Nordkorea

Die politische Sprengkraft der Skinny Jeans

06:04 Minuten
Aufsicht auf verkrumpelte Jeans zum reinsteigen.
Ein Symbol der kapitalistisch-westlichen Lebensweise? Nordkorea hat die Skinny Jeans verboten. © imago / fStop Images / Dejan
Vera Klocke im Gespräch mit Gesa Ufer |
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Nordkorea verbietet manche Haarschnitte, Piercings und Skinny Jeans als Ausdruck eines kapitalistischen Lebensstils. Für die Kulturwissenschaftlerin Vera Klocke keine Überraschung: Mode sei per Definition kapitalistisch und habe subversives Potenzial.
Nordkorea hat neue Modevorschriften erlassen, wie der britische Guardian berichtet: Das kommunistische Regime habe unter anderem Skinny Jeans, bestimmte Frisuren wie den Vokuhila und einige Körperpiercings als Symbole eines kapitalistischen Lebensstils verboten.
Unter anderem die hautenge Skinny Jeans werde als das materialisierte Feindbild des kapitalistischen Westens und der demokratischen Lebensform angesehen, sagt die Kulturwissenschaftlerin Vera Klocke, die den Podcast "Fashion the Gaze" betreibt.

Trends sind immer kapitalistisch

Mode sei per Definition kapitalistisch, betont Klocke: Da es Trends gebe und Sachen, die aus der Mode seien, müsse immer wieder neue Mode produziert werden.
"Das Verbot der Jeans ist gleichzusetzen mit einem Verbot der Suche nach Individualität", so die Kulturwissenschaftlerin. Es solle die kollektive Identität stärken und verhindern, dass Individuen sich durch das Tragen einer Jeans einem anderen Kulturkreis zuordnen.
Im Verbot des Vokuhilas, also eines Unisex-Haarschnitts, sieht sie die Angst vor einer Feminisierung, die traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit unterlaufe.

Abgrenzung durch Mode

"Hier kollidiert eben ein Regime mit den Vorstellungen der Jugend, für die Mode immer auch ein Definitionsmerkmal ist", sagt Klocke: Für jüngere Menschen sei sie wichtig, um die eigene Identität herauszubilden und zur Schau zu stellen. Bei Mode gehe es immer um Abgrenzung und Zugehörigkeit zugleich, also auch zur Gesellschaft.
Mode besitze daher ein großes subversives Potenzial, denn sie könne dazu führen, dass Menschen sich gegenseitig erkennen und so in Gruppen zusammenfinden. Das Verbot sei ein schwach anmutender Versuch, Kommunikation innerhalb der nordkoreanischen Gesellschaft zu unterbinden, findet die Kulturwissenschaftlerin:
"Das Paradoxe an diesem Verbot ist, dass es eine ideologische Ablehnung von Mode ist und gleichzeitig ein sehr großes Ernstnehmen des subversiven Potenzials von Mode."

Jeans als Auflehnung gegen den Sozialismus

Auch in der DDR sollte Kleidung bereits dazu dienen, das Gemeinschaftsgefühl unter den Jugendlichen zu stärken, berichtet Klocke. Diese sollte motivieren, Leistung für die Gesellschaft zu bringen, hatte also eine erzieherische Rolle.
Wichtig sei zudem gewesen, dass die Mode frei von US-amerikanischen Einflüssen war. Durch das Tragen von US-Lederjacken und Jeans zeigten Jugendliche daher ihre Ablehnung gegenüber dem sozialistischen Staat. Wer in Jeans zur Schule kam, wurde mitunter nach Hause geschickt.
(jfr)
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