No revolution on your desktop

Von Michael Böhm · 15.05.2013
Es heißt, es sei die nächste industrielle Revolution: Mit Hilfe von 3D-Druckern könne künftig jeder das herstellen, was er braucht - vom Schuh bis zum Einfamilienhaus. Hebt der 3D-Drucker also die kapitalistische Massenproduktion aus den Angeln? Wohl kaum, meint der Publizist Michael Böhm. Diese Hoffnung sei naiv.
Eine Revolution scheint im Gange zu sein: noch leise, aber gewaltig genug, um das zu erreichen, was Marx und Engels prophezeiten, was Lenin und Stalin versuchten und was auch all den anderen, die ihnen nachfolgten, nicht gelang: die Überwindung des Kapitalismus.

Eine Maschine, so heißt es, werde künftig jedem ermöglichen, aus Computerdaten alle notwendigen Dinge selbst anzufertigen. Die Rede ist vom Personal Fabricator: kurz Fabber. Mit dreidimensionalen Computermodellen gespeist, fertigte er einstmals Prototypen neuer Bauteile im Maschinenbau. Heute wird er auch dort angewandt, wo es darum geht, Produkten eine individuelle Note zu geben: So produzieren heute 3D-Drucker Zahnprothesen, nahtlose Kleider und sogar Haut und Knochen.

Künftig sollen 3D-Drucker in jedem Haushalt stehen und die Menschen in die Lage versetzen, all das selbst zu produzieren, was sie bislang kaufen. Vom Ende kapitalistischer Massenproduktion durch Hightech-Handwerk ist die Rede; dass das Eigentum an Produktionsmitteln kein Geschäftsmodell mehr sei; und dass Hersteller und Verbraucher künftig in ein und derselben Person verschmelzen würden: dem "Prosumenten".

"Einzig die Selbstproduktion außerhalb des Marktes", schreibt der französische Philosoph André Gorz, "das heißt die Vereinigung von Produzent und Konsument, verhindert, dass die Befriedigung von Bedürfnissen durch das Kapital bestimmt wird."

Doch werden wir das erleben?

Es scheint unrealistisch, dass größere Gruppen von Prosumenten künftig etwa ein Paar Schuhe selbst gestalten und produzieren. Denn ihnen dürften Zeit und Kenntnisse dazu fehlen. Wenn aber der herstellende Verbraucher nicht selbst kreativ werden will oder kann, dann müssten Tauschbörsen variable Muster für Schuhe in digitaler Form anbieten; dann aber hätten wiederum Schuhfirmen Muster zu lizenzieren, wenn alles mit rechten Dingen zugehen soll. Wie viel einfacher ist es aber, Schuhe schlicht aus dem Regal zu nehmen.

Der Mensch, so scheint es, neigt gemeinhin dazu, bequem und gesellig zu sein, und Moden mitzumachen – und der kapitalistische Geist, das ist sicher, durchdringt ästhetische Kategorien; er existiert auf der Hersteller- und der Verbraucherseite.

Überhaupt dürfte eine Gesellschaft von autarken Prosumenten an ihren eigenen Grundlagen kranken. Kapitalismus ist mehr, als nur über Eigentum an Produktionsmitteln zu verfügen. Er ließ nicht nur das Handwerk zur Massenproduktion verkommen; er rief auch den modernen Staat auf den Plan und baute ihn aus zu verschiedenen Institutionen, die die Wirtschaft brauchen, aber sie auch stützen: Polizei-, Rechts- und Bildungswesen – all das ist nötig, um das heutige hochkomplexe Wirtschaftsleben zu fördern und zu garantieren. All das finanzieren jedoch Steuern, die wiederum aus den Gewinnen kapitalistischer Unternehmen resultieren.

Doch was würde aus Gewinnen und Steuern, wenn sich Prosumenten selbstversorgend den Märkten entziehen? Der Prosument würde an all dem rühren, was doch die Grundlage seiner hochkomplexen Technik ist.

Nicht zuletzt ist Kapitalismus auch Idee: Um Computer und 3D-Drucker zu verstehen und zu bedienen, bedarf es des gleichen rationalen Geists, der einst den Kapitalismus auf den Plan rief. Und welcher Prosument würde mit 3D-Druckern nur Schuhe und Hosen fabrizieren? Warum sich damit begnügen? Schließlich heißt es, er könne damit bald menschliche Organe drucken, die das Leben verlängern. Wer würde nicht darüber nachdenken, wie er Technik und Produkte beständig verbessern könnte?

So mag der Personal Fabricator zwar mehr als nur ein Spielzeug sein. Doch damit den Kapitalismus zu überwinden, ist eine Idee aus dem Spielzeugland. Wer danach trachtet, sollte es besser mit Martin Heidegger halten. "Nur ein Gott kann uns retten", sagte der einst – mit Blick auf den "jetzigen Weltzustand".

Michael Böhm, Publizist, geboren 1969 in Dresden, studierte Politikwissenschaft in Berlin und Lille und lebt als freier Publizist in Berlin. Er schreibt für verschiedene Zeitschriften, so unter anderem für "Du – Das europäische Kulturmagazin". Letzte Buchveröffentlichung: "Alain de Benoist – Denker der Nouvelle Droite".
Michael Böhm
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