Niederlande

Frischekur für das "Schatzkästchen"

Das Mauritshuis in Den Haag nach der Renovierung
Das Mauritshuis in Den Haag nach der Renovierung © picture alliance / dpa
Von Carsten Probst |
200.000 Besucher im Jahr, das war zu viel für das kleine, alte Mauritshuis, Den Haags berühmtes Museum. Sein Umbau wurde im Vorfeld mit viel Skepsis beobachtet. Doch die Modernisierung geschah behutsam.
Das Mauritshuis, so heißt es in Den Haag, sei einfach Opfer seines eigenen Erfolgs geworden. Das vergleichsweise kleine Museumsgebäude aus dem 17. Jahrhundert, das die Niederländer auch liebevoll ihr "Schatzkästlein" nennen, hat seine 200.000 Besucher nicht mehr verkraften können, die sich jährlich durch die intimen, holzvertäfelten Säle und engen Durchgänge drängen.
So notwendig Renovierung und Neukonzeption waren, so groß waren die Befürchtungen, das angekündigte "Facelifting" könnte das Haus unversehens in eine durchmodernisierte Kulissenarchitektur verwandeln. Manchen Kritikern diente das künftige Berliner Stadtschloss als Mahnung, als bekannt wurde, dass Architekt Hans van Heeswijk ein völlig neues, großes, lichtdurchflutetes Foyer und eine Verdoppelung der Fläche durch spezielle Säle für Events und Sonderausstellungen plante. Emilie Gordenker, die umtriebige Chefin des Mauritshuis, wurde nicht müde zu betonen, dass man mit der historisch sensiblen Substanz des Hauses behutsam umgegangen sei.
Die Eingriffe waren erheblich
"Ich kann es nicht genug betonen: Das Mauritshuis fühlt sich jetzt nicht doppelt so groß an, wie es einmal war. Die intime Atmosphäre im Inneren und Äußeren zu bewahren, war uns wichtig. Wir wollten, dass das Haus das Schatzkästchen bleibt, das es immer war."
Die Eingriffe waren aber in der Tat erheblich. Das neue, große Foyer wurde freilich unterhalb der Erde errichtet, sodass es die Hauptfassade des Hauses mit dem historischen Vestibül nicht versperrt. Die zusätzlichen Säle für Events und Sonderausstellungen liegen in einem Nachbargebäude, das man eigens für lange Zeit angemietet hat und nun durch das unterirdische Foyer mit dem Haupthaus verbunden wurde. Diese Lösung ist elegant, weil der eigentliche Museumsbau von allen Erweiterungen verschont wurde. Stattdessen hat Architekt ... das historische Aussehen des Mauritshuis noch stärker hervorgehoben. Emilie Gordenker:
"Originaldesign des Hauses wieder hergestellt"
"Wir haben die Gelegenheit genutzt, das Originaldesign des Hauses aus dem 17. Jahrhundert wieder herzustellen: Wir setzten vierfarbig bemalte Fenster wieder ein, haben die Fassade in den historischen Farben restauriert, sodass das Äußere nun wieder wesentlich mehr so aussieht, wie in der Zeit, als das Gebäude entstand. Im Inneren haben wir die Stoffbespannung der Wände ersetzt, mit einer Seidendekoration, die der des 18. Jahrhunderts sehr nahe kommt, als das Haus zum ersten Mal Museum geworden war, auch wenn wir eine neue Farbe eingefügt haben, das Blau im ersten Geschoss."
Die meisten Besucher zieht es erfahrungsgemäß zuerst in den zweiten Stock mit dem Vermeer-Saal. Das "Mädchen mit dem Perlohrring", heute nach Roman-Titeln und Hollywood-Verfilmung so etwas wie der Superstar der Sammlung, war bei seiner Anschaffung auf einer Kunstauktion 1889 noch ein Schnäppchen. Umgerechnet einen Euro bezahlte ein Staatsbeamter dafür, weil das Gemälde damals noch nicht Vermeer zugeschrieben wurde.
Eine der führenden Kollektionen niederländischer Malerei
Weniger vom Massenpublikum gewürdigt, obgleich nicht weniger großartig ist Vermeers "Ansicht von Delft" – die wohl schönste Vedute der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Im ersten Stock warten nicht minder prominent ausgestattete Räume mit Rembrandts "Anatomie des Dr. Tulp", Porträts von Frans Hals, Peter Paul Rubens und seines Schülers Anthonis van Dyck; in der direkten Gegenüberstellung Jan Steen, und Paulus Potters "Stier", dem "Distelfink" von Carel Fabritius und einigen herausragenden frühen Porträts von Hans Holbein dem Jüngeren.
Die königliche Sammlung des Mauritshuis umfasst insgesamt nur etwa 800 Gemälde, aber schnell wird deutlich, dass sie in ihrer Dichte zu den führenden Kollektionen niederländischer Malerei weltweit gehört. Es gibt einfach kein schwaches Werk in ihr.
Haus und Sammlung haben eine bewegte Geschichte
Gordenker: "Die meisten Höhepunkte der Sammlung hängen genau wieder da, wo sie auch zuvor hingen. Wir meinen, es ist gute Museumspraxis, die Lieblingswerke des Publikums auch an den seit langem gewohnten Orten zu präsentieren. Und diese Hängung ist das Resultat vieler Generationen. Meine Vorgänger im Amt haben lange daran gearbeitet, in Dekaden des Feintunings. Vereinzelt aber haben wir doch einige Positionswechsel vorgenommen. Carel Fabritius' "Diestelfink" hat jetzt einen anderen Ort, wo das Bild etwas mehr Raum hat, mehr Platz zum Atmen, weil wir glauben, dass viele Besucher gerade auch dieses Bild sehen wollen."
Das Mauritshuis und seine Sammlungen haben eine bewegte Geschichte. Erbaut wurde es zwischen 1636 und 1644 vom damaligen niederländischen Stararchitekten Jakob von Campen, der als Erfinder des niederländischen Klassizismus, einer symmetrischen, rationalen Architektur. Er schuf das Gebäude für Fürst Johan Maurits von Nassau-Siegen, der damals Königlicher Statthalter in Brasilien war und in dem Haus zunächst seine Sammlung ethnologischer Funde aus Südamerika aufbewahrte. Nach einem verheerenden Brand wurde das Mauritshuis im 18. Jahrhundert völlig neu ausgebaut und vom niederländischen Königshaus schließlich als königliche Gemäldegalerie eingerichtet, die es heute noch ist.
Französische Truppen raubten bei ihrem Einmarsch in die Niederlande kurz vor der Wende zum 19. Jahrhundert die kostbare Sammlung und brachten sie nach Paris, um sie im Louvre auszustellen. Später, nach Napoleons Niederlage, brachten die Niederländer die Bilder auf Kutschen und zu Pferde zurück nach Den Haag. Heute muss man Bilder und Museum vor den Besuchermassen schützen – aber auch das am Ende mit glücklichem Ausgang.