Noch so ein typisches Generationsbuch
Drei Redakteurinnen der Wochenzeitung "Die Zeit" haben dieses Buch geschrieben. Sie erzählen, wie sie es als Einwandererkinder "geschafft" haben und geben Einblicke in ihre Familien, reiten dann aber etwas zu viel auf ihrem Lebensgefühl als "neue Deutsche" herum und verallgemeinern eigene Erfahrungen.
Özlem Topçu, Alice Bota und Khuê Pham haben eine "ziemlich konkrete Utopie". In ihrem Deutschland der Zukunft gibt es "keine Parallelwelten, sondern nur eine Gesellschaft"; dort gehört das Wort "Migrationshintergrund" der Vergangenheit an, und kein Mensch kommt mehr auf die Idee, "die Statistik danach aufzudröseln, wer deutsche Eltern hat und wer ein Kind von Iranern, Vietnamesen, Türken, Polen, Russen oder Arabern ist". Dieses Zukunftsdeutschland ist sich also auf allen Ebenen - institutionell, arbeitswelttechnisch, intellektuell - bewusst, eine Einwanderungsgesellschaft zu sein – so wie es in den USA, England oder Frankreich schon lange der Fall ist.
Nur ist Deutschland noch nicht so weit. Deshalb haben die drei jungen "Zeit"-Redakteurinnen ihr Buch geschrieben: "Wir neuen Deutschen". Alice Bota ist in Polen aufgewachsen und achtjährig mit ihren Akademiker-Eltern nach Deutschland gekommen; Özlem Topçu und Khuê Pham sind in Deutschland geboren, die eine als Kind türkischer Eltern, ein Arbeiterkind, die andere als Kind einer vietnamesischen Bildungsbürgerfamilie.
Ihr Problem: Sie gehören weder hier hin, noch dort hin, sie sind nicht Ausländer und nicht Deutsche, ihre Biografien sind "sperrige Hybride". Sie erzählen davon, wie sie in Deutschland aufgewachsen sind, wie ihre Eltern hier leben und was deren Beweggründe waren, ihre Heimat zu verlassen; und sie erzählen, wie sie es "geschafft" haben, anders als viele andere mit besagtem Migrationshintergrund, auch weil ihre Eltern ihnen stets sagten: Du musst besser sein als die Deutschen: "Scheitern ist keine Option".
Das Gute an diesem Buch ist, dass es tatsächlich Einblicke in drei unterschiedliche Familien aus nichtdeutschen Kulturkreisen gewährt, und zwar dann, wenn jede der drei Autorinnen von sich selbst spricht. Schwieriger sind die Passagen, in denen sie, der Titel gibt es vor, "wir" sagen und ihre Erfahrungen verallgemeinern. Das gemahnt an den unerträglichen Kollektiv-Modus typischer Generationsbücher von Florian Illies bis Meredith Haaf: Wollen und können sich 16 Millionen Menschen, die nicht nur deutscher Herkunft sind, unter dem Begriff "Wir neuen Deutschen" subsumieren lassen, als "neue Deutsche"?
Das ist das Problem dieses Buches, dass es selbst mit den Inklusionen und Exklusionen arbeitet, die es beklagt. Könnte es nicht sein, dass viele der "neuen Deutsche" eigentlich gar keine "neuen Deutschen" sein wollen – sondern einfach nur Journalistinnen oder Ärzte, Arbeiter oder Taxifahrer, Schwestern oder Familienväter? Unser Deutschland, euer Deutschland: Reicht nicht einfach Deutschland?
Am Ende des Buches wird es "Zeit"-leitartikelhaft. "Wir" und "Ich" treten in den Hintergrund, und Bota, Pham und Topcu führen die deutsche Muslim-, Sarrazin- und Integrationsdebatte. Spätestens an diesem Punkt ist man ganz radikalindividualistisch eins mit ihnen, wenn sie fragen: "Wer kennt es nicht, das Gefühl am falschen Platz zu sein, weil er aus einem anderen Milieu kommt, von einem anderen Ort?"
Besprochen von Gerrit Bartels
Khuê Pham, Özlem Topçu, Alice Bota: Wir neuen Deutschen: Wer wir sind, was wir wollen
Rowohlt, Reinbeck bei Hamburg 2012
176 Seiten, 14,95 Euro
Nur ist Deutschland noch nicht so weit. Deshalb haben die drei jungen "Zeit"-Redakteurinnen ihr Buch geschrieben: "Wir neuen Deutschen". Alice Bota ist in Polen aufgewachsen und achtjährig mit ihren Akademiker-Eltern nach Deutschland gekommen; Özlem Topçu und Khuê Pham sind in Deutschland geboren, die eine als Kind türkischer Eltern, ein Arbeiterkind, die andere als Kind einer vietnamesischen Bildungsbürgerfamilie.
Ihr Problem: Sie gehören weder hier hin, noch dort hin, sie sind nicht Ausländer und nicht Deutsche, ihre Biografien sind "sperrige Hybride". Sie erzählen davon, wie sie in Deutschland aufgewachsen sind, wie ihre Eltern hier leben und was deren Beweggründe waren, ihre Heimat zu verlassen; und sie erzählen, wie sie es "geschafft" haben, anders als viele andere mit besagtem Migrationshintergrund, auch weil ihre Eltern ihnen stets sagten: Du musst besser sein als die Deutschen: "Scheitern ist keine Option".
Das Gute an diesem Buch ist, dass es tatsächlich Einblicke in drei unterschiedliche Familien aus nichtdeutschen Kulturkreisen gewährt, und zwar dann, wenn jede der drei Autorinnen von sich selbst spricht. Schwieriger sind die Passagen, in denen sie, der Titel gibt es vor, "wir" sagen und ihre Erfahrungen verallgemeinern. Das gemahnt an den unerträglichen Kollektiv-Modus typischer Generationsbücher von Florian Illies bis Meredith Haaf: Wollen und können sich 16 Millionen Menschen, die nicht nur deutscher Herkunft sind, unter dem Begriff "Wir neuen Deutschen" subsumieren lassen, als "neue Deutsche"?
Das ist das Problem dieses Buches, dass es selbst mit den Inklusionen und Exklusionen arbeitet, die es beklagt. Könnte es nicht sein, dass viele der "neuen Deutsche" eigentlich gar keine "neuen Deutschen" sein wollen – sondern einfach nur Journalistinnen oder Ärzte, Arbeiter oder Taxifahrer, Schwestern oder Familienväter? Unser Deutschland, euer Deutschland: Reicht nicht einfach Deutschland?
Am Ende des Buches wird es "Zeit"-leitartikelhaft. "Wir" und "Ich" treten in den Hintergrund, und Bota, Pham und Topcu führen die deutsche Muslim-, Sarrazin- und Integrationsdebatte. Spätestens an diesem Punkt ist man ganz radikalindividualistisch eins mit ihnen, wenn sie fragen: "Wer kennt es nicht, das Gefühl am falschen Platz zu sein, weil er aus einem anderen Milieu kommt, von einem anderen Ort?"
Besprochen von Gerrit Bartels
Khuê Pham, Özlem Topçu, Alice Bota: Wir neuen Deutschen: Wer wir sind, was wir wollen
Rowohlt, Reinbeck bei Hamburg 2012
176 Seiten, 14,95 Euro