Nora Eckerts transsexuelles Leben

"Ich wollte nicht mit dem Exotikstempel rumlaufen"

13:34 Minuten
Eine Frau jenseits der 60 mit weißen hochgesteckten Haaren. Die Augenbrauen sind gezupft und mit einem auffällig dunkelbraunen Strich nachgezogen. Augen und Lippen sind geschminkt. Die Person trägt Ohrklipse und ein blau-weißes Ringelshirt.
Nora Eckert konnte als Transfrau in den 70ern nur in Bars arbeiten. "Wir waren von der freien Berufswahl im Grunde ausgeschlossen", sagt sie. © Hassan Taheri
Nora Eckart im Gespräch mit Joachim Scholl |
Audio herunterladen
Als Transfrau in den 70ern bleibt Nora Eckert nur das Nachtleben zum Geldverdienen. "Es war fantastisch." Doch sie will wieder einen sozialversicherungspflichtigen Job. In "Wie alle, nur anders" geht es auch um ihren Wunsch nach Bürgerlichkeit.
Aus der Provinz nach West-Berlin und dort hinein ins Nachtleben. Die 70er sind für Nora Eckert eine Zeit des Aufbruchs, raus aus einem biederen Job in die Freiheit der Großstadt mit ihren ganz anderen Möglichkeiten. Damals denkt sie noch, sie sei ein schwuler Mann, entdeckt dann aber ihre Identität als Frau.
1976 beginnt Eckert einen Job als Garderobiere im legendären Travestieclub "Chez Romy Haag" in Schöneberg. Es ist die Zeit, als dort Gäste wie David Bowie, Bryan Ferry oder Lou Reed ein- und ausgehen.
"Das war ein fantastischer Job. Das war vor allem ein Job, der mir die Möglichkeit bot, mitten in der Trans-Community West-Berlins zu sein", sagt die Transfrau, die soeben ihre Biografie unter dem Titel "Wie alle, nur anders" veröffentlicht hat.
Es war allerdings auch die einzige Möglichkeit, überhaupt irgendwo Geld zu verdienen und zu existieren.
"Es gab keine anderen Berufsmöglichkeiten, da wir in den 70er-Jahren keine Namens- und Personenstandsänderungen machen konnten. Das heißt, wir waren von der freien Berufswahl im Grunde ausgeschlossen", erinnert sich Eckert.

Vom Nachtleben ins Tagleben

Erst als 1981 das Transsexuellengesetz in Kraft tritt, hat sie die Möglichkeit, sich als Frau zu bewerben. Eckert verlässt das Nachtleben und wechselt ins "Tagleben", macht eine Umschulung zur Stenokontoristin, will zurück in ein bürgerliches Leben. Bis zum Abschied in die Rente outet sie sich nicht.
"Ich wollte einfach nicht die tolerierte Ausnahme sein. Ich wollte einfach nicht mit diesem Exotikstempel rumlaufen."
Heute gebe es eine enorme Bandbreite an Lebensmöglichkeiten. Man könne leben, was man leben muss und leben will. Das sei "fantastisch".
"Ich find’s faszinierend. Es ist für mich mitunter verwirrend oder auch ein Lernprozess geworden, Menschen auf richtige Art zu erkennen, anzusprechen und ihnen gerecht zu werden", meint die Transfrau.
(huc)

Nora Eckert: Wie alle, nur anders. Ein transsexuelles Leben in Berlin
C.H. Beck, München 2021
208 Seiten, mit 17 Abbildungen, 17,99 Euro

Mehr zum Thema