Hören Sie das Interview mit Norbert Häring in unserer Sendung "Lesart" am Samstag, den 12. März 2016 ab 11:05 Uhr.
Bargeldlos in die totale Überwachung
Banken und Finanzindustrie wollen gemeinsam mit den Notenbanken das Bargeld abschaffen, sagt der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring. Das Ziel sei es, jeden einzelnen Kunden und Bürger besser kontrollieren und überwachen zu können – und noch mehr an ihm zu verdienen.
In seinem Buch "Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen" lässt Norbert Häring keinen Zweifel daran: Die internationale Finanzindustrie führe einen "Krieg gegen das Bargeld" an, er sieht "Fronlinien" und "Kämpfer" und eine "Verschwörung". Zu dick aufgetragen? Nein, sagt er im Lesart-Gespräch: Im Bargeld liege eine Gefahr für Banken, "weil sie versprochen haben, das Buchgeld, das sie uns geben, jederzeit in Bargeld auszuzahlen. Aber sie haben nicht genug davon. Das reicht nur für gute Zeiten." Mit Blick auf die andauernde Finanzkrise sagt Häring: "Wenn die Menschen Zweifel an den Banken bekommen und massenhaft ihr Geld sehen wollen, ist nicht genug da und die Banken sind sofort pleite." Wenn das Bargeld erst einmal abgeschafft sei, könnten die Banken "sehr viel ungenierter spekulieren als bisher." Die Kunden und ihr Geld würden in der Krise schlicht eingesperrt.
Transaktionen verraten so gut wie alles über uns
Für Notenbanken sei die Abschaffung des Bargelds reizvoll, schreibt Häring, weil sie dann selbst Negativzinsen problemlos durchsetzen könnten. Und für Regierungen und staatliche Geheimdienste schaffe eine bargeldlose Zeit perfekte Überwachungsmöglichkeiten. Jede elektronische Zahlung hinterlasse eine Datenspur, die gesammelt und ausgewertet würde. "Es gibt sogenannte Daten-Aggregatoren, die kaufen aus den verschiedensten Quellen diese Daten ein und legen Dossiers über uns an." Ein Blick in diese Daten verrate "so gut wie alles über jeden von uns."
Ende des Bargelds vergrößert Macht des Staates
Ohne Bargeld hätten Staaten zudem eine große erpresserische Macht, warnt Häring. Er verweist auf das Beispiel Wikileaks, die als internationale Organisation kein Bargeld nutzen könnten: "Die US-Regierung hat das genutzt und die Zahlungsverkehrsdienstleister – die alle in den USA sind, also Kreditkartenfirmen und PayPal – ohne jede gesetzliche Grundlage gebeten: Bitte wickelt den Zahlungsverkehr von Wikileaks nicht mehr ab. Und dann konnte Wikileaks keine Spenden mehr bekommen."
Häring empfiehlt jedem, der das Bargeld erhalten wolle, möglichst oft bar zu zahlen. "Auch wenn man ein Fahrrad kauft oder eine Waschmaschine, ruhig vorher zum Geldautomaten gehen und bar zahlen." Nur so lasse sich verhindern, was bereits begonnen habe: "Dass jeder, der ein bisschen höhere Beträge bar bezahlt schon in den Geruch kommt, etwas Unanständiges zu tun."
Norbert Häring: Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen. Der Weg in die totale Kontrolle
Quadriga Verlag Köln, März 2016
256 Seiten, 18 Euro auch als E-Book