Niedersachsens Grüne fordern Konsequenzen aus Dioxin-Skandal
Mehr amtliche Kontrollen und verbindliche Haftungsregeln bei der Futtermittelherstellung verlangt der Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel. Hier sei "die Fleischtheke als Sondermülldeponie" genutzt worden.
Jan-Christoph Kitzler: Das Ganze ist nach wie vor ziemlich unappetitlich, und am Wochenende sind neue Details herausgekommen: Dioxin im Tierfutter, Dioxin im Fleisch und in Eiern. Und als die ersten Meldungen dazu kamen rund um Weihnachten war schnell klar: Das ist nur die Spitze des Eisberges. Inzwischen gelten tausende Tonnen von Tierfutter als verseucht, und wie so oft ist es so bei Lebensmittelskandalen: Bevor die Behörden einschreiten, ist ein großer Teil der betroffenen Lebensmittel schon gegessen. Als Problemland Nummer eins darf Niedersachsen gelten, hier wird Hühner-, Puten- und Schweinemast in besonders großem Stil betrieben, rund 30 Prozent aller deutschen Legehennen produzieren hier Eier, die allermeisten in Massentierhaltung. Es gibt viel Kritik am niedersächsischen Krisenmanagement in der Dioxinaffäre, und es gibt jetzt einen Streit, wer eigentlich für die Aufsicht am besten zuständig sein sollte – die Länder oder doch besser der Bund. Über beide spreche ich mit Stefan Wenzel, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen im niedersächsischen Landtag. Guten Morgen!
Stefan Wenzel: Guten Morgen, Herr Kitzler!
Kitzler: Wie sehen Sie das denn, ist der Dioxinskandal vor allem ein niedersächsisches Problem?
Wenzel: Er ist in großen Teilen ein niedersächsisches Problem, weil Niedersachsen einfach auch sehr große Anteile an der Produktion im Bereich Schwein und Legehennenhaltung und Hühnchenhaltung hat, aber natürlich sind auch andere Bundesländer beteiligt, und natürlich spielt auch der Bund eine entscheidende Rolle, weil der vor einigen Jahren zum Beispiel die bodengebundene Tierhaltung abgeschafft hat. Vorher war es zum Beispiel vorgeschrieben, dass ein Tierhalter noch mehr als 50 Prozent eigenes Futter aufbringen musste, das hat man im Bund gestrichen.
Kitzler: Niedersachsen hat ja zurzeit nur einen kommissarischen Landwirtschaftsminister, Astrid Grotelüschen, selber in der Putenmast aktiv, ist vor Weihnachten zurückgetreten. Mittwoch jetzt soll Gert Lindemann zu ihrem Nachfolger ernannt werden. Was muss er als Erstes tun?
Wenzel: Zunächst muss geklärt werden, was in den letzten Wochen versäumt wurde. Man hat ja am Wochenende das Gefühl gehabt, ein Stück aus dem Tollhaus zu erleben, Bundes- und Landesminister sind sich gegenseitig an den Hals gegangen, weil sie sich getäuscht fühlen, Frau Aigner war eigentlich im Zentrum der Aufklärung in Niedersachsen im LAVES, und ist über entscheidende Dinge nicht informiert worden. Und von daher muss jetzt insbesondere bei den Betrieben, die das Futtermittel bekommen haben, ganz genau auch geguckt werden: Wie sind die Lieferscheine, wie sehen die aus, wer genau hat Futter bekommen? Da muss im Zweifel auch eine Dokumentenprüfung und eine Beschlagnahmung stattfinden, und vor allen Dingen müssen Ross und Reiter auch im Handel genannt werden. Jetzt sind wieder zehn Tage belastete Lebensmittel in den Handel gekommen, aber die Verbraucher wissen immer noch nicht, wo das war und ob ihre Eier oder ihr Fleisch im Kühlschrank eventuell auch dioxinhaltig ist.
Kitzler: Gert Lindemann, der künftige Landwirtschaftsminister, hat ja schon angekündigt, er werde nicht als Erstes die Köpfe rollen lassen. Hat er sich damit in Ihren Augen schon disqualifiziert?
Wenzel: Nein, das nicht, aber entscheidend wird sein, welche Schritte er jetzt tatsächlich einleitet. Wir brauchen mehr amtliche Kontrollen in der Futtermittelbranche, aber wir brauchen auch klare Regeln, die es ermöglichen, wirklich umfassend die Verantwortlichen zu nennen. Wir wissen bislang noch nicht mal, welche Futtermittelbetriebe alle betroffen sind, wie groß die Zahl insgesamt ist, da kursieren immer wieder andere Zahlen. Jetzt hat offensichtlich eine dieser Futtermühlen auch nur einen Teil der Kunden öffentlich genannt, andere hat sie geschützt. Wir kennen die Eigentumsstrukturen in diesem Bereich noch nicht, da muss viel mehr Klarheit rein, um für die Zukunft solche Dinge auszuschließen, und wir brauchen eine verpflichtende Haftungsregel für Futtermittelhersteller, weil wir jetzt natürlich auch enorm viele Landwirte haben, die enormen finanziellen Schaden und Einbußen haben, und da sind eben auch viele Landwirte von betroffen, die überhaupt selbst gar keine Schuld an diesen Vorkommnissen haben, die selber immer sauber und ordentlich gewirtschaftet haben.
Kitzler: Da sind wir natürlich mitten beim Thema der Kontrollen. Wer sollte das denn Ihrer Meinung nach am besten regeln, doch die Länder, so wie es bisher ist, oder, wie es die Bundeslandwirtschaftsministerin etwas zaghaft fordert, vielleicht doch eher der Bund?
Wenzel: Das ist meines Erachtens nicht die entscheidende Frage. Wichtig ist, dass wir staatliche Kontrollen haben, dass wir in ausreichendem Maße auch staatliche Futtermittelkontrollen machen und Lebensmittelkontrollen, dass wir uns nicht alleine auf die Eigenkontrollen der Betriebe verlassen. Die Zahl der Dioxinproben insgesamt ist verschwindend gering, und von daher muss hier die Aufsicht auch von staatlicher Seite verstärkt werden. Das Dilemma, das Problem ist aber: Je mehr wir uns in der Landwirtschaft von den alten Haltungsformen, von der Bindung an den Boden lösen, umso mehr müssen wir kontrollieren, umso mehr müssen wir versuchen, das, was früher auch in der Verantwortung des Bauern lag, dann durch solche indirekten Maßnahmen aufzufangen. Wenn wir nicht wieder den Weg zurückgehen zu mehr Ökolandwirtschaft, zu mehr naturbelassener Landwirtschaft, dann wird dieser Kontrollaufwand immer weiter steigen, und das ist eigentlich ein Irrweg.
Kitzler: Die Bundeslandwirtschaftsministerin hat ja sogar einen Wettbewerb um bessere Kontrollen unter den Ländern ins Spiel gebracht. Ist das der richtige Ansatz?
Wenzel: Ja, ob hier der Wettbewerb der richtige Ansatz ist – ich möchte, dass amtliche Kontrollen in ausreichendem Maße stattfinden, ich möchte, dass schnell gewarnt wird, und zwar bis in die Handelsketten, dass dort auch Ross und Reiter genannt wird, um die Verbraucher zu schützen. Dafür braucht es eben auch diese verbindlichen Haftungsregeln, damit nicht am Ende dann doch wieder gezögert wird und man indirekt ja wohl teilweise sogar den Eindruck hat, dass man hofft, die Lebensmittel werden dann schon gegessen und der Schaden wird dadurch geringer. Das sind Entwicklungen, die im Moment ein unglaubliches Vertrauen kosten in die Politik insgesamt, aber auch in die Landwirtschaft insgesamt.
Kitzler: Noch ganz kurz zum Schluss: Die Agrarlobby in Niedersachsen ist ja traditionell sehr mächtig. Wie sehr steht das denn wirklichen Reformen im Wege?
Wenzel: Es hängt schon damit zusammen, dass zum Beispiel die Eigentumsstrukturen nicht offen sind. Da haben Sie zum Teil Treuhandgeber, die indirekt Anteile an Unternehmen halten, das aber im Handelsregister überhaupt nicht auftaucht, und dann können Sie zum Beispiel noch nicht mal dafür sorgen, dass die Durchgriffshaftung wirklich wirkt. Von daher brauchen wir hier auch mehr Transparenz im Handelsregister, und wir brauchen zum Beispiel auch schärfere Grenzwerte bei Abfall, bei dioxinhaltigem Abfall, der schlicht und einfach hier offenbar untergepanscht wurde. Da wurde gezielt die Fleischtheke als Sondermülldeponie benutzt, und von daher ist für die Behörden jetzt noch eine ganze, ganze Menge zu tun.
Kitzler: Der Dioxinskandal und die Probleme in Niedersachsen, so sieht es Stefan Wenzel, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag. Vielen Dank und einen schönen Tag!
Wenzel: Vielen Dank, Herr Kitzler!
Stefan Wenzel: Guten Morgen, Herr Kitzler!
Kitzler: Wie sehen Sie das denn, ist der Dioxinskandal vor allem ein niedersächsisches Problem?
Wenzel: Er ist in großen Teilen ein niedersächsisches Problem, weil Niedersachsen einfach auch sehr große Anteile an der Produktion im Bereich Schwein und Legehennenhaltung und Hühnchenhaltung hat, aber natürlich sind auch andere Bundesländer beteiligt, und natürlich spielt auch der Bund eine entscheidende Rolle, weil der vor einigen Jahren zum Beispiel die bodengebundene Tierhaltung abgeschafft hat. Vorher war es zum Beispiel vorgeschrieben, dass ein Tierhalter noch mehr als 50 Prozent eigenes Futter aufbringen musste, das hat man im Bund gestrichen.
Kitzler: Niedersachsen hat ja zurzeit nur einen kommissarischen Landwirtschaftsminister, Astrid Grotelüschen, selber in der Putenmast aktiv, ist vor Weihnachten zurückgetreten. Mittwoch jetzt soll Gert Lindemann zu ihrem Nachfolger ernannt werden. Was muss er als Erstes tun?
Wenzel: Zunächst muss geklärt werden, was in den letzten Wochen versäumt wurde. Man hat ja am Wochenende das Gefühl gehabt, ein Stück aus dem Tollhaus zu erleben, Bundes- und Landesminister sind sich gegenseitig an den Hals gegangen, weil sie sich getäuscht fühlen, Frau Aigner war eigentlich im Zentrum der Aufklärung in Niedersachsen im LAVES, und ist über entscheidende Dinge nicht informiert worden. Und von daher muss jetzt insbesondere bei den Betrieben, die das Futtermittel bekommen haben, ganz genau auch geguckt werden: Wie sind die Lieferscheine, wie sehen die aus, wer genau hat Futter bekommen? Da muss im Zweifel auch eine Dokumentenprüfung und eine Beschlagnahmung stattfinden, und vor allen Dingen müssen Ross und Reiter auch im Handel genannt werden. Jetzt sind wieder zehn Tage belastete Lebensmittel in den Handel gekommen, aber die Verbraucher wissen immer noch nicht, wo das war und ob ihre Eier oder ihr Fleisch im Kühlschrank eventuell auch dioxinhaltig ist.
Kitzler: Gert Lindemann, der künftige Landwirtschaftsminister, hat ja schon angekündigt, er werde nicht als Erstes die Köpfe rollen lassen. Hat er sich damit in Ihren Augen schon disqualifiziert?
Wenzel: Nein, das nicht, aber entscheidend wird sein, welche Schritte er jetzt tatsächlich einleitet. Wir brauchen mehr amtliche Kontrollen in der Futtermittelbranche, aber wir brauchen auch klare Regeln, die es ermöglichen, wirklich umfassend die Verantwortlichen zu nennen. Wir wissen bislang noch nicht mal, welche Futtermittelbetriebe alle betroffen sind, wie groß die Zahl insgesamt ist, da kursieren immer wieder andere Zahlen. Jetzt hat offensichtlich eine dieser Futtermühlen auch nur einen Teil der Kunden öffentlich genannt, andere hat sie geschützt. Wir kennen die Eigentumsstrukturen in diesem Bereich noch nicht, da muss viel mehr Klarheit rein, um für die Zukunft solche Dinge auszuschließen, und wir brauchen eine verpflichtende Haftungsregel für Futtermittelhersteller, weil wir jetzt natürlich auch enorm viele Landwirte haben, die enormen finanziellen Schaden und Einbußen haben, und da sind eben auch viele Landwirte von betroffen, die überhaupt selbst gar keine Schuld an diesen Vorkommnissen haben, die selber immer sauber und ordentlich gewirtschaftet haben.
Kitzler: Da sind wir natürlich mitten beim Thema der Kontrollen. Wer sollte das denn Ihrer Meinung nach am besten regeln, doch die Länder, so wie es bisher ist, oder, wie es die Bundeslandwirtschaftsministerin etwas zaghaft fordert, vielleicht doch eher der Bund?
Wenzel: Das ist meines Erachtens nicht die entscheidende Frage. Wichtig ist, dass wir staatliche Kontrollen haben, dass wir in ausreichendem Maße auch staatliche Futtermittelkontrollen machen und Lebensmittelkontrollen, dass wir uns nicht alleine auf die Eigenkontrollen der Betriebe verlassen. Die Zahl der Dioxinproben insgesamt ist verschwindend gering, und von daher muss hier die Aufsicht auch von staatlicher Seite verstärkt werden. Das Dilemma, das Problem ist aber: Je mehr wir uns in der Landwirtschaft von den alten Haltungsformen, von der Bindung an den Boden lösen, umso mehr müssen wir kontrollieren, umso mehr müssen wir versuchen, das, was früher auch in der Verantwortung des Bauern lag, dann durch solche indirekten Maßnahmen aufzufangen. Wenn wir nicht wieder den Weg zurückgehen zu mehr Ökolandwirtschaft, zu mehr naturbelassener Landwirtschaft, dann wird dieser Kontrollaufwand immer weiter steigen, und das ist eigentlich ein Irrweg.
Kitzler: Die Bundeslandwirtschaftsministerin hat ja sogar einen Wettbewerb um bessere Kontrollen unter den Ländern ins Spiel gebracht. Ist das der richtige Ansatz?
Wenzel: Ja, ob hier der Wettbewerb der richtige Ansatz ist – ich möchte, dass amtliche Kontrollen in ausreichendem Maße stattfinden, ich möchte, dass schnell gewarnt wird, und zwar bis in die Handelsketten, dass dort auch Ross und Reiter genannt wird, um die Verbraucher zu schützen. Dafür braucht es eben auch diese verbindlichen Haftungsregeln, damit nicht am Ende dann doch wieder gezögert wird und man indirekt ja wohl teilweise sogar den Eindruck hat, dass man hofft, die Lebensmittel werden dann schon gegessen und der Schaden wird dadurch geringer. Das sind Entwicklungen, die im Moment ein unglaubliches Vertrauen kosten in die Politik insgesamt, aber auch in die Landwirtschaft insgesamt.
Kitzler: Noch ganz kurz zum Schluss: Die Agrarlobby in Niedersachsen ist ja traditionell sehr mächtig. Wie sehr steht das denn wirklichen Reformen im Wege?
Wenzel: Es hängt schon damit zusammen, dass zum Beispiel die Eigentumsstrukturen nicht offen sind. Da haben Sie zum Teil Treuhandgeber, die indirekt Anteile an Unternehmen halten, das aber im Handelsregister überhaupt nicht auftaucht, und dann können Sie zum Beispiel noch nicht mal dafür sorgen, dass die Durchgriffshaftung wirklich wirkt. Von daher brauchen wir hier auch mehr Transparenz im Handelsregister, und wir brauchen zum Beispiel auch schärfere Grenzwerte bei Abfall, bei dioxinhaltigem Abfall, der schlicht und einfach hier offenbar untergepanscht wurde. Da wurde gezielt die Fleischtheke als Sondermülldeponie benutzt, und von daher ist für die Behörden jetzt noch eine ganze, ganze Menge zu tun.
Kitzler: Der Dioxinskandal und die Probleme in Niedersachsen, so sieht es Stefan Wenzel, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag. Vielen Dank und einen schönen Tag!
Wenzel: Vielen Dank, Herr Kitzler!