"Niemals werde ich irgendetwas erklären"
Guy Debord - Autor, Filmemacher, Künstler und Gründungsmitglied der Situationistischen Internationale - war ein Stratege. Darauf verweist die Pariser Ausstellung schon im Titel: "Un art de la guerre" - "eine Kunst des Krieges". Exemplarisch für den Namen steht auch Debords erfundenes Kriegsspiel, von dem er später fünf Edel-Exemplare anfertigen ließ.
"C'est la voix de Guy-Ernest Debord que vous entendez."
Die Stimme von Guy Debord empfängt die Ausstellungsbesucher in der Bibliothèque Nationale. Und was diese Stimme zu sagen hat ist radikal, revolutionär, subversiv:
"Das Spektakel ist permanent. Die Bedeutung der Ästhetik liefert selbst in betrunkenem Zustand noch ein schönes Witzthema. Der Skandal könnte legitimer nicht sein. Niemals werde ich irgendetwas erklären."
Paradoxer geht es eigentlich kaum: Guy Debord, der Revolutionär, Situationist und erklärte Feind der "Gesellschaft des Spektakels" steht im Mittelpunkt einer "spektakulären" Ausstellung. Das Ganze in einer staatstragenden "spektakulären" Institution, der Bibliothèque Nationale de France, die das komplette Archiv des Revolutionärs kaufte, nachdem es per Regierungsdekret zum "trésor national" - zum "nationalen Kulturschatz" erhoben wurde. Eine paradoxe Situation, die der Situationist Debord allerdings selbst gewissermaßen vorbereitet hat, sagt Ausstellungskurator Emmanuel Guy.
"Debord wollte kein Vordenker sein, er wollte keine Schüler. Aber er wollte gelesen werden. Und der Erwerb seines Archiv durch die französische Nationalbibliothek und diese Ausstellung folgen dieser Absicht, die mit der Veröffentlichung des Buchs "Die Gesellschaft des Spektakels" deutlich wird: Dem Willen, die revolutionäre Theorie publik zu machen. Es ist also gar nicht so widersprüchlich, wie man meinen könnte: Guy Debord wollte der Nachwelt die Spuren und Belege seiner Aktionen zur Verfügung stellen."
Und warum sonst sollte Debord sein philosophisch-situationistisches Universum so penibel archiviert haben? Da sind zum Beispiel mehr als tausend Karteikarten mit Notizen zu den von ihm gelesenen Büchern. In der Bibliothèque Nationale sind sie jetzt erstmals öffentlich zu sehen, im Zentrum der Ausstellung, auf Plexiglas-Wände gehängt: Fein säuberlich mit Zitaten und Anmerkungen beschriebene Kärtchen, etwa zu Chateaubriands "Vie de Rancé" oder Homers "Ilias" und - sehr viele - zu Werken und Autoren, die sich mit Militärgeschichte und der Analyse von Machtverhältnissen beschäftigen: von Julius Cäsar über Machiavelli bis Clausewitz.
Guy Debord war ein Stratege. Darauf verweist die Pariser Ausstellung schon im Titel: "Un art de la guerre" - "eine Kunst des Krieges". Und geradezu emblematisch ist da vor allem ein Ausstellungsstück: Das Jeu de la Guerre. Ein von Guy Debord in den 50er-Jahren erfundenes Kriegsspiel, von dem er später fünf Edelexemplare anfertigen ließ, mit einem versilberten Spielfeld aus Kupfer und 34 Spielfiguren.
"Es folgt dem Prinzip der Kriegsspiele, die am preußischen Hof Ende des 18. Jahrhunderts erfunden wurden. Guy Debord entwirft aber kein Eroberungsspiel, es geht nicht darum, Gebiete zu erobern sondern den Feind zu zerstören. Das strukturierende Prinzip seines Spiels sind sogenannte Kommunikationslinien, die man nicht sieht, die sich aber sternförmig über das Spielfeld ziehen. Entlang dieser Kommunikationslinien zieht man mit seinen Spielfiguren. Die effizienteste Art, das Spiel zu gewinnen, ist es, die Kommunikationslinien zu durchbrechen."
Die Bedeutung der Kommunikation im Leben, Denken und Agitieren von Guy Debord wird überall in der chronologisch aufgebauten Ausstellung deutlich. "NE TRAVAILLEZ JAMAIS!" - "Arbeitet niemals!" schrieb er 1953 in Großbuchstaben auf eine Hauswand in der Rue de Seine - ein Aufruf, sich der im Kapitalismus unausweichlichen Entfremdung zu widersetzen. Flugblätter, Manifeste, Filme und Zeitschriften dokumentieren, wie Guy Debord seine kompromisslose Gesellschaftskritik formulierte und als Initiator erst der Lettristischen und später der Situationistischen Internationale zu einer zentralen Figur der künstlerischen und politischen Avantgarde wurde.
"Dépassement de l'art" - "Überschreitung der Kunst" - das war die so genannte "erste Direktive", von Debord 1963 in Öl auf Leinwand gepinselt. Und doch ist Debords Einfluss gerade in der Kunst am nachhaltigsten gewesen: Seine experimentellen Filme sind heute moderne Klassiker, und situationistische Spurenelemente finden sich unter anderem in Street Art, Konzeptkunst und Performance und auch in der Werbung. Die Revolution allerdings hat bisher nicht stattgefunden. Die "Gesellschaft des Spektakels" hat sich Debords polymorphes Lebenswerk einverleibt. Seine subversive Kraft hat es deshalb aber nicht verloren - sie schlummert jetzt für alle sichtbar in der französischen Nationalbibliothek.
"On peut dire n'importe quoi ou dormir. Les conséquences se ressemblent mais le sommeil me plaît."
Die Stimme von Guy Debord empfängt die Ausstellungsbesucher in der Bibliothèque Nationale. Und was diese Stimme zu sagen hat ist radikal, revolutionär, subversiv:
"Das Spektakel ist permanent. Die Bedeutung der Ästhetik liefert selbst in betrunkenem Zustand noch ein schönes Witzthema. Der Skandal könnte legitimer nicht sein. Niemals werde ich irgendetwas erklären."
Paradoxer geht es eigentlich kaum: Guy Debord, der Revolutionär, Situationist und erklärte Feind der "Gesellschaft des Spektakels" steht im Mittelpunkt einer "spektakulären" Ausstellung. Das Ganze in einer staatstragenden "spektakulären" Institution, der Bibliothèque Nationale de France, die das komplette Archiv des Revolutionärs kaufte, nachdem es per Regierungsdekret zum "trésor national" - zum "nationalen Kulturschatz" erhoben wurde. Eine paradoxe Situation, die der Situationist Debord allerdings selbst gewissermaßen vorbereitet hat, sagt Ausstellungskurator Emmanuel Guy.
"Debord wollte kein Vordenker sein, er wollte keine Schüler. Aber er wollte gelesen werden. Und der Erwerb seines Archiv durch die französische Nationalbibliothek und diese Ausstellung folgen dieser Absicht, die mit der Veröffentlichung des Buchs "Die Gesellschaft des Spektakels" deutlich wird: Dem Willen, die revolutionäre Theorie publik zu machen. Es ist also gar nicht so widersprüchlich, wie man meinen könnte: Guy Debord wollte der Nachwelt die Spuren und Belege seiner Aktionen zur Verfügung stellen."
Und warum sonst sollte Debord sein philosophisch-situationistisches Universum so penibel archiviert haben? Da sind zum Beispiel mehr als tausend Karteikarten mit Notizen zu den von ihm gelesenen Büchern. In der Bibliothèque Nationale sind sie jetzt erstmals öffentlich zu sehen, im Zentrum der Ausstellung, auf Plexiglas-Wände gehängt: Fein säuberlich mit Zitaten und Anmerkungen beschriebene Kärtchen, etwa zu Chateaubriands "Vie de Rancé" oder Homers "Ilias" und - sehr viele - zu Werken und Autoren, die sich mit Militärgeschichte und der Analyse von Machtverhältnissen beschäftigen: von Julius Cäsar über Machiavelli bis Clausewitz.
Guy Debord war ein Stratege. Darauf verweist die Pariser Ausstellung schon im Titel: "Un art de la guerre" - "eine Kunst des Krieges". Und geradezu emblematisch ist da vor allem ein Ausstellungsstück: Das Jeu de la Guerre. Ein von Guy Debord in den 50er-Jahren erfundenes Kriegsspiel, von dem er später fünf Edelexemplare anfertigen ließ, mit einem versilberten Spielfeld aus Kupfer und 34 Spielfiguren.
"Es folgt dem Prinzip der Kriegsspiele, die am preußischen Hof Ende des 18. Jahrhunderts erfunden wurden. Guy Debord entwirft aber kein Eroberungsspiel, es geht nicht darum, Gebiete zu erobern sondern den Feind zu zerstören. Das strukturierende Prinzip seines Spiels sind sogenannte Kommunikationslinien, die man nicht sieht, die sich aber sternförmig über das Spielfeld ziehen. Entlang dieser Kommunikationslinien zieht man mit seinen Spielfiguren. Die effizienteste Art, das Spiel zu gewinnen, ist es, die Kommunikationslinien zu durchbrechen."
Die Bedeutung der Kommunikation im Leben, Denken und Agitieren von Guy Debord wird überall in der chronologisch aufgebauten Ausstellung deutlich. "NE TRAVAILLEZ JAMAIS!" - "Arbeitet niemals!" schrieb er 1953 in Großbuchstaben auf eine Hauswand in der Rue de Seine - ein Aufruf, sich der im Kapitalismus unausweichlichen Entfremdung zu widersetzen. Flugblätter, Manifeste, Filme und Zeitschriften dokumentieren, wie Guy Debord seine kompromisslose Gesellschaftskritik formulierte und als Initiator erst der Lettristischen und später der Situationistischen Internationale zu einer zentralen Figur der künstlerischen und politischen Avantgarde wurde.
"Dépassement de l'art" - "Überschreitung der Kunst" - das war die so genannte "erste Direktive", von Debord 1963 in Öl auf Leinwand gepinselt. Und doch ist Debords Einfluss gerade in der Kunst am nachhaltigsten gewesen: Seine experimentellen Filme sind heute moderne Klassiker, und situationistische Spurenelemente finden sich unter anderem in Street Art, Konzeptkunst und Performance und auch in der Werbung. Die Revolution allerdings hat bisher nicht stattgefunden. Die "Gesellschaft des Spektakels" hat sich Debords polymorphes Lebenswerk einverleibt. Seine subversive Kraft hat es deshalb aber nicht verloren - sie schlummert jetzt für alle sichtbar in der französischen Nationalbibliothek.
"On peut dire n'importe quoi ou dormir. Les conséquences se ressemblent mais le sommeil me plaît."