Nix für "Silberdisteln"

Von Ludger Fittkauer · 10.06.2005
Die meisten Versuche mit Anti-Parteien aus der Punkbewegung oder der Künstlerszene in Parlamente einzuziehen, sind gescheitert. Doch im südhessischen Darmstadt hat sich die Punk-Bewegung längst im Parlament etabliert: Uffbasse macht Politik für junge Leute, obwohl der parlamentarische Arm der alternativen Subkultur, Jörg Dillmann, selbst schon fast zu den "Silberdisteln" zählt.
Musik: "Uffbasse, uffmucke, grad´stehn und net ducke!"

"Der Song ist von uns, Text und Musik ist von uns und ist unserer Wählergemeinschaft gewidmet oder unserem Freundeskreis, weil ne Partei sind wir nicht, wir haben kein Programm. Wir stehen als Personen für Programm."

Aufpassen - aufmucken, gerade stehen und nicht ducken, heißt das auf hochdeutsch. Der 44 Jahre alte Hausmeister Jörg Dillmann ist der Kopf der Darmstädter Wählervereinigung Uffbasse, die bei der letzten Bürgermeister-Wahl mehr als sechs Prozent der Stimmen erzielte und nur knapp hinter der FDP lag. Uffbasse heißt Aufpassen - und ist gleichzeitig eine Abkürzung, erklärt Jörg Dillmann:

"Unabhängige Fraktion Freier Bürger (...) Aufrecht, Spontan, Subkulturell, Eigenwillig - meine ich. Aber es ist wichtiger "Uffbasse" als die Wortklauberei drum herum. Wir standen und stehen noch dafür, dass auch andere Arten Kultur gefördert werden, wir stehen und standen für Randgruppen, die meiner Meinung nach nicht genug beachtet werden und die auch ne Stimme brauchen und das ist unsere."

Musik: "Nieder mit dem braunen Pack
Linke Fanaten in den Sack
Eure Zeit die jetzt vergeht
Darmstadts Freigeist in uns lebt."

Die Hupe ist Dillmanns Handy - eigentlich hätte man als Klingelton bei ihm eher eine Melodie aus Star-Wars erwartet. Beim letzten Wahlkampf schaute Jörg Dillmann nämlich im Kostüm eines Jedi-Ritters von den Plakaten an den Darmstädter Laternenpfählen auf das Wahlvolk. 20 Aktive zählt Uffbasse:

"Wir kommen halt alle eher aus der Kultursparte, da sind halt Leute dabei, die malen, da sind Leute dabei, die Musik machen, da sind Leute dabei, die fotografieren und dadurch sind wir vielleicht ein bisschen beweglicher im Kopf als die anderen Parteien. Und wir denken halt einfach, es muss bunter werden, es muss Farbe rein, es muss knallen, aber es muss auch ne Persiflage sein. Es war damals ‚Jödi-Ritter‚, Jörg Dillmann, Jedi, gegen die dunkle Macht, insoweit gibt das alles schon Sinn. Man soll auch Spaß daran haben, beim Wählen und bei der Politik. Aber dabei halt die Ernsthaftigkeit nicht vergessen."

Musik: "FDP und CDU
Mit uns da habt ihr keine Ruh
Achtung Grün und SPD
Jetzt kommt Uffbasse!"

" Die Resonanz ist für so - Klammer auf - asoziale Randgruppe recht gut, wir sind mit zwei Leutchen im Stadtparlament, sind eigentlich die viertgrößte Fraktion nach der FDP (...) Allerdings, wenn man überlegt, welche Silberdisteln wählen gehen, dann ist der Sprung noch gewaltiger, weil die jungen Leute kriegen ihre Ärsche leider nicht hoch."

Nicht die "Silberdisteln", gemeint ist die immer größer und mächtiger werdende Wählergruppe der Alten, will Uffbasse erreichen, sondern die Jugendlichen. Dabei ist auch Jörg Dillmann, dessen Arme mit Tätowierungen wie Disteln, Schlangen, zerschlagenen Hakenkreuzen und Totenköpfen übersät sind, mit Mitte Vierzig selbst nicht gerade mehr ein Nachwuchspolitiker. Und auch die Uffbasse-Wählerschaft ist Dillmann eigentlich schon zu alt:

"Nach der Wahlstatistik ist das Wählerpotential so bei den 30-Jährigen. Es sind ja leider nur 25 Prozent von den ganz Jungen, also unter 21-Jährigen wählen gegangen, die sollen an die Urne gepeitscht werden oder sollen selber was machen."

Musik: "Unsere Stadt habt ihr allen regiert
Es ist Zeit, das was passiert
Mit Uffbasse entsteht der Sturm
Durch uns fällt eure Machtposition"

Jörg Dillmann engagiert sich mit Uffbasse gerade für Jugendliche, die in Darmstadt aus einer alten Villa vertrieben werden sollen, in der sie ein autonomes Kulturzentrum betreiben. Die Stadt will die Villa zu einem Nobelstandort für das renommierte Deutsche Polen-Institut machen:

" Es kann doch nicht sein, dass die Jugendlichen immer rausgemobbt werden überall und rausgekehrt, an den Rand der Städte, in irgendwelche alten Fabrikhallen, die überhaupt nicht da passen. Entweder das oder gar nichts oder päng. Das kann doch nicht sein, das gibt halt den Unmut und deswegen geht kein Arsch mehr wählen.

" Durchzusetzen ist wichtig und es ist auch wichtig, im Parlament unsere Sprache zu sprechen, weil sonst bleiben die Zuhörer auch weg, weil es versteht ja kein Mensch mehr, was da geredet wird und deswegen muss man auch einfach die Sprache sprechen, die man gelernt hat und man muss von seinen Freunden in den Arsch getreten werden, wenn man sich da ändert. Und das ist gut so