Architekturhistorikerin Turit Fröbe

„Niemand verschlimmbessert absichtlich sein Haus“

32:20 Minuten
Die Architekturhistorikerin Turit Fröbe blickt vor einem verschwommenen Hintergrund in die Kamera.
Mag keine austauschbare Investorenarchitektur: die Urbanistin und Historikerin Turit Fröbe. © Philip Birau
Moderation: Britta Bürger |
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Die Architekturhistorikerin Turit Fröbe sammelt Bausünden aller Art und unterscheidet in gute und schlechte. Was sie damit will? Die baukulturelle Debatte anfeuern.
Die Architekturhistorikerin Turit Fröbe will das öffentliche Bewusstsein für Baukultur schärfen. Dafür hat sie inzwischen mehr als tausend Bausünden zusammengetragen.
Zum einem sei das ein mahnendes Archiv der verfehlten Siedlungspolitik deutscher Städte und Gemeinden, sagt sie. Zum anderen schätzt Fröbe allerdings auch die Bemühungen der Menschen, ihre Häuser „besonders“ zu gestalten.

Bausünden als Streetart

Gerade im Eigenheimbereich könne man Bausünden eher als Streetart verstehen, meint sie. Die Bewohner wollten mit ihren Eigenkreationen eine Message transportieren, ein Signal von Individualität aussenden. „Niemand verschlimmbessert absichtlich sein Haus“, sagt die Architekturhistorikerin.
Das eine Haus soll ein Fachwerkhaus sein, das andere eben ein Alpenchalet. Woher kommt dieser Drang? Für Fröbe ist die aktuelle Architektur so trostlos, dass Eigenheimbesitzer zwangsläufig nach Individualisierung suchen. Einige Menschen verstünden es deshalb sogar als Ehre, ihr Eigenheim in einer Bausünden-Sammlung zu wissen, berichtet sie.

„Das Auge rutscht daran ab“

Tappen wir, wenn wir von Bausünden sprechen, nicht automatisch in die Dünkel-Falle, verurteilen den Geschmack der anderen? Vor dem Hintergrund dieser Frage ist es der Architekturhistorikerin wichtig, zwischen gut und schlecht gemachten Bausünden zu unterscheiden.
Die schlecht gemachten Bausünden seien vor allem das Produkt austauschbarer Investorenarchitektur, „das Auge rutscht daran ab“. Gute Bausünden seien hingegen die, die aus dem Rahmen fallen.
Das Shoppingcenter „Alexa“ am Berliner Alexanderplatz zum Beispiel, Art Déco in rosa Beton: Da sehe man, dass sich die Erbauer etwas gedacht hätten. Es soll den Betrachter anspringen! Auch im Eigenheimbereich gebe es viele gute Bausünden, findet Fröbe.
Für eine grundsätzliche Veränderung fehle vor allem der Diskurs über eine andere Baukultur, sagt sie. Eine neue Siedlungspolitik müsse nicht am Geld scheitern. Eine andere Siedlungsarchitektur sei möglich, das zeigten die historischen Beispiele von Bruno Taut, Hugo Häring oder Otto Salvisberg.

Baukulturelle Bildung

Turit Fröbes eigentliches Ziel ist eine qualitativ hochwertigere Baukultur. Die Sammlung von Bausünden sei dabei ein Mittel, um das Bewusstsein für die Umgebung zu schärfen. Beim Flanieren sollten Menschen sich die Fassaden und Gebäude in ihrem Wohnumfeld genauer anschauen, rät sie.
Für die Stärkung der baukulturellen Bildung geht Turit Fröbe deshalb mit ihrem Projekt der Stadtdenkerei auch direkt in Städte und Gemeinden, um in Workshops die Debatte über die Baukultur anzuregen. Denn: Das Schlimmste, was man Architektur antun könne, sei das Wegsehen.
(maw)

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