Niedliches Monster Mensch
Die Herzkasperl-Kabarettprogramme des bayerischen Urgesteins Jörg Hube erklären zeitlos komisch die Funktionsweise des niedlichen Monsters Mensch. Der im letzen Jahr verstorbene Schauspieler erlebt eine kleine Wiederauferstehung als Hörbuch mit sorgfältig getextetem Booklet.
Die Pflicht war für ihn das Theater, sein Engagement an den Münchner Kammerspielen unter Dieter Dorn. Pflicht war auch der Film – er spielte im Tatort, in Edgar Reitz' Heimat, in Willy Puruckers "Löwengrube" und vielen anderen bayerischen TV-Serien. Aber die Kür in seinen Augen, war das HERZKASPERL- Programm.
"Wer a Göld hod, kann do a Kaschperl sehen,
und wer keins hod, der muass vorm Spiegel stehn.
Mir ist des alles eins, mir ist des alles eins,
ob i a Göld hob oder keins."
Das erste Herzkasperl Kabarett entstand in den Siebzigern. Binnen 35 Jahren schrieb Jörg Hube nur vier weitere. Darin Szenen über die Gier und Unverfrorenheit der Mächtigen und die Neigung der kleinen Leute, sich gegenseitig klein zu halten. Mit solchen Szenen von zeitloser Aktualität ist der Staatsschauspieler Hube mit einem grünen Kleinwagen auch in der bayerischen Provinz herumgetingelt. Das Hörbuch, herausgegeben von der Journalistin Sigrid Menzinger, enthält ein überaus sorgfältig betextetes Booklet und Lieder, Ausschnitte aus Hubes Kabarettprogrammen und aus Interviews. In einem, das er kurz vor seinem Tod gab, sagte er:
"Des halbe Leben hab ich auf die Welt geschaut und hab mir gedacht, es ist ungerecht, wie satt wir leben, wie gut es uns geht, wie schlecht es manchen Menschen geht und wie viele Menschen betrogen werden durch die Politik, durch die Ökonomie. Und diese Wut, diese unbändige Wut, zusammen mit einem gewissen moralischen Anspruch, die hat sich halt in mir artikuliert und dann auch als Kasperl, als Kabarettist artikuliert."
Weil Jörg Hube ein kluger Mann war, der sich selbst durchaus kritisch betrachten konnte, sprach er in seinem Freud-Programm "Herzkasperl Biograffl" von sich als von Dr. Jörgl und Mr. Haid. Bei Tag Moralist, bei Nacht Anarchist. Aber Hubes Hanswurst erlaubt sich noch viel mehr Rollen: Er ist Bänkelsänger, Standpaukenredner, Anstifter, Aufrührer und Publikumsbeschimpfer:
"Ja, da wird so vereinzelt gelacht, aber ich merke, die Mehrzahl hat's doch nicht verstanden.
Ja. Da müss'mer a Beispiel bringen, was die deutsche Hausfrau auch versteht."
Einmal, kolportiert der Kabarettist Dieter Hildebrandt, ist Jörg Hube von der Bühne herabgestiegen und hat einem Mann aus dem Publikum, der mit blöden Einwürfen nervte, mit einer Papierrolle links und rechts eine runtergehauen. So ein Kabarettabend mit Jörg Hube war also nicht ganz ungefährlich. Dafür gab er an anderer Stelle den Kalauerkasper. Hier als Schweizer Rundfunkreporter mit den letzten Neuerungen für Touristen:
"Bei verschiedenen gern besuchten Massiven wie dem Mont Blanc oder dem Matterhorn Massiv wird außerdem die Mitnahme eines transportablen und verschließbaren Toilettensitzes gesetzlich vorgeschrieben. Die Zunahme der Gesellschaftsreisen auch in die Schweizer Hochalpen und der damit verbundene Stoffwechsel haben nämlich in weiten Teilen des Zentral-Hochalpen-Massivs zu gefährlichen Vermurrungen geführt."
Hube sah den Menschen als niedliches Monster. Mit Hilfe von Freuds Strukturmodell der Psyche erklärt er also seinem Publikum, wie der Mensch funktioniert. Er benutzt dazu das Bild eines dreistöckigen Hauses. Im Keller köcheln die Triebe. Im Oberstübchen wacht das Über-Ich. Und im Parterre, der Ich-Etage, reicht die Hausfrau gerade das Essen.
"Nur dem Hausherrn, dem schmeckt die Suppe nicht. Schmeckt die Suppe nicht. Schmeckt die Suppe nicht. Warum schmeckt dem Hausherrn die Suppe nicht. Obwohl sie Schuhbeck-mäßig 1a unterwegs ist.
Des is ganz einfach. Weil im ersten Stock sitzt sein Über-Ich im Finster und schreit eam oh: Du Drecksau, host widda d'Händ ned g'woschn."
"Das Herzkasperl ist ja auch nur ein kleines Hanswürschterl, das lächerlich lachhafte Versuche unternimmt, sich gegen Riesen zu stemmen, wie immer sie heißen, ob Börse oder Beckstein, Mörser oder Speckschwein. Es ist der Versuch, die Angst unter Kontrolle zu bringen, die Angst vor den Riesen, die Riesenangst."
Das hat Jörg Hube geschrieben. Und weil es heute nur noch so wenige Kasperln gibt, und der Eigensinn nicht mehr hoch im Kurs steht, ist sein Tod ein großer Verlust. Er starb letztes Jahr mit 65. Dieses Hörbuch mit einer gelungenen Auswahl aus Jörg Hubes Kabarettprogrammen und einigen Interviewauszügen könnte ein ganz klein wenig über diesen Verlust hinwegtrösten. Ein steirisches Sterbelied ist das letzte Stück auf dem Herzkasperl-Hörbuch. Jörg Hube hat es zusammen mit Gerhard Polt und den Biermösl Blosn eingespielt.
"Wer wird denn mit meiner Leich gehen?
Wer wird denn am Grab dort'n stehn?
Die Gläser, das G'schirr, der Wein und das Bier und d'Emmi hatscht a no mit mir."
Besprochen von Brigitte Neumann
Jörg Hube: Herzkasperl
Herausgegeben von Sigrid Menzinger mit Unterstützung des Bayerischen Rundfunks
Trikont Verlag
Doppel-CD, 17,00 Euro
"Wer a Göld hod, kann do a Kaschperl sehen,
und wer keins hod, der muass vorm Spiegel stehn.
Mir ist des alles eins, mir ist des alles eins,
ob i a Göld hob oder keins."
Das erste Herzkasperl Kabarett entstand in den Siebzigern. Binnen 35 Jahren schrieb Jörg Hube nur vier weitere. Darin Szenen über die Gier und Unverfrorenheit der Mächtigen und die Neigung der kleinen Leute, sich gegenseitig klein zu halten. Mit solchen Szenen von zeitloser Aktualität ist der Staatsschauspieler Hube mit einem grünen Kleinwagen auch in der bayerischen Provinz herumgetingelt. Das Hörbuch, herausgegeben von der Journalistin Sigrid Menzinger, enthält ein überaus sorgfältig betextetes Booklet und Lieder, Ausschnitte aus Hubes Kabarettprogrammen und aus Interviews. In einem, das er kurz vor seinem Tod gab, sagte er:
"Des halbe Leben hab ich auf die Welt geschaut und hab mir gedacht, es ist ungerecht, wie satt wir leben, wie gut es uns geht, wie schlecht es manchen Menschen geht und wie viele Menschen betrogen werden durch die Politik, durch die Ökonomie. Und diese Wut, diese unbändige Wut, zusammen mit einem gewissen moralischen Anspruch, die hat sich halt in mir artikuliert und dann auch als Kasperl, als Kabarettist artikuliert."
Weil Jörg Hube ein kluger Mann war, der sich selbst durchaus kritisch betrachten konnte, sprach er in seinem Freud-Programm "Herzkasperl Biograffl" von sich als von Dr. Jörgl und Mr. Haid. Bei Tag Moralist, bei Nacht Anarchist. Aber Hubes Hanswurst erlaubt sich noch viel mehr Rollen: Er ist Bänkelsänger, Standpaukenredner, Anstifter, Aufrührer und Publikumsbeschimpfer:
"Ja, da wird so vereinzelt gelacht, aber ich merke, die Mehrzahl hat's doch nicht verstanden.
Ja. Da müss'mer a Beispiel bringen, was die deutsche Hausfrau auch versteht."
Einmal, kolportiert der Kabarettist Dieter Hildebrandt, ist Jörg Hube von der Bühne herabgestiegen und hat einem Mann aus dem Publikum, der mit blöden Einwürfen nervte, mit einer Papierrolle links und rechts eine runtergehauen. So ein Kabarettabend mit Jörg Hube war also nicht ganz ungefährlich. Dafür gab er an anderer Stelle den Kalauerkasper. Hier als Schweizer Rundfunkreporter mit den letzten Neuerungen für Touristen:
"Bei verschiedenen gern besuchten Massiven wie dem Mont Blanc oder dem Matterhorn Massiv wird außerdem die Mitnahme eines transportablen und verschließbaren Toilettensitzes gesetzlich vorgeschrieben. Die Zunahme der Gesellschaftsreisen auch in die Schweizer Hochalpen und der damit verbundene Stoffwechsel haben nämlich in weiten Teilen des Zentral-Hochalpen-Massivs zu gefährlichen Vermurrungen geführt."
Hube sah den Menschen als niedliches Monster. Mit Hilfe von Freuds Strukturmodell der Psyche erklärt er also seinem Publikum, wie der Mensch funktioniert. Er benutzt dazu das Bild eines dreistöckigen Hauses. Im Keller köcheln die Triebe. Im Oberstübchen wacht das Über-Ich. Und im Parterre, der Ich-Etage, reicht die Hausfrau gerade das Essen.
"Nur dem Hausherrn, dem schmeckt die Suppe nicht. Schmeckt die Suppe nicht. Schmeckt die Suppe nicht. Warum schmeckt dem Hausherrn die Suppe nicht. Obwohl sie Schuhbeck-mäßig 1a unterwegs ist.
Des is ganz einfach. Weil im ersten Stock sitzt sein Über-Ich im Finster und schreit eam oh: Du Drecksau, host widda d'Händ ned g'woschn."
"Das Herzkasperl ist ja auch nur ein kleines Hanswürschterl, das lächerlich lachhafte Versuche unternimmt, sich gegen Riesen zu stemmen, wie immer sie heißen, ob Börse oder Beckstein, Mörser oder Speckschwein. Es ist der Versuch, die Angst unter Kontrolle zu bringen, die Angst vor den Riesen, die Riesenangst."
Das hat Jörg Hube geschrieben. Und weil es heute nur noch so wenige Kasperln gibt, und der Eigensinn nicht mehr hoch im Kurs steht, ist sein Tod ein großer Verlust. Er starb letztes Jahr mit 65. Dieses Hörbuch mit einer gelungenen Auswahl aus Jörg Hubes Kabarettprogrammen und einigen Interviewauszügen könnte ein ganz klein wenig über diesen Verlust hinwegtrösten. Ein steirisches Sterbelied ist das letzte Stück auf dem Herzkasperl-Hörbuch. Jörg Hube hat es zusammen mit Gerhard Polt und den Biermösl Blosn eingespielt.
"Wer wird denn mit meiner Leich gehen?
Wer wird denn am Grab dort'n stehn?
Die Gläser, das G'schirr, der Wein und das Bier und d'Emmi hatscht a no mit mir."
Besprochen von Brigitte Neumann
Jörg Hube: Herzkasperl
Herausgegeben von Sigrid Menzinger mit Unterstützung des Bayerischen Rundfunks
Trikont Verlag
Doppel-CD, 17,00 Euro