Olga Tokarczuk: "Die Jakobsbücher"
Aus dem Polnischen von Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein
Kampa Verlag 2019, 1184 Seiten, 42 Euro
Mutige Kämpferin für ein anderes Geschichtsbild
07:56 Minuten
Olga Tokarczuk gilt als brillante und couragierte Autorin, die in ihren preisgekrönten Werken den Polen einen anderen, kritischen Blick auf ihre Geschichte zeigt. Dafür bekam sie Morddrohungen. Für den Literaturnobelpreis fühlt sie sich eigentlich noch zu jung.
Die polnische Psychologin und Autorin Olga Tokarczuk erhält den Nobelpreis für Literatur 2019 beziehungsweise dieses Jahr rückwirkend für 2018. Eigentlich fühle sie sich "viel zu jung" für den Preis, bekennt die Geehrte. Doch hat ihr Werk in Polen vor allem politisch großes Gewicht – oder, besser gesagt – Gegengewicht zur aktuellen nationalistischen Regierung. Zuletzt sorgte Tokarczuks 1200-Seiten-Roman "Die Jakobsbücher", der jetzt auf Deutsch erschienen ist, für Aufsehen: In ihrer Heimat wurde das Werk, das sich kritisch mit der polnischen Geschichte auseinandersetzt, kontrovers aufgenommen. Von der Kritik wurde es gefeiert.
"Der Erfolg beruht darauf, dass dieses Buch ein alternatives Geschichtsbild angeboten hat", sagt die Schriftstellerin. "Es hat eine bestimmte Leerstelle, ein Defizit in der Geschichtsschreibung in Polen gefüllt. So ein Buch gab es bisher noch nicht – ein Buch, das eine Alternative zu einem romantischen Geschichtsbild anbietet." Denn das herrsche in Polen vor. Deshalb wird Olga Tokarczuk von politischer Seite angefeindet und erhielt sogar Mordrohungen.
Düstere Metapher auf das heutige Polen
Sie beschreibt in ihrem Roman das Leben des polnischen Juden Jakob Frank und liefert das schillernde Porträt einer durchaus kontroversen historischen Figur im 18. Jahrhundert. Sie zeigt darin auch die düsteren Seiten polnischer Geschichte, die im Land weitgehend totgeschwiegen werden: die Verfolgung von Minderheiten, speziell der Juden in Polen. An ihrem Romanstoff habe sie fasziniert, dass er als eine Art Metapher auf die heutigen Zeit gelesen werden könne, betont die Autorin.
Und das gefällt vielen nicht. Hate Speech sei zu "einer neuen Waffe" in der Öffentlichkeit geworden, bedauert Tokarczuk. Die politische Atmosphäre sei in Polen extrem angespannt. Tatsächlich greift die regierende PiS-Partei auch in den Kulturbetrieb ein - etwa indem sie Buch-Übersetzungen aus dem Polnischen nicht mehr subventioniere. Davon sind auch Tokarczuks Romane betroffen.
"Tatsächlich gab es am Anfang große Schwierigkeiten für Autoren, die in ihrer Literatur ein anderes Geschichtsbild anbieten", sagt sie. "Es ist aber so, dass die PiS-Regierung für ihre spezielle Geschichtsschreibung keine so hochrangigen Autoren hat, die sie im europäischen Ausland anbieten könnte."
(mkn)