Nonsens als Berufsprinzip
"Eine Art seismografischer Aufnahme von Publikumsschwingungen", bezeichnet der Satiriker Bernd Eilert als Ottos Erfolgsrezept. Weiter zählt er Tempoverschärfungen zu den besonderen artistischen Fähigkeiten des Komikers.
Stephan Karkowsky: Otto Waalkes wird heute 65, er blödelt aber auf der Bühne noch immer so kindisch vor sich hin wie kein anderer deutscher Komiker. Also mal ehrlich, Loriot und Heinz Erhard, die wirkten geradezu ernsthaft gegen Otto, den Ostfriesen.
Als Gagautor mitverantwortlich für Ottos großen Erfolg, vor allem im Kino, ist seit 40 Jahren der Satiriker und Drehbuchschreiber Bernd Eilert. Er ist Mitbegründer der Satirezeitschrift "Titanic". Herr Eilert, guten Morgen!
Bernd Eilert: Ja, guten Morgen!
Karkowsky: Haben Sie denn Otto schon angerufen heute und gratuliert?
Eilert: Nee, ich hab ihm eine SMS geschickt, da er gerade im Ausland weilt, und ich wollte ihn nicht so früh stören. Normalerweise sind wie beide keine solchen Frühaufsteher.
Karkowsky: Ja, mit SMS hätten Sie ihn ja auch wecken können.
Eilert: Kann ich das? Na, das ist ja gut, dann wird er sich ja gleich ärgern. Fängt der Geburtstag gut an.
Karkowsky: Herr Eilert, Sie kennen Otto Waalkes so lange jetzt schon. Stimmt die Geschichte, dass Ihre Freundschaft mit geistigem Diebstahl ihren Anfang nahm?
Eilert: Geistigen Diebstahl gab es damals nicht. Es war alles frei flottierend. Es waren die frühen 70er-Jahre und mit dem geistigen Eigentum ging man im brechtschen Sinne lax um und Otto bediente sich zum Teil eben aus einer Nonsensbeilage, die in der Zeitschrift "Pardon" damals erschien, regelmäßig jeden Monat, die hieß "Welt im Spiegel - WimS", und da hat er sich ein paar der hübschesten Sachen herausgenommen.
Und dann haben wir uns getroffen, mal darüber gesprochen, und er sagte, wenn wir noch mehr davon haben, würde er sehr gerne sich daran bedienen können. Und wir waren damals Robert Gernhardt, Peter Knorr und ich, und haben sein Angebot gern angenommen.
Karkowsky: Gernhardt, Knorr und Sie, die "GEK-Gruppe", GEK als Abkürzung für "Gernhardt, Eilert, Knorr" - Sie haben Radiocomedys produziert für den Hessischen Rundfunk. Wie passte das eigentlich zusammen, diese doch ziemlich links-intellektuellen Satiriker und der Blödelbarde aus Ostfriesland?
Eilert: Ja, das hat uns auch gewundert, dass das zusammenpasste, weil normalerweise waren wir immer davon ausgegangen, da wir sehr private und sehr auf Minderheiten eigentlich affine Scherze gemacht haben, dass das gar nicht zusammenpassen könnte. Aber es hat sich herausgestellt, dass die komische Kraft so groß war, dass das plötzlich auch für ein Massenpublikum interessant wurde, und die Leute haben sich gut amüsiert darüber, obwohl ihnen, glaube ich, diese Art von Nonsens ziemlich neu war.
Karkowsky: Wissen Sie noch, welche Ihrer Gags Otto damals - ich nenn das jetzt mal - sich ausgeliehen und für sein Bühnenprogramm verwendet hatte?
Eilert: Ich weiß nur, dass es unter anderem ein Gernhardt-Gedicht war, "Lieber Gott, gib es zu, dass ich klüger bin als du" und so weiter. Und das hat ihm, glaube ich, gut gefallen, weil er kommt ja aus einer sehr strenggläubigen ostfriesischen Familie. In Ostfriesland glaubt man noch sehr calvinistisch, und ich nehme an, das hat ihm auch diebischen Spaß gemacht, die Reaktion seiner Mutter zu beobachten, die wahrscheinlich - nee, bekreuzt hat man sich da ja nicht - aber zumindest ein geistiges Kreuz geschlagen hat.
Karkowsky: Wir hören mal einen Sketch aus dem Jahr 1974, wo auch Robert Gernhardt mitgeschrieben hat, "Fernsehen und Familie".
Otto Waalkes: Meine Damen und Herren, ich spiele jetzt ein Lied vom Fernsehen mit dem Titel "Willst du dir den Tag versauen, musst du Dalli-Dalli schauen" oder, oder "Wer Kuli liebt und Frankenfeld, der hat ein Recht auf Krankengeld". Und das handelt auch vom Fernsehen, und vorm Fernsehen sitzt ein älteres Ehepaar, und da sagt er "Hast du was gesagt?" und sagt sie "Nee, das war gestern. Untertitel: "Mutti, Mutti, mir wird schwindelig! - Och, das ist doch nicht so schlimm, das ist doch erst der Vorwaschgang."
Karkowsky: Also politisch nicht korrekt, kann man sagen, aber ist das überhaupt politisch, oder waren es einfach nur lustige Sachen?
Eilert: Nein, politisch war das hier nicht, das hatte eher nostalgische Reize, auch jetzt hat es die, weil die Namen, die dort genannt werden, sind nicht mehr so aktuell, aber offensichtlich war es auch der schöne Reim, der viel dazu beigetragen hat, und auch Robert Gernhardt war ja ein großer Lyriker, dass ein Publikum das lustig fand. Das hat man ja schon bei Heinz Erhardt gesehen, dass gewisse subversivere Formen der Komik auch mittels Reim transportiert werden können.
Karkowsky: Stimmt das eigentlich, dass sich Otto auch bei Heinz Erhardt immer relativ frei bedient hat, und natürlich bei dem großen amerikanischen Komiker Woody Allen?
Eilert: Also bei Woody Allen, da gibt es, glaube ich, einige Parallelen, wobei Woody Allen auch frei flottierende Sachen benutzt hat. Er hat zum Beispiel auch mal sich bei uns bedient. Also, das war nicht so virulent, aber - bei Heinz Erhardt, das war sicher für uns beide, Otto und mich, ein Vorbild, weil Heinz Erhardt war damals so das, worauf man wartete, wenn einer dieser unsäglichen bunten Abende mit Schlager- und Operettenmusik lief, dann kamen fünf bis zehn Minuten Heinz Erhardt. Und das war immer unser Trost, darauf haben wir gewartet und haben uns darüber wahnsinnig amüsiert.
Karkowsky: Und dieser Spruch, den man heute zum Teil auch Otto zuschreibt, "Einen habe ich noch" - das war eigentlich Heinz Erhardt, nicht?
Eilert: Das kam auch von Heinz Erhardt, ja. Das war seine Art, noch ein Gedicht anzukündigen.
Karkowsky: Nun waren der mittlerweile verstorbene Robert Gernhardt und Pit Knorr, die waren zehn Jahre älter als Otto. Und Sie, Sie waren da als gebürtiger Oldenburger, ja auch der einzige Norddeutsche des Trios. Hat Ihnen das zu Anfang das einfacher gemacht zu verstehen, wie dieser Otto tickt?
Eilert: Am Anfang war das gar nicht so die Frage. Ich glaube, am Anfang waren wir mit dem Zeitgeist einfach ziemlich synchron. Später hat das vielleicht dazu beigetragen, dass wir - siehe Heinz Erhardt - so die gleiche Sozialisation durchgemacht haben und uns relativ schnell auch über Popmusik und so was verständigen konnten. Weil Otto ist ja nebenbei auch ein ganz guter Gitarrist.
Karkowsky: Sie hören Bernd Eilert. Bernd Eilert gehört zu dem GEK-Kollektiv, das für Otto viele, viele, viele Gags, Bücher und Filme mit geschrieben hat neben Pit Knorr und Robert Gernhardt. Herr Eilert, wie schreibt man im Kollektiv Gags, und dann auch noch für einen anderen? Wie läuft das ab?
Eilert: Na ja, der andere war ja häufig dabei. Das hat es schon mal erleichtert.
Karkowsky: Also ein Quartett eigentlich.
Eilert: Ja, wenn der andere gelacht hat oder wenn überhaupt jemand gelacht hat, war es schon mal eine Referenz dafür, dass es nicht ganz unkomisch ist und dass dieser Ansatz weiterverfolgt werden könnte. Wir haben uns einfach zusammengesetzt und haben uns die Zeit genommen, so lange miteinander zu reden, bis am Ende des Tages irgendetwas herausgekommen ist, was man auf der Bühne oder im Film ausprobieren konnte. Und so hatten wir eigentlich unseren Spaß bei der Arbeit. Und das ist, glaube ich, auch ziemlich wichtig. Also ich glaube, es ist wesentlich schwieriger, alleine Gags und lustige Sachen zu schreiben, als wenn man die Unterstützung von Freunden hat.
Karkowsky: Und dann hatten Sie ein Diktiergerät laufen oder einen Sekretär, der mit stenografiert hat?
Eilert: Wir hatten 14 Sekretärinnen. Nein, einer von uns hat meistens die etwas ungeliebte Aufgabe gehabt, sich Notizen zu machen. Und der musste dann bis zum nächsten Tag versuchen, aus diesen Notizen, die er zum Teil selber nicht mehr lesen oder verstehen konnte, etwas halbwegs Sinnvolles, präsentieren, und so hat sich das dann so fortentwickelt. Den anderen fiel dann, zumindest auch bei falsch überlieferten Notizen, wieder ein, wie es eigentlich gemeint war, und so sind wir Schritt für Schritt weitergekommen.
Karkowsky: Und diese Gags nachzuerzählen, ist gar nicht so einfach. Wenn man das mal versucht, zum Beispiel der mit dem Föhn - Hallo Susi! Ah, wer spricht da? Dein Föhn. Mein Föhn kann sprechen! - dann wirkt das nicht komisch, das wirkt nur komisch, wenn Otto das macht. Was ist sein Geheimnis?
Eilert: Sein Geheimnis ist neben seinen artistischen Fähigkeiten, also in dem Fall zum Beispiel, dass er extreme Stimmlagen sehr gut rüberbringen kann, ist natürlich eine Gabe, die man schwer definieren kann, die sich am stärksten vor Publikum zeigt. So eine Art seismografischer Aufnahme von Publikumsschwingungen, die er dann sofort wieder in Tempoverschärfungen oder Tempoverschleppungen, in Pausen, in Blicke oder so umsetzen kann. Und das ist etwas, was keiner von uns konnte, sonst hätten wir ja auch selbst mit diesen Gags Karriere machen können. Aber wir können höchstens kleine Säle belustigen mit diesen Texten.
Karkowsky: Otto ist sehr erfolgreich damit gewesen. Er ist auch ein Marketingphänomen. Es gab erst "Otto - die Platte", die zweite, die dritte und so weiter. Es gab "Das Buch", da hatten Sie auch einen wesentlichen Anteil dran. Die Fernsehshow und schließlich "Den Film", 1985. Ich durfte lesen: "Bis heute der erfolgreichste deutsche Kinofilm aller Zeiten".
Eilert: Ja, zumindest, wenn man davon ausgeht, dass jetzt die neu eingetretenen Länder - neu kann man ja schon nicht mehr sagen, ist ja auch schon wieder fast 25 Jahre her -, aber er ist eben auch in der damaligen DDR gelaufen und hat auch dafür gesorgt, dass Otto in diesen Bundesländern genauso oder fast noch populärer wurde als in der damaligen westlichen BRD.
Karkowsky: Konnte die DDR denn die Lizenzgebühren sich leisten?
Eilert: Unser Produzent war Berliner ...
Karkowsky: Horst Wendtland ...
Eilert: ... und als alter Berliner hat er gesagt, "die kriejen dett umsonst", und davon haben wir zwar nichts gehabt, aber es war doch schön zu wissen, dass mehr als fünf Millionen Leute ihn in der damaligen DDR gesehen haben und auch ihren Spaß dran haben konnten. Mit einer kleinen Kürzung: Ich glaube, ein Flugzeug sollte nach Kuba entführt werden im Original, also, aus Kuba wurde dann irgendetwas anderes.
Karkowsky: Sie waren auch da beim Drehbuch dabei. War Ihnen das nicht manchmal unheimlich, Teil der kommerziellen Marke "Otto" zu sein?
Eilert: Ich muss sagen, dass das heutzutage wesentlich genauer verfolgt wird, der kommerzielle Erfolg. Für uns war das damals eigentlich nur so, dass wir selber den Film mal im Kino sehen wollten und nicht rein kamen, weil die Vorstellung für die nächsten Tage ausverkauft war. Und ansonsten, diese Hitlisten und diese Charts wurden noch gar nicht so geführt. Wir haben uns natürlich gefreut, wenn irgendetwas auf unser Konto überwiesen wurde, aber so genau hat man das gar nicht registriert.
Das war nie so der Gradmesser. Ich denke auch, Erfolg und Qualität sind ja nicht unbedingt identisch oder stehen nicht unbedingt in einem normalen Verhältnis zueinander. Und insofern haben wir darauf eigentlich nicht so geschaut.
Karkowsky: Das werden auch die Kritiker sagen der "Sieben-Zwerge-Filme". Da sind Sie ja mittlerweile wieder ganz oben in den Kinohitlisten. Hat deren Humor noch was zu tun mit der Anarchosatire dieser Gruppe, die sich selbst "Neue Frankfurter Schule" genannt hat?
Eilert: Eine ganze Menge, glaube ich! Also ich glaube, dass das Anarchistische dieser Figuren sich schon vermittelt. Also eine Form von Ignoranz hat ja durchaus auch was Anarchistisches. Und ich denke, dass gerade bei den "Sieben Zwergen" dieser Geist wieder aufgelebt ist. Und sonst hätten wir das, glaube ich, auch gar nicht gemacht, weil wir wollten das schon viel länger machen, und da kein Produzent das finanzieren wollte, haben wir uns nun selber entschlossen, das irgendwie durchzuboxen.
Karkowsky: Der Komiker Otto Waalkes wird heute 65 Jahre alt. Sie hörten seinen langjährigen Gagschreiber und Drehbuchautoren Bernd Eilert. Herr Eilert, danke für das Gespräch!
Eilert: Ja, ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Als Gagautor mitverantwortlich für Ottos großen Erfolg, vor allem im Kino, ist seit 40 Jahren der Satiriker und Drehbuchschreiber Bernd Eilert. Er ist Mitbegründer der Satirezeitschrift "Titanic". Herr Eilert, guten Morgen!
Bernd Eilert: Ja, guten Morgen!
Karkowsky: Haben Sie denn Otto schon angerufen heute und gratuliert?
Eilert: Nee, ich hab ihm eine SMS geschickt, da er gerade im Ausland weilt, und ich wollte ihn nicht so früh stören. Normalerweise sind wie beide keine solchen Frühaufsteher.
Karkowsky: Ja, mit SMS hätten Sie ihn ja auch wecken können.
Eilert: Kann ich das? Na, das ist ja gut, dann wird er sich ja gleich ärgern. Fängt der Geburtstag gut an.
Karkowsky: Herr Eilert, Sie kennen Otto Waalkes so lange jetzt schon. Stimmt die Geschichte, dass Ihre Freundschaft mit geistigem Diebstahl ihren Anfang nahm?
Eilert: Geistigen Diebstahl gab es damals nicht. Es war alles frei flottierend. Es waren die frühen 70er-Jahre und mit dem geistigen Eigentum ging man im brechtschen Sinne lax um und Otto bediente sich zum Teil eben aus einer Nonsensbeilage, die in der Zeitschrift "Pardon" damals erschien, regelmäßig jeden Monat, die hieß "Welt im Spiegel - WimS", und da hat er sich ein paar der hübschesten Sachen herausgenommen.
Und dann haben wir uns getroffen, mal darüber gesprochen, und er sagte, wenn wir noch mehr davon haben, würde er sehr gerne sich daran bedienen können. Und wir waren damals Robert Gernhardt, Peter Knorr und ich, und haben sein Angebot gern angenommen.
Karkowsky: Gernhardt, Knorr und Sie, die "GEK-Gruppe", GEK als Abkürzung für "Gernhardt, Eilert, Knorr" - Sie haben Radiocomedys produziert für den Hessischen Rundfunk. Wie passte das eigentlich zusammen, diese doch ziemlich links-intellektuellen Satiriker und der Blödelbarde aus Ostfriesland?
Eilert: Ja, das hat uns auch gewundert, dass das zusammenpasste, weil normalerweise waren wir immer davon ausgegangen, da wir sehr private und sehr auf Minderheiten eigentlich affine Scherze gemacht haben, dass das gar nicht zusammenpassen könnte. Aber es hat sich herausgestellt, dass die komische Kraft so groß war, dass das plötzlich auch für ein Massenpublikum interessant wurde, und die Leute haben sich gut amüsiert darüber, obwohl ihnen, glaube ich, diese Art von Nonsens ziemlich neu war.
Karkowsky: Wissen Sie noch, welche Ihrer Gags Otto damals - ich nenn das jetzt mal - sich ausgeliehen und für sein Bühnenprogramm verwendet hatte?
Eilert: Ich weiß nur, dass es unter anderem ein Gernhardt-Gedicht war, "Lieber Gott, gib es zu, dass ich klüger bin als du" und so weiter. Und das hat ihm, glaube ich, gut gefallen, weil er kommt ja aus einer sehr strenggläubigen ostfriesischen Familie. In Ostfriesland glaubt man noch sehr calvinistisch, und ich nehme an, das hat ihm auch diebischen Spaß gemacht, die Reaktion seiner Mutter zu beobachten, die wahrscheinlich - nee, bekreuzt hat man sich da ja nicht - aber zumindest ein geistiges Kreuz geschlagen hat.
Karkowsky: Wir hören mal einen Sketch aus dem Jahr 1974, wo auch Robert Gernhardt mitgeschrieben hat, "Fernsehen und Familie".
Otto Waalkes: Meine Damen und Herren, ich spiele jetzt ein Lied vom Fernsehen mit dem Titel "Willst du dir den Tag versauen, musst du Dalli-Dalli schauen" oder, oder "Wer Kuli liebt und Frankenfeld, der hat ein Recht auf Krankengeld". Und das handelt auch vom Fernsehen, und vorm Fernsehen sitzt ein älteres Ehepaar, und da sagt er "Hast du was gesagt?" und sagt sie "Nee, das war gestern. Untertitel: "Mutti, Mutti, mir wird schwindelig! - Och, das ist doch nicht so schlimm, das ist doch erst der Vorwaschgang."
Karkowsky: Also politisch nicht korrekt, kann man sagen, aber ist das überhaupt politisch, oder waren es einfach nur lustige Sachen?
Eilert: Nein, politisch war das hier nicht, das hatte eher nostalgische Reize, auch jetzt hat es die, weil die Namen, die dort genannt werden, sind nicht mehr so aktuell, aber offensichtlich war es auch der schöne Reim, der viel dazu beigetragen hat, und auch Robert Gernhardt war ja ein großer Lyriker, dass ein Publikum das lustig fand. Das hat man ja schon bei Heinz Erhardt gesehen, dass gewisse subversivere Formen der Komik auch mittels Reim transportiert werden können.
Karkowsky: Stimmt das eigentlich, dass sich Otto auch bei Heinz Erhardt immer relativ frei bedient hat, und natürlich bei dem großen amerikanischen Komiker Woody Allen?
Eilert: Also bei Woody Allen, da gibt es, glaube ich, einige Parallelen, wobei Woody Allen auch frei flottierende Sachen benutzt hat. Er hat zum Beispiel auch mal sich bei uns bedient. Also, das war nicht so virulent, aber - bei Heinz Erhardt, das war sicher für uns beide, Otto und mich, ein Vorbild, weil Heinz Erhardt war damals so das, worauf man wartete, wenn einer dieser unsäglichen bunten Abende mit Schlager- und Operettenmusik lief, dann kamen fünf bis zehn Minuten Heinz Erhardt. Und das war immer unser Trost, darauf haben wir gewartet und haben uns darüber wahnsinnig amüsiert.
Karkowsky: Und dieser Spruch, den man heute zum Teil auch Otto zuschreibt, "Einen habe ich noch" - das war eigentlich Heinz Erhardt, nicht?
Eilert: Das kam auch von Heinz Erhardt, ja. Das war seine Art, noch ein Gedicht anzukündigen.
Karkowsky: Nun waren der mittlerweile verstorbene Robert Gernhardt und Pit Knorr, die waren zehn Jahre älter als Otto. Und Sie, Sie waren da als gebürtiger Oldenburger, ja auch der einzige Norddeutsche des Trios. Hat Ihnen das zu Anfang das einfacher gemacht zu verstehen, wie dieser Otto tickt?
Eilert: Am Anfang war das gar nicht so die Frage. Ich glaube, am Anfang waren wir mit dem Zeitgeist einfach ziemlich synchron. Später hat das vielleicht dazu beigetragen, dass wir - siehe Heinz Erhardt - so die gleiche Sozialisation durchgemacht haben und uns relativ schnell auch über Popmusik und so was verständigen konnten. Weil Otto ist ja nebenbei auch ein ganz guter Gitarrist.
Karkowsky: Sie hören Bernd Eilert. Bernd Eilert gehört zu dem GEK-Kollektiv, das für Otto viele, viele, viele Gags, Bücher und Filme mit geschrieben hat neben Pit Knorr und Robert Gernhardt. Herr Eilert, wie schreibt man im Kollektiv Gags, und dann auch noch für einen anderen? Wie läuft das ab?
Eilert: Na ja, der andere war ja häufig dabei. Das hat es schon mal erleichtert.
Karkowsky: Also ein Quartett eigentlich.
Eilert: Ja, wenn der andere gelacht hat oder wenn überhaupt jemand gelacht hat, war es schon mal eine Referenz dafür, dass es nicht ganz unkomisch ist und dass dieser Ansatz weiterverfolgt werden könnte. Wir haben uns einfach zusammengesetzt und haben uns die Zeit genommen, so lange miteinander zu reden, bis am Ende des Tages irgendetwas herausgekommen ist, was man auf der Bühne oder im Film ausprobieren konnte. Und so hatten wir eigentlich unseren Spaß bei der Arbeit. Und das ist, glaube ich, auch ziemlich wichtig. Also ich glaube, es ist wesentlich schwieriger, alleine Gags und lustige Sachen zu schreiben, als wenn man die Unterstützung von Freunden hat.
Karkowsky: Und dann hatten Sie ein Diktiergerät laufen oder einen Sekretär, der mit stenografiert hat?
Eilert: Wir hatten 14 Sekretärinnen. Nein, einer von uns hat meistens die etwas ungeliebte Aufgabe gehabt, sich Notizen zu machen. Und der musste dann bis zum nächsten Tag versuchen, aus diesen Notizen, die er zum Teil selber nicht mehr lesen oder verstehen konnte, etwas halbwegs Sinnvolles, präsentieren, und so hat sich das dann so fortentwickelt. Den anderen fiel dann, zumindest auch bei falsch überlieferten Notizen, wieder ein, wie es eigentlich gemeint war, und so sind wir Schritt für Schritt weitergekommen.
Karkowsky: Und diese Gags nachzuerzählen, ist gar nicht so einfach. Wenn man das mal versucht, zum Beispiel der mit dem Föhn - Hallo Susi! Ah, wer spricht da? Dein Föhn. Mein Föhn kann sprechen! - dann wirkt das nicht komisch, das wirkt nur komisch, wenn Otto das macht. Was ist sein Geheimnis?
Eilert: Sein Geheimnis ist neben seinen artistischen Fähigkeiten, also in dem Fall zum Beispiel, dass er extreme Stimmlagen sehr gut rüberbringen kann, ist natürlich eine Gabe, die man schwer definieren kann, die sich am stärksten vor Publikum zeigt. So eine Art seismografischer Aufnahme von Publikumsschwingungen, die er dann sofort wieder in Tempoverschärfungen oder Tempoverschleppungen, in Pausen, in Blicke oder so umsetzen kann. Und das ist etwas, was keiner von uns konnte, sonst hätten wir ja auch selbst mit diesen Gags Karriere machen können. Aber wir können höchstens kleine Säle belustigen mit diesen Texten.
Karkowsky: Otto ist sehr erfolgreich damit gewesen. Er ist auch ein Marketingphänomen. Es gab erst "Otto - die Platte", die zweite, die dritte und so weiter. Es gab "Das Buch", da hatten Sie auch einen wesentlichen Anteil dran. Die Fernsehshow und schließlich "Den Film", 1985. Ich durfte lesen: "Bis heute der erfolgreichste deutsche Kinofilm aller Zeiten".
Eilert: Ja, zumindest, wenn man davon ausgeht, dass jetzt die neu eingetretenen Länder - neu kann man ja schon nicht mehr sagen, ist ja auch schon wieder fast 25 Jahre her -, aber er ist eben auch in der damaligen DDR gelaufen und hat auch dafür gesorgt, dass Otto in diesen Bundesländern genauso oder fast noch populärer wurde als in der damaligen westlichen BRD.
Karkowsky: Konnte die DDR denn die Lizenzgebühren sich leisten?
Eilert: Unser Produzent war Berliner ...
Karkowsky: Horst Wendtland ...
Eilert: ... und als alter Berliner hat er gesagt, "die kriejen dett umsonst", und davon haben wir zwar nichts gehabt, aber es war doch schön zu wissen, dass mehr als fünf Millionen Leute ihn in der damaligen DDR gesehen haben und auch ihren Spaß dran haben konnten. Mit einer kleinen Kürzung: Ich glaube, ein Flugzeug sollte nach Kuba entführt werden im Original, also, aus Kuba wurde dann irgendetwas anderes.
Karkowsky: Sie waren auch da beim Drehbuch dabei. War Ihnen das nicht manchmal unheimlich, Teil der kommerziellen Marke "Otto" zu sein?
Eilert: Ich muss sagen, dass das heutzutage wesentlich genauer verfolgt wird, der kommerzielle Erfolg. Für uns war das damals eigentlich nur so, dass wir selber den Film mal im Kino sehen wollten und nicht rein kamen, weil die Vorstellung für die nächsten Tage ausverkauft war. Und ansonsten, diese Hitlisten und diese Charts wurden noch gar nicht so geführt. Wir haben uns natürlich gefreut, wenn irgendetwas auf unser Konto überwiesen wurde, aber so genau hat man das gar nicht registriert.
Das war nie so der Gradmesser. Ich denke auch, Erfolg und Qualität sind ja nicht unbedingt identisch oder stehen nicht unbedingt in einem normalen Verhältnis zueinander. Und insofern haben wir darauf eigentlich nicht so geschaut.
Karkowsky: Das werden auch die Kritiker sagen der "Sieben-Zwerge-Filme". Da sind Sie ja mittlerweile wieder ganz oben in den Kinohitlisten. Hat deren Humor noch was zu tun mit der Anarchosatire dieser Gruppe, die sich selbst "Neue Frankfurter Schule" genannt hat?
Eilert: Eine ganze Menge, glaube ich! Also ich glaube, dass das Anarchistische dieser Figuren sich schon vermittelt. Also eine Form von Ignoranz hat ja durchaus auch was Anarchistisches. Und ich denke, dass gerade bei den "Sieben Zwergen" dieser Geist wieder aufgelebt ist. Und sonst hätten wir das, glaube ich, auch gar nicht gemacht, weil wir wollten das schon viel länger machen, und da kein Produzent das finanzieren wollte, haben wir uns nun selber entschlossen, das irgendwie durchzuboxen.
Karkowsky: Der Komiker Otto Waalkes wird heute 65 Jahre alt. Sie hörten seinen langjährigen Gagschreiber und Drehbuchautoren Bernd Eilert. Herr Eilert, danke für das Gespräch!
Eilert: Ja, ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.