Mit Lärm gegen Lärm
Rauschen, Brummen, Dröhnen - bestimmte Arten von Lärm lassen sich durch spezielle Kopfhörer unterdrücken, indem sie Gegengeräusche entwickeln und so Lärm durch Lärm kompensieren.
Auf dem Vorfeld des Berliner Flughafens Schönefeld. Ein Airbus mit vier Triebwerken, eines davon dröhnt im Leerlauf. Wenige Meter daneben steht Sebastian Buchberg. Der Mann in der dunkelblauen Uniform und den drei goldenen Streifen am Ärmel ist Pilot bei der Lufthansa - und der Lärm für ihn Berufsalltag. Nicht nur vor dem Flugzeug ist es laut, sondern auch im Cockpit.
"Dadurch, dass wir direkt vorne an der Flugzeugspitze untergebracht sind, wir kriegen den Fahrtwind, in Anführungszeichen natürlich, voll ab. Das hat jeder schon einmal mitbekommen, wenn man die Hand aus dem Fenster hält, das wird gleich deutlich lauter, auch mit der ganzen Technik, die gekühlt werden muss, das macht alles Geräusche, wie ein Computer aus. Bei uns sind viele Computer untergebracht, erzeugt viel Lärm ..."
"Das ist schon anstrengend einfach auch, da dann immer auch konzentriert zu sein, aktiv zuzuhören, auf verschiedenen Stellen dann sich auch mit dem Kollegen zu unterhalten, gleichzeitig zu hören, was der Kollege am Funk sagt und vielleicht der Kollegin zuzuhören, die gerade hereingekommen ist. Das ist schon sehr belastend."
Entlastungen bieten besondere Kopfhörer, die Sebastian Buchberg und seine Kollegen im Cockpit tragen. Die sind in der Lage, den Lärm zu dämpfen. Nicht nur, weil sie große Polster haben, sondern auch wegen der eingebauten Technologie: Sie heißt "Noise Cancelling", zu Deutsch: "Geräusch-Auslöschung".
Solche Geräte werden zum Beispiel hier in einer Fabrikhalle in Wedemark bei Hannover hergestellt. Mitarbeiter schrauben und stecken Kopfhörer-Mikrofon-Kombinationen, sogenannte Headsets, zusammen. Anschließend werden die fertigen Geräte einzeln in einer Kammer mit verschiedenen Geräuschen und Tönen traktiert.
Auslöschung oder Kompensation
Ein Computer misst, ob das Headset die Qualitätsvorgaben erfüllt. Das heißt, ob die Geräusche, die von außen eindringen, tatsächlich von der eingebauten Elektronik ausreichend gefiltert werden. Peter Arasin, Produkttrainer bei Sennheiser:
"Der Trick ist der, dass zwei gleichartige Signale, die aber verpolt werden, sich vor unserem Trommelfell gegenseitig aufheben können. Ich verhindere, dass das Trommelfell überhaupt erst in Schwingungen gerät, indem ich die Kräfte, die das Trommelfell in Schwingungen versetzen, schon vorher aufhebe. Der Fachmann redet dann immer von Auslöschung oder Kompensation."
Diese "Noise Cancelling"-Funktion nutzt also ein physikalisches Grundgesetz. Die Kopfhörer-Elektronik reagiert auf Umgebungsgeräusche, indem sie ein passendes Gegengeräusch entwickelt - Lärm gegen Lärm. Damit das funktioniert, muss der Kopfhörer entsprechend ausgestattet werden. Sennheiser-Produktmanager Matthias Lücke:
"Direkt an den Ohrmuscheln sind Mikrofone platziert. Die nehmen die Umgebungsgeräusche auf und geben sie dementsprechend an die Elektronik weiter. Damit sie diese invertieren kann und wieder in Hörerkapsel abgeben kann."
Für den Nutzer heißt es: Das Umgebungsgeräusch wird gedämpft und er hört das, was er hören muss, besser. Bei Piloten sind das zum Beispiel die Anweisungen per Funk. Seit den 80er-Jahren sind solche Headsets weltweit bei den Fluggesellschaften im Einsatz. Aber nicht nur im professionellen Bereich ist die Technik hilfreich. Mittlerweile gibt es auch für den privaten Nutzer Kopfhörer mit "Noise Cancelling". Um beim Flugzeug zu bleiben: Die folgende Simulation verdeutlicht die Wirkung der Technik beim Musikhören.
Bei einem Kopfhörer mit aktiver Lärmkompensation sind die Flugzeuggeräusche weniger stark zu hören. Zunächst fühlt sich der Kopfhörer nach dem Aufsetzen wie jeder andere an. Wird aber der Schalter für die Noise-Cancelling-Funktion gedrückt, tritt der Effekt ein.
Ob Klassik oder Pop, die Musik ist präsenter, der Umgebungslärm je nach Lautstärke nicht mehr so dominant. Allerdings spürt der Hörer anfangs eine Art Druck auf dem Ohr, das ist aber eine Frage der Gewöhnung. Nicht nur im Flugzeug, sondern auch in anderen lauten Umgebungen ist eine solche Technologie nützlich, sagt Daniel Nieves-Torres von Monster, einem Kopfhörerhersteller, der ebenfalls auf "Noise Cancelling" setzt.
Nur das Grundrauschen wird gefiltert
"Dieses Grundrauschen, das um einen herum passiert, das ist das, was die Musikqualität beeinträchtigt und was den Spaß an Musikhören auch reduziert. Und insgesamt Umgebungsgeräusche, ob das jetzt im ICE, im Flieger, im Bus oder in der S-Bahn, in der U-Bahn ist, vollkommen egal, diese Umgebungsgeräusche, die mich stören, beim Musikhören, die kann ich damit herausfiltern oder zumindest reduzieren."
In der Fertigungshalle in Wedemark laufen die Tests für die fertiggestellten Kopfhörer weiter. Sennheiser-Produkttrainer Peter Arasin sagt, dass man sie auch einfach so aufsetzen kann, ohne einen Musikspieler anzuschließen. Dann wird es schlagartig ruhiger.
"Es ist keine Stille in dem Sinne, dass jetzt absolute Ruhe um mich herum herrscht. Nur: Der Lärmpegel, also die Lautstärke, die ist deutlich reduziert und dadurch ist dann meine Anstrengung, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren zum Beispiel, erleichtert."
Die Kopfhörer mit "Noise Cancelling" funktionieren dann also wie elektronische Ohrstöpsel – allerdings teure. 200 bis 300 Euro müssen schon für den besseren Klang oder mehr Ruhe investiert werden.