Norbert Scheuer: Winterbienen.
Roman. C.H. Beck, München 2019
320 Seiten, 22 Euro
Über der Eifel kreisen Bienen und Bomber
06:35 Minuten
Es summt und brummt in der Literatur: Bei Norbert Scheuer bilden Insekten den Gegensatz zum Menschen. Hier friedliche Bienen, da Flugbewegungen der Bomber im Jahr 1944. Der gelungene Roman spielt in der Eifel – und in einem Bienenjahr.
Kall in der Eifel, das Flüsschen Urft und das "Urftland" sind längst zur literarischen Landschaft geworden – wie das Mecklenburg Uwe Johnsons, der Bodensee Martin Walsers oder die kaschubischen Rübenäcker von Günter Grass. In der Eifel ist Norbert Scheuer zu Hause. Kall ist der Mittelpunkt seiner Welt – und die ist wirklich groß. Das gilt auch für den neuen Roman "Winterbienen", mit dem Scheuer die Zeit des Zweiten Weltkrieges erkundet.
Als Ich-Erzähler fungiert der Tagebuchschreiber Egidius Arimond, ein ehemaliger Gymnasiallehrer, der von seinem Vater die Bienenzucht übernommen hat und seinen Lebensunterhalt mit Honig- und Wachsprodukten bestreitet. Das Tagebuch setzt im Januar 1944 ein und reicht bis in die Wochen nach dem Ende des Kriegs im Mai 1945. Etwas mehr als ein Bienenjahr wird so durchmessen, Teil eines ewigen Zyklus der Vermehrung, des Schwärmens, Sammelns und Überwinterns.
Als Ich-Erzähler fungiert der Tagebuchschreiber Egidius Arimond, ein ehemaliger Gymnasiallehrer, der von seinem Vater die Bienenzucht übernommen hat und seinen Lebensunterhalt mit Honig- und Wachsprodukten bestreitet. Das Tagebuch setzt im Januar 1944 ein und reicht bis in die Wochen nach dem Ende des Kriegs im Mai 1945. Etwas mehr als ein Bienenjahr wird so durchmessen, Teil eines ewigen Zyklus der Vermehrung, des Schwärmens, Sammelns und Überwinterns.
Doch dieser zyklische Zeit der Bienen steht die lineare historische Zeit entgegen, in der es nicht um Dauer, sondern um Zerstörung geht. Zusätzlich erzählt der Tagebuchschreiber die Geschichte eines seiner Vorfahren aus dem 15. Jahrhundert, der als Mönch die Bienen in die Gegend brachte, das Kloster aber verlassen musste, weil er sich in ein Bauernmädchen verliebte.
Verschiedene Lebensbereiche, schwer vereinbar
Dabei ist dieser Egidius Arimond selbst vielfach gefährdet. Als Epileptiker benötigt er Medikamente, die zu beschaffen im Krieg immer schwerer wird. Schönen Frauen kann er nicht widerstehen, er ist süchtig nach Erotik – und beginnt ausgerechnet mit der Frau des NS-Kreisleiters eine Affäre.
Das ist schon deshalb prekär, weil er insgeheim als Fluchthelfer agiert und Juden über die belgische Grenze hilft. Um sie dorthin zu bringen, versteckt er sie in eigens präparierten Bienenkörben inmitten der Bienen. Es ist leicht zu ahnen, dass sich die verschiedenen Bereiche seiner Existenz nur schwer vereinen lassen.
Die Eifel wurde lange Zeit vom Krieg verschont, von Bombern lediglich überflogen, die Köln und andere Städte als Ziel hatten. Mit dem Absturz einer Mitchell B-25, dem toten Piloten und einem vermissten amerikanischen Soldaten setzen die Aufzeichnungen des Imkers ein. Auch sein Bruder ist Pilot und so stehen den friedlichen Bienen die Flugbewegungen der Bomber gegenüber, der zerstörerischen Technik die bedrohte, schützende Natur.
Die Eifel wurde lange Zeit vom Krieg verschont, von Bombern lediglich überflogen, die Köln und andere Städte als Ziel hatten. Mit dem Absturz einer Mitchell B-25, dem toten Piloten und einem vermissten amerikanischen Soldaten setzen die Aufzeichnungen des Imkers ein. Auch sein Bruder ist Pilot und so stehen den friedlichen Bienen die Flugbewegungen der Bomber gegenüber, der zerstörerischen Technik die bedrohte, schützende Natur.
Scheuer stellt diesen Antagonismus aber an keiner Stelle aus. Er setzt keine demonstrativen Symbole, sondern vertraut ganz dem Stoff und seiner klaren, einfachen, niemals aufdringlichen Sprache, die dem Tagebuchschreiber ganz und gar angemessen ist. In den Reflexionen über Bienen, Organismen, Staatenbildung findet er immer wieder zu einer bestechenden Schönheit. Dazu gibt es dreizehn kleine Illustrationen verschiedener Flugzeugtypen, die der Sohn des Autors, Erasmus, gezeichnet hat.
Keine störende Beweisführung und Lust am Erklären
Scheuer bedient sich am Ende einer Herausgeberfiktion. Die Tagebücher habe ihm ein älterer Herrn in der Bäckerei von Kall überreicht. Angeblich rochen die Blätter nach Honig, und es lagen Flügel und Beine toter Bienen zwischen ihnen. Auch das tragische Ende des Erzählers lässt sich auf diese Weise erzählen, so dass das Tagebuch nicht einfach nur abbricht.
Scheuer schafft es, Geschichte aus dem Herzen der Provinz heraus unaufdringlich und wie nebenbei sichtbar zu machen. Man hat nie das Gefühl, dass er etwas erklären oder beweisen will. Er zeigt ein Leben, das über sich hinaus auf die Geschichte und auf die Natur als die Großeinheiten verweist, in denen es sich nun mal ereignet. Da der Roman voll im Bienentrend (nach Maja Lundes Bestseller) liegt, muss man sich um seinen Erfolg keine Sorgen machen.