Noch immer ein Geheimtipp
Olli Dittrich nennt ihn sein unerreichtes Vorbild und Loriot rätselt öffentlich, wie es möglich war, dass er in den vergangen 25 Jahren ein Geheimtipp bleiben konnte. "Sie brauchen gar nicht so zu gucken" heißt die vierte CD mit Fundstücken des 1997 verstorbenen Kabarettisten und Satiriker Heino Jaeger.
Hans-Dieter Hüsch: "Meine Damen und Herren, ich wollte noch ein paar Worte zu Heino Jaeger sagen. Es ist ja ein Ironie dritten oder vierten Grades bei ihm und ich halte ihn eigentlich für den exaktesten Ohrenzeugen unserer Zeit."
Mit dieser Ansage meinte der Kabarettist Hans-Dieter Hüsch wohl, das Publikum schonend auf den nächsten Bühnengast vorbereiten zu müssen, denn Heino Jaeger war "komisch" im doppelten Wortsinn. Er reizte zum Lachen, gleichzeitig war er hochgradig sonderbar und löste beim Publikum nicht selten Ratlosigkeit, Befremden oder sogar Empörung aus.
In Kantinen, an Wartehäuschen, in der Straßenbahn oder auf Reisen schaute er den Leuten aufs Maul und äffte sie nach: penetrante Verkäufer, frömmelnde Diakonissen, biestige Rentner. Dabei besaß er das absolute Gehör für sprachliche Marotten, für Dialekte und für verstörenden Subtext. Den arbeitete Heino Jaeger virtuos heraus und reicherte ihn an mit subtilen Wortverdrehungen, falschen Fremdwörtern und semantischem Blödsinn.
Fernsehkoch: "Wir lassen ein Viertel gute Kochmargarine in einer Pfanne zergehen. In einem Sieb oder Leinenbeutel lassen wir fein gestoßene Mandeln gut abtropfen, geben den Schaum von einer halben Kartoffel bei kleiner Flamme hinzu, reinigen bei halb geöffnetem Fenster eine Garnele…"
Geboren 1938 in Hamburg, studierte Jaeger zunächst an der Hochschule für Bildende Künste, später schlug er sich als Maler und Grafiker mit Hang zu liebevoll altmodischen Zeichnungen durch. Als Kabarettist erlebte er Mitte der 70er Jahre den Höhepunkt seines Ruhmes beim Rundfunk: Mit seiner Lebenspraxis Dr. Jaeger, die eine Zeit lang fester Bestandteil eines Satire- und Nonsensmagazins der Europawelle Saar wurde. Jaeger gab beides: den souveränen Ratgeber und den Anrufer, der meist von sehr abstrusen Sorgen geplagt wurde: Amselforschung.
"Anrufer: "Herr Dr. Jaeger, ich beobachte den Wanderzug der Amseln und beschäftige mich mit der Entwicklung der Stadt-Drosseln. Unsere Amsel kommt ja aus dem Raum, wo die Wolga und die Weichsel einen großen Bogen beschreibt und mit dem großen Siebenbürgischen Gebirgsjoch, eine Art Hufeisenform beschreibt, nich? Nun wollte ich sie mal fragen, wie weit diese Tatsache überhaupt bekannt ist." Dr. Jaeger: "Äh, da muss ich sie leider enttäuschen. Dass die Amsel aus dem tief russischen Raum, nämlich der Donau-Niederung, stammt, ist uns nicht bekannt." Anrufer:" Das ist nett, dass sie mir das sagen können. Damit ist mir sehr viel weiter geholfen. Recht vielen Dank, Herr Doktor." Dr. Jaeger: "Bitte sehr, guten Abend!""
Die nun erschienene CD versammelt eine gute Stunde Material, Hörfunksketche aus der Lebenspraxis Dr. Jaeger, aber auch private Aufnahmen und Mitschnitte von Live-Auftritten. Dem Schweizer Verlag Kein & Aber ist es hoch anzurechnen, diesen wahnwitzig komischen Ausschnitt aus Jaegers Nachlass publik zu machen. Und auch wenn längst nicht alles lustig ist: Dialoge wie der dieses Rentnerehepaars machen auf verblüffende Weise deutlich, wie sehr sich andere Kabarettisten bis heute bei Heino Jaegers Stil bedienen:
"Sie: "Der graue Beistelltisch, den hat doch glaube ich, Lina" Er: "Ach der, der...Beistelltisch, der graue Beistelltisch, der bei Lina stand. Ach so. Stand da, wo der..." Sie: "Ne, da hat sie doch das Wachstuch entfernt...Nu, nu leg dich mal etwas zurück und schon dich. Wenn der Besuch kommt, dass du dann munter bist, nich?""
Auch wenn es hier anders klingt: Als Live-Entertainer muss Jaeger unberechenbar gewesen sein; mal schwieg er auf der Bühne, oft fand er kein Ende, und ein anderes Mal gab es statt wohlfeiler Sketche eine Schreiperformance.
Wie schwierig der Mensch Heino Jaeger gewesen sein muss, schildert sein engster Freund, Förderer und späterer Vormund Joska Pintschovius im Booklet zur CD. Irgendwann schien der zeitlebens unter Depressionen leidende Jaeger gänzlich in seiner Phantasiewelt zu versinken. Er begann zu trinken und landete die letzten zehn Jahre seines Lebens in einem sozialpsychiatrischen Heim. Die tragische Ironie des Schicksals: Er, der geniale Stimmenimitator hörte nun tatsächlich Stimmen, die ihm furchtbar zugesetzt haben müssen. 1997 starb Heino Jaeger mit 59 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls.
"Redakteur: "Also, Herr Jaeger: Sie haben ja jetzt Ihre Sendung gehört. Sind Sie zufrieden?" Jaeger: "Ja, eigentlich war ja die Musik ja ziemlich dazwischen." Redakteur: "Das verstehe ich jetzt nicht... Sie haben doch die Sachen alle so...sind Sie nicht zufrieden damit?" Jaeger: "Da sollten doch die Mallaien, zuerst und wir wollten doch auch noch mal ´ne Sendung machen mit der dritten Welt, denen schließlich, ich meine: Ich könnte ja auch im Landfunk...vielleicht mal was, oder letzten Endes, wo die Leute auch mal was gebrauchen können. Sie brauchen gar nicht so zu gucken!""
Besprochen von Gesa Ufer
Heino Jaeger: Sie brauchen gar nicht so zu gucken. Monologe und Szenen
Kein & Aber, Zürich 2010
1 CD, 76 Minuten, 16,90 Euro
Mit dieser Ansage meinte der Kabarettist Hans-Dieter Hüsch wohl, das Publikum schonend auf den nächsten Bühnengast vorbereiten zu müssen, denn Heino Jaeger war "komisch" im doppelten Wortsinn. Er reizte zum Lachen, gleichzeitig war er hochgradig sonderbar und löste beim Publikum nicht selten Ratlosigkeit, Befremden oder sogar Empörung aus.
In Kantinen, an Wartehäuschen, in der Straßenbahn oder auf Reisen schaute er den Leuten aufs Maul und äffte sie nach: penetrante Verkäufer, frömmelnde Diakonissen, biestige Rentner. Dabei besaß er das absolute Gehör für sprachliche Marotten, für Dialekte und für verstörenden Subtext. Den arbeitete Heino Jaeger virtuos heraus und reicherte ihn an mit subtilen Wortverdrehungen, falschen Fremdwörtern und semantischem Blödsinn.
Fernsehkoch: "Wir lassen ein Viertel gute Kochmargarine in einer Pfanne zergehen. In einem Sieb oder Leinenbeutel lassen wir fein gestoßene Mandeln gut abtropfen, geben den Schaum von einer halben Kartoffel bei kleiner Flamme hinzu, reinigen bei halb geöffnetem Fenster eine Garnele…"
Geboren 1938 in Hamburg, studierte Jaeger zunächst an der Hochschule für Bildende Künste, später schlug er sich als Maler und Grafiker mit Hang zu liebevoll altmodischen Zeichnungen durch. Als Kabarettist erlebte er Mitte der 70er Jahre den Höhepunkt seines Ruhmes beim Rundfunk: Mit seiner Lebenspraxis Dr. Jaeger, die eine Zeit lang fester Bestandteil eines Satire- und Nonsensmagazins der Europawelle Saar wurde. Jaeger gab beides: den souveränen Ratgeber und den Anrufer, der meist von sehr abstrusen Sorgen geplagt wurde: Amselforschung.
"Anrufer: "Herr Dr. Jaeger, ich beobachte den Wanderzug der Amseln und beschäftige mich mit der Entwicklung der Stadt-Drosseln. Unsere Amsel kommt ja aus dem Raum, wo die Wolga und die Weichsel einen großen Bogen beschreibt und mit dem großen Siebenbürgischen Gebirgsjoch, eine Art Hufeisenform beschreibt, nich? Nun wollte ich sie mal fragen, wie weit diese Tatsache überhaupt bekannt ist." Dr. Jaeger: "Äh, da muss ich sie leider enttäuschen. Dass die Amsel aus dem tief russischen Raum, nämlich der Donau-Niederung, stammt, ist uns nicht bekannt." Anrufer:" Das ist nett, dass sie mir das sagen können. Damit ist mir sehr viel weiter geholfen. Recht vielen Dank, Herr Doktor." Dr. Jaeger: "Bitte sehr, guten Abend!""
Die nun erschienene CD versammelt eine gute Stunde Material, Hörfunksketche aus der Lebenspraxis Dr. Jaeger, aber auch private Aufnahmen und Mitschnitte von Live-Auftritten. Dem Schweizer Verlag Kein & Aber ist es hoch anzurechnen, diesen wahnwitzig komischen Ausschnitt aus Jaegers Nachlass publik zu machen. Und auch wenn längst nicht alles lustig ist: Dialoge wie der dieses Rentnerehepaars machen auf verblüffende Weise deutlich, wie sehr sich andere Kabarettisten bis heute bei Heino Jaegers Stil bedienen:
"Sie: "Der graue Beistelltisch, den hat doch glaube ich, Lina" Er: "Ach der, der...Beistelltisch, der graue Beistelltisch, der bei Lina stand. Ach so. Stand da, wo der..." Sie: "Ne, da hat sie doch das Wachstuch entfernt...Nu, nu leg dich mal etwas zurück und schon dich. Wenn der Besuch kommt, dass du dann munter bist, nich?""
Auch wenn es hier anders klingt: Als Live-Entertainer muss Jaeger unberechenbar gewesen sein; mal schwieg er auf der Bühne, oft fand er kein Ende, und ein anderes Mal gab es statt wohlfeiler Sketche eine Schreiperformance.
Wie schwierig der Mensch Heino Jaeger gewesen sein muss, schildert sein engster Freund, Förderer und späterer Vormund Joska Pintschovius im Booklet zur CD. Irgendwann schien der zeitlebens unter Depressionen leidende Jaeger gänzlich in seiner Phantasiewelt zu versinken. Er begann zu trinken und landete die letzten zehn Jahre seines Lebens in einem sozialpsychiatrischen Heim. Die tragische Ironie des Schicksals: Er, der geniale Stimmenimitator hörte nun tatsächlich Stimmen, die ihm furchtbar zugesetzt haben müssen. 1997 starb Heino Jaeger mit 59 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls.
"Redakteur: "Also, Herr Jaeger: Sie haben ja jetzt Ihre Sendung gehört. Sind Sie zufrieden?" Jaeger: "Ja, eigentlich war ja die Musik ja ziemlich dazwischen." Redakteur: "Das verstehe ich jetzt nicht... Sie haben doch die Sachen alle so...sind Sie nicht zufrieden damit?" Jaeger: "Da sollten doch die Mallaien, zuerst und wir wollten doch auch noch mal ´ne Sendung machen mit der dritten Welt, denen schließlich, ich meine: Ich könnte ja auch im Landfunk...vielleicht mal was, oder letzten Endes, wo die Leute auch mal was gebrauchen können. Sie brauchen gar nicht so zu gucken!""
Besprochen von Gesa Ufer
Heino Jaeger: Sie brauchen gar nicht so zu gucken. Monologe und Szenen
Kein & Aber, Zürich 2010
1 CD, 76 Minuten, 16,90 Euro