Norah Jones: "Day Breaks"

"Das jazzigste Album, das ich je gemacht habe"

Norah Jones bei einem Konzert in Montevideo 2012.
Norah Jones bei einem Konzert in Montevideo 2012. © picture alliance / dpa / Ivan Franco
Norah Jones im Gespräch mit Carsten Beyer |
Für ihr neues Album "Day Breaks" hat Norah Jones mit großartigen Jazz-Veteranen zusammengearbeitet, etwa mit dem Saxofonisten Wayne Shorter. Es habe sich toll angefühlt, mit ihm zusammen Musik zu machen, sagt die Sängerin. Auch ihre Freude am Klavierspiel ist nun zurückgekehrt.
Carsten Beyer: Ich habe Norah Jones in der vergangenen Woche in einem Berliner Hotel zum Interview getroffen. Und ich habe sie zunächst gefragt, ob das neue Album ein besonders Optimistisches geworden ist, denn mit dem Tagesanbruch verbinden die meisten Menschen ja doch etwas Positives – einen neuen Aufbruch…
Norah Jones: Hm, nicht unbedingt. Ich glaube nicht, dass es ein optimistisches Album ist, aber auch kein deprimierendes. Es geht einfach um das Leben. Die Musik ist angenehm und das ist gut.
Carsten Beyer: Was mir aufgefallen ist, es ist auf jeden Fall ein sehr kurzweiliges Album. Es sind 12 Songs darauf, alle so drei, vier, fünf Minuten. Trotzdem hatte ich beim Hören den Eindruck, das geht unheimlich schnell vorbei. War das auch der Anspruch, das man versucht, etwas zu schaffen, was unterhaltsam ist?
Norah Jones: Unterhaltsam? Nein, ich denke, dass wenn man Musik macht, es wohltuend fürs Ohr sein sollte, auch wenn es ein trauriger Song ist. Ich will Musik machen, die ich selber gerne immer wieder hören will. Ich hoffe, meine Hörer fühlen das gleiche! Mir sagen einige Leute, dass die Musik glücklich klingt, aber die Texte sind es nicht. Jeder hört meine Musik anders.

Songs mit Bezug zu Zeitereignissen

Carsten Beyer: Ist das vielleicht auch eine Reaktion auf die Zeit, in der wir leben? Die Zeiten sind ja nun nicht ganz einfache. Es gibt den Krieg in Syrien, es gibt die vielen Flüchtlinge, es gibt den Aufstieg des Populismus überall auf der Welt. Sind das auch Themen, die Sie bewegt haben, beim Schreiben der Songs?
Norah Jones: Ich war mir der derzeitigen Zeit sehr bewusst, als ich meine Texte geschrieben habe. Die Dinge, die Sie gerade erwähnt haben, kommen nicht unbedingt in meinen Songs vor – aber natürlich, es passiert gerade so viel! Ich schaue die Nachrichten und verinnerliche eine Menge Frustration und Trauer. Und das kommt natürlich ans Licht, wenn ich Songs schreibe.
Carsten Beyer: Bei Ihnen privat hat sich auch einiges verändert, allerdings eher zum Positiven: Ihre letzten beiden Alben "The Fall" und "Little Broken Hearts" handelten von schmerzhaften Trennungen; jetzt sind Sie aber wieder glücklich liiert, sind gerade zum zweiten Mal Mutter geworden. Inwieweit fließt das in Ihre Songs mit ein?
Norah Jones: Ich weiß es nicht, es ist schwer mein privates Leben von meinem musikalischen zu trennen. Aber trotzdem kann ich nicht auf einen Song zeigen und sagen, dass er von dieser oder jener Person handelt oder eine bestimmte Geschichte aus meinem Leben erzählt. Das vermischt sich irgendwie alles. Es gibt viele persönliche Bezüge und viel worüber ich nachdenke. Alles zusammen ergibt dann die Geschichte.

"Ich schreibe einfach überall - auch in der Küche"

Carsten Beyer: Auf jeden Fall hat das Familienleben ganz praktische Auswirkungen auf ihr Songwriting. Ich habe gelesen, die meisten Stücke für das neue Album haben Sie auf einem Klavier in ihrer Küche komponiert…
Norah Jones: Das ist nicht ganz wahr. Aber ich hab einen Song auf dem Klavier in meiner Küche geschrieben. Ich schreibe einfach überall - das war schon immer so.
Carsten Beyer: Norah Jones, Sie haben früher mal Jazzpiano studiert, als sie noch Musikstudentin waren in Texas. Trotzdem haben Sie in Interviews immer gesagt, Sie seien keine Jazzmusikerin. Sehen sie das immer noch so? Ich meine, diese neue Platte "Day Breaks", die klingt doch sehr jazzig…
Norah Jones: Ich sehe mich als Jazzmusikerin. Was ich aber normalerweise sage ist, dass ich meine Alben nicht als Jazzalben sehe. Sogar mein erstes Album, das ist kein Jazz Album. Es enthält viele einfache Gitarren-Songs, kaum Jazz-Akkorde. Aber trotzdem beeinflusst mich diese Musik. Und im Herzen bin ich eine Jazzmusikerin. Dieses Album ist wohl das jazzigste, das ich je gemacht habe.
Norah Jones, "Day Breaks", Jazz-Musik
Die Sängerin Norah Jones und Carsten Beyer von Deutschlandradio Kultur © Foto: Deutschlandradio Kultur
Carsten Beyer: Sie haben schon ihr Debüt-Album angesprochen, damit haben sie ja 2002 Ihren Durchbruch gefeiert und tatsächlich sagen ja viele Kritiker, dieses neue Album "Day Breaks" ist eine Rückkehr zu diesen Wurzeln oder zu diesen ersten Erfolgen. Haben Sie überhaupt darüber nachgedacht, als sie es geschrieben haben?
Norah Jones: Ich hatte nicht vor zu meinem ersten Album zurückzukehren. Ich wollte einfach nur mit bestimmten Musikern zusammenarbeiten und viel Klavier spielen. Dass das nach meinem ersten Album klingt, war eher Zufall.

"Es geht um den Spirit" - die Zusammenarbeit mit Wayne Shorter

Carsten Beyer: Unterstützt werden sie auf den insgesamt 12 Songs von einer großartigen Band von Jazz-Veteranen, unter anderem ist der Saxofonist Wayne Shorter mit dabei: 83 ist der mittlerweile – wie ist das mit einer solchen Legende zusammen Musik zu machen? Da liegen ja mindestens zwei Generationen dazwischen…
Norah Jones: Es ist toll! Er ist unglaublich. Ich konnte mit vielen Leuten dieser Generation spielen, mit vielen meiner Helden. Das macht einfach immer Spaß, weil sie sich noch immer so für Musik begeistern. Wayne Shorter denkt nicht an Noten, er denkt nicht über Technik nach, er fühlt sich in die Musik herein und spürt die Emotionen. Das ist das Ziel! Als junger Musiker denkt man nur daran, wie man etwas spielt. Den alten Musikern geht es darum, wie sie etwas rüberbringen. Es geht um den Spirit und nicht um den technischen Aspekt!
Carsten Beyer: Sie und Wayne Shorter solieren ja auch gemeinsam. Er am Saxofon, sie am Klavier. Wie war das, war das eine Ermutigung mit so jemand zusammen zu spielen oder ist das so, dass man sich eher ein bisschen nervös ist davor?
Norah Jones: Ich war super aufgeregt, als ich mit Wayne Klavier gespielt habe. Als ich darüber nachgedacht habe, hat mich das sehr nervös gemacht. Aber als ich nicht mehr darüber nachgedacht habe, haben wir einfach zusammen Musik gemacht und das hat sich toll angefühlt. Manchmal sind die Gedanken im Weg, aber wenn man die ausstellt, ist es einfach sehr gut.

"Ich sehe mich nicht als politische Songwriterin"

Carsten Beyer: Norah Jones, ich möchte nochmal zurückkommen auf ihre Texte – die sind zum Teil sehr persönlich, manchmal gehen sie aber auch darüber hinaus, bei dem Stück "Flipside" beispielsweise, da beschweren sie sich über den Verlust der bürgerlichen Freiheiten in ihrem Land. Inwieweit verstehen sie sich auch als politische Songwriterin?
Norah Jones: Ich sehe mich selbst nicht als politische Songwriterin. Ich möchte mich aber auch nicht einschränken. Wenn etwas aus mir rauskommt, dann ist das so. Ich glaube, wenn ich versuchen würde einen politischen Song zu schreiben, würde das gekünstelt wirken. Aber wenn du etwas wirklich fühlst, dich etwas frustriert oder wirklich bewegt, und dann die Worte auf einer natürlichen Art und Weise herauskommen, dann ist das der beste Weg und das ist bei diesem Song passiert.
Carsten Beyer: Wenn wir jetzt mal bei diesem Song "Flipside" bleiben: Können Sie sich noch erinnern, wann sie den geschrieben haben und was da so konkret, sich in Ihrem Kopf abgespielt hat?
Norah Jones: Ich habe Nachrichten gesehen. Und ich habe den Song "Compared to What" von Les McCann und Eddie Harris angehört. Es ist ein bekannter Song, der schon oft gecovert wurde. Aber diese spezielle Version ist so lebendig und man will einfach nur tanzen, der Text ist aber traurig und wütend. Der Inhalt ist noch heute relevant. Dieser Song und die aktuellen Nachrichten haben mich inspiriert. Ich habe "Flipside" über viele Monate hinweg geschrieben. Ich bin immer wieder auf dem Song zurückgekommen und habe einen neuen Teil geschrieben. Ich habe nicht über ein bestimmtes Ereignis, sondern über viele geschrieben.

Norah Jones: Day Breaks
Blue Note Records / Universal Music

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