht: Wir haben Hundertausende Menschen gefragt und alle wollen ihre Autos vor dem Haus parken.“
Wenn Kloppenburg für seinen Podcast unterwegs ist, fragt er stattdessen:
„'Wie soll deine Straße aussehen? Was soll da stattfinden?' Dann lautet die Antwort: ‚Ich hätte gern eine ruhige Straße, an der ältere Menschen spazieren gehen und auf der Kinder spielen können. Ich hätte gern einen öffentlichen Raum, wo ich ein Buch lesen oder Grillen kann.‘ Die Menschen beantworten die Frage dann als Bürger, nicht als Konsumenten.“

Niederlande: Autofahrer sind Schuld

Meredith Glaser leitet das Urban Cycling Institute an der Universität von Amsterdam. Sie erzählt, dass in den 50ern und 60ern die Stadtplaner Platz für das Auto machten. Das wurde als Technologie der Zukunft gesehen: "Die Vision war eine Auto-basierte Mobilität.“
Aber bald türmten sich die Negativ-Schlagzeilen: schlechte Luft, verstopfte Straßen, Unfälle.
„Die Zahl der Verkehrstoten stieg, darunter viele Kinder. Das war ein großer Faktor. Die waren es gewohnt auf den Straßen zu spielen. Aber mit den Autos wurde das immer gefährlicher. Dazu kamen Umweltbewegungen und andere Proteste. All das passierte in den 70ern.“
Mehrstöckiges, kostenloses Fahrradparkhaus für über 2500 Fahrräder am Hauptbahnhof in Amsterdam
Fahrrad-Infrakstruktur in Amsterdam: kostenloses Parkhaus für über 2500 Fahrräder am Hauptbahnhof.© picture alliance / Jochen Tack
Die Bürger fanden Gehör. In den 80er- und 90er-Jahren wurde in ein Radwege-Netz investiert. Und neue rechtliche Grundlagen wurden geschaffen, erklärt Fahrrad-Forscherin Glaser.
„Man richtete sich nach drei grundlegenden Prinzipien: 1. Menschen machen Fehler. 2. Die Regierung ist für die Sicherheit der Menschen zuständig. Und 3. Die Gestaltung der Straßen sollte die Fehler der Menschen einkalkulieren und den daraus entstehenden Schaden minimieren.“
Diesen Leitgedanken folgend, reorganisierten die Niederländer die Straßen in ihren Städten. Fußgänger und Radfahrer erhielten mehr Platz. Auf Straßen mit viel Verkehr wurden die verletzlichen Verkehrsteilnehmer räumlich von den Autos getrennt. Ein Meilenstein der niederländischen Radfahr-Geschichte. Bei Unfällen mit Radfahrern waren ab sofort außerdem prinzipiell die Autofahrer Schuld.
Jetzt kommen die Elektroräder. Ihr Anteil steige rasant, sagt Mathijs de Haas, Verkehrswissenschaftler von der Universität Delft.
„Unsere Forschung zeigt, dass nur Berufspendler das E-Bike als Auto-Ersatz nutzen. Die Mehrzahl der E-Bike-Nutzer ersetzt damit das herkömmliche Rad. Das ist ein wichtiger Hinweis für politische Entscheidungsträger. E-Bikes zu bewerben führt nicht automatisch zu einer geringeren Autonutzung.“

In Dänemark fahren mehr Frauen als Männer

In Dänemark war es vor allem die Ölkrise in den 70er-Jahren, die zu Protesten für mehr Radverkehr in den Städten führte, sagt Marianne Weinreich, Vorsitzende der Cycling Embassy of Denmark - einem Dachverband für die Förderung des Radverkehrs mit Sitz in Kopenhagen.
"Im Gegensatz zu anderen Städten haben wir eine ausgeglichene Quote zwischen Frauen und Männern, die Rad fahren: 50 zu 50. In ganz Dänemark gibt es sogar ein wenig mehr Frauen als Männer, die Rad fahren. In anderen Ländern ist es genau das Gegenteil: Einfach, weil Frauen eine viel größere Abneigung gegenüber Risiko haben. Sicherheit im Verkehr ist ihnen viel wichtiger. Deshalb hat Kopenhagen die Stadt fürs Radfahren geplant. Es ist nicht so, dass wir ein besonderes Radfahr-Gen haben oder wir uns besonders um die Umwelt sorgen. Kopenhagener fahren, weil es sicher ist, einfach und es ist die schnellste Möglichkeit sich in der Stadt zu bewegen.“
Marianne Weinreich berät auch Städte wie Hamburg oder Berlin, wie sie fahrradfreundlicher werden. In Kopenhagen absolvieren inzwischen mehr als 60 Prozent der Menschen ihre täglichen Wege zur Schule, Uni oder Arbeit mit dem Rad. Aber es gibt Nachwuchsprobleme.
"Es ist richtig, dass Radfahren in Dänemark abnimmt. Wir hatten Anfang Juli einen großen Fahrrad-Gipfel in Kopenhagen, wo wir besprochen haben, wie wir diese unglückliche Entwicklung ändern. Das bedeutet, dass alle Akteure jetzt zusammen arbeiten müssen, um neue Lösungen zu finden. Da geht um alles: Die Infrastruktur weiter ausbauen, die jungen Leute besser ansprechen, die jetzt lieber Autofahren – mit ihrem eigenen Auto oder mit dem der Eltern. Wir können ihnen quasi eine Karotte hinhalten – also positive Belohnungen geben fürs Radfahren. Und wir können es auch schwieriger und teurer machen, ein Auto zu fahren.“

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