"Niemand da, mir Vorschriften zu machen"
Die Tagebücher des englischen Geschäftsmannes Samuel Pepys aus den Jahren 1660 bis 1669 haben die Kritik begeistert. Eine kluge Auswahl gibt es nun als Hörbuch, kongenial gelesen von Axel Milberg.
"19. Januar. Aufgestanden und nach Whitehall."
Mit der lapidaren Bemerkung "Aufgestanden" beginnt Samuel Pepys fast jede seiner Tagebucheintragungen. Was dann folgt, sind teils politische, teils ganz alltägliche Begebenheiten im Leben des fleißigen, frommen, vom Glück verwöhnten Geschäftsmannes. Der ist ein sinnenfroher Mensch, der sich gern was Schönes gönnt:
"Kaufte mir in der Fleet Street ein Florett mit vergoldetem Griff, Kosten 23 Shilling, sowie Seidenstrümpfe in der Farbe meiner Reitkleider, Kosten 15 Shilling, auch einen Gürtel, Kosten 15 Shilling."
Pepys führt über seine privaten Ausgaben genauso akribisch Buch wie über die Versorgungslieferungen an die Flotte, für die er als hoher Beamter im Flottenamt zuständig ist. Dass von interessierter Seite auch das eine oder andere "Präsent" anfällt, hatte damals nichts Ehrenrühriges:
"Am Abend kam Sir William Warren, der Holzhändler, und brachte eigenhändig einen Brief und ein Kästchen für mich, und ging wieder. In seinem Brief erwähnte er ein paar Handschuhe als Geschenk für mich. Doch, als wir das Kästchen öffneten, fanden wir nicht nur ein paar weiße Handschuhe, sondern außerdem eine wunderschöne silberne Prunkschale sowie einen Becher mit meinem eingravierten Wappen."
Axel Milberg liest das so hinreißend beiläufig, dass man ihn glatt für den Verfasser dieser äußerst aufschlussreichen Aufzeichnungen halten könnte. Obwohl es pro Tag nicht mehr als ein, zwei (übrigens vorzüglich übersetzte) Druckseiten sind, entsteht der Eindruck einer lebendigen Erzählung, der man gespannt und amüsiert folgt.
Was zum Beispiel im Jahr 1663 Samuel Pepys vor allem umtreibt, ist die Eifersucht auf den Tanzlehrer seiner jungen Frau:
"Denn ich argwöhnte, sie habe alle Diener aus dem Haus geschickt, und ihn für heute Nachmittag zu sich bestellt. Das war meine teuflische Eifersucht. Gebe Gott, dass sie unbegründet ist, aber in meinem Innern herrscht die wahre Hölle. Und ich bitte Gott, mich davon zu erlösen."
Für sich selbst hingegen nahm Pepys das Recht das Recht auf Liebschaften ganz selbstverständlich in Anspruch:
"Spazierte anschließend durch Westminster zu meinem alten Wirtshaus, dem Swan, und verbrachte einige Zeit mit Sarah. Dann mit dem Boot nach Deptford zu meinem Valentinsschatz. In den Häusern links und rechts herrscht die Pest, aber ich machte mir nichts daraus und tat con elle, was ich tun wollte."
Das war im Juni 1665 – da ging in London bereits die Pest um:
"Sah heute mit großem Unbehagen in der Drury Lane zwei, drei Häuser mit einem roten Kreuz auf der Tür und darunter die Aufschrift "Gott erbarme sich unser". Ein trauriger Anblick. Hatte danach das Gefühl, von mir selbst ginge ein sonderbarer Geruch aus."
Die Pest forderte bis zum Jahresende 1665 allein im Großraum London 70.000 Opfer. Die ständig steigende Zahl der Pesttoten hält Pepys genauso fest wie seine Ernennung zum "Generalproviantinspektor", den Sieg über die holländische Flotte und:
"dass ich finanziell so gut dastehe wie noch nie. Wofür ich dem Herrn dankbar bin."
Durch seine kongeniale Interpretation macht uns Axel Milberg doppelt neugierig auf den weltoffenen, gebildeten und kunstinteressierten Genussmenschen Samuel Pepys, der in seinen Tagebüchern Politik und Gesellschaft im London des 17. Jahrhunderts so lebendig beschreibt.
Beherrschten das Tanzen und die Eifersucht das Jahr 1663 und die Pest das Jahr 1665, so stand das Jahr 1666 ganz unter dem Eindruck der verheerenden Feuersbrunst, die einen Großteil der City in Schutt und Asche legte:
"In den Straßen, auf Türmen, zwischen den Kirchen und Häusern, auf dem Hügel der City, so weit das Auge reichte, grauenerregende, bösartige, blutrote Flammen − nicht zu vergleichen mit der hellen Flamme eines gewöhnlichen Feuers."
Dazwischen jedoch umso faszinierender der Alltag. Der tägliche Kirchgang, die Kleidung, die Einrichtung der Häuser, der Umgang der Eheleute untereinander wie mit dem Gesinde, die genüsslichen Schilderungen manch üppigen Gastmahls − all dies lässt uns teilhaben am Leben im London dieser Zeit. Und dem Sog von Axel Milbergs Stimme kann sich ohnehin kaum einer entziehen:
"Zu Hauptmann Cock und mit einem guten Tropfen getrunken, was ich mir in der Zeit der Pest wohl erlaube, da einem alle dazu raten und es somit nicht gegen mein Gelübde verstößt, und außerdem ist mein Arzt tot und niemand da, mir Vorschriften zu machen."
Besprochen von Sigrid Menzinger
Axel Milberg liest: Samuel Pepys, Tagebücher
3 CDs mit Booklet
Verlag: Haffmanns für Zweitausendeins
16,90 Euro
Mit der lapidaren Bemerkung "Aufgestanden" beginnt Samuel Pepys fast jede seiner Tagebucheintragungen. Was dann folgt, sind teils politische, teils ganz alltägliche Begebenheiten im Leben des fleißigen, frommen, vom Glück verwöhnten Geschäftsmannes. Der ist ein sinnenfroher Mensch, der sich gern was Schönes gönnt:
"Kaufte mir in der Fleet Street ein Florett mit vergoldetem Griff, Kosten 23 Shilling, sowie Seidenstrümpfe in der Farbe meiner Reitkleider, Kosten 15 Shilling, auch einen Gürtel, Kosten 15 Shilling."
Pepys führt über seine privaten Ausgaben genauso akribisch Buch wie über die Versorgungslieferungen an die Flotte, für die er als hoher Beamter im Flottenamt zuständig ist. Dass von interessierter Seite auch das eine oder andere "Präsent" anfällt, hatte damals nichts Ehrenrühriges:
"Am Abend kam Sir William Warren, der Holzhändler, und brachte eigenhändig einen Brief und ein Kästchen für mich, und ging wieder. In seinem Brief erwähnte er ein paar Handschuhe als Geschenk für mich. Doch, als wir das Kästchen öffneten, fanden wir nicht nur ein paar weiße Handschuhe, sondern außerdem eine wunderschöne silberne Prunkschale sowie einen Becher mit meinem eingravierten Wappen."
Axel Milberg liest das so hinreißend beiläufig, dass man ihn glatt für den Verfasser dieser äußerst aufschlussreichen Aufzeichnungen halten könnte. Obwohl es pro Tag nicht mehr als ein, zwei (übrigens vorzüglich übersetzte) Druckseiten sind, entsteht der Eindruck einer lebendigen Erzählung, der man gespannt und amüsiert folgt.
Was zum Beispiel im Jahr 1663 Samuel Pepys vor allem umtreibt, ist die Eifersucht auf den Tanzlehrer seiner jungen Frau:
"Denn ich argwöhnte, sie habe alle Diener aus dem Haus geschickt, und ihn für heute Nachmittag zu sich bestellt. Das war meine teuflische Eifersucht. Gebe Gott, dass sie unbegründet ist, aber in meinem Innern herrscht die wahre Hölle. Und ich bitte Gott, mich davon zu erlösen."
Für sich selbst hingegen nahm Pepys das Recht das Recht auf Liebschaften ganz selbstverständlich in Anspruch:
"Spazierte anschließend durch Westminster zu meinem alten Wirtshaus, dem Swan, und verbrachte einige Zeit mit Sarah. Dann mit dem Boot nach Deptford zu meinem Valentinsschatz. In den Häusern links und rechts herrscht die Pest, aber ich machte mir nichts daraus und tat con elle, was ich tun wollte."
Das war im Juni 1665 – da ging in London bereits die Pest um:
"Sah heute mit großem Unbehagen in der Drury Lane zwei, drei Häuser mit einem roten Kreuz auf der Tür und darunter die Aufschrift "Gott erbarme sich unser". Ein trauriger Anblick. Hatte danach das Gefühl, von mir selbst ginge ein sonderbarer Geruch aus."
Die Pest forderte bis zum Jahresende 1665 allein im Großraum London 70.000 Opfer. Die ständig steigende Zahl der Pesttoten hält Pepys genauso fest wie seine Ernennung zum "Generalproviantinspektor", den Sieg über die holländische Flotte und:
"dass ich finanziell so gut dastehe wie noch nie. Wofür ich dem Herrn dankbar bin."
Durch seine kongeniale Interpretation macht uns Axel Milberg doppelt neugierig auf den weltoffenen, gebildeten und kunstinteressierten Genussmenschen Samuel Pepys, der in seinen Tagebüchern Politik und Gesellschaft im London des 17. Jahrhunderts so lebendig beschreibt.
Beherrschten das Tanzen und die Eifersucht das Jahr 1663 und die Pest das Jahr 1665, so stand das Jahr 1666 ganz unter dem Eindruck der verheerenden Feuersbrunst, die einen Großteil der City in Schutt und Asche legte:
"In den Straßen, auf Türmen, zwischen den Kirchen und Häusern, auf dem Hügel der City, so weit das Auge reichte, grauenerregende, bösartige, blutrote Flammen − nicht zu vergleichen mit der hellen Flamme eines gewöhnlichen Feuers."
Dazwischen jedoch umso faszinierender der Alltag. Der tägliche Kirchgang, die Kleidung, die Einrichtung der Häuser, der Umgang der Eheleute untereinander wie mit dem Gesinde, die genüsslichen Schilderungen manch üppigen Gastmahls − all dies lässt uns teilhaben am Leben im London dieser Zeit. Und dem Sog von Axel Milbergs Stimme kann sich ohnehin kaum einer entziehen:
"Zu Hauptmann Cock und mit einem guten Tropfen getrunken, was ich mir in der Zeit der Pest wohl erlaube, da einem alle dazu raten und es somit nicht gegen mein Gelübde verstößt, und außerdem ist mein Arzt tot und niemand da, mir Vorschriften zu machen."
Besprochen von Sigrid Menzinger
Axel Milberg liest: Samuel Pepys, Tagebücher
3 CDs mit Booklet
Verlag: Haffmanns für Zweitausendeins
16,90 Euro