Nordlicht trifft Metal-Rocker

Vorgestellt von Anke Leweke |
Der Dokumentarfilm "Full Metal Village" porträtiert das Dorf Wacken, in das schwer gepiercte und in schwarze Ledermontur gekleidete Rocker zu ihrem alljährlichen Heavy-Metal-Festival einfallen. "Beijing Bubbles" zeigt in einem nächtlichen Streifzug durch Peking die chinesische Rock- und Punkszene.
"Full Metal Village"
Deutschland 2006, Regie: Sung-Hyung Cho, Dokumentarfilm, 85 Minuten

Es ist ein achselzuckender Stoizismus, den sich die Bewohner des schleswig-holsteinischen Dorfes Wacken zwischen Arbeitslosigkeit und Landwirtschaftskrise zu eigen gemacht haben. In ihrem Dokumentarfilm"Full Metal Village" porträtiert Sung-Hyung Cho die verschiedenen Ausformungen dieses Lebensgefühls.

Ob die Regisseurin nun mit dem gewieften Mulitbauer Trede über Biogasanlagen spricht, sich zum Kaffeekränzchen-Tisch von Oma Irma gesellt oder deren 16-jähriger Enkelin Katrin beim Aerobic in einer umgebauten Scheune zuschaut, überall trifft sie auf Menschen, die aus jeder Situation ungerührt das Beste herausholen.

Und warum nicht auch aus einem Heavy-Metal-Gipfeltreffen? Alljährlich findet es auf den Wiesen ihres Dorfes statt. Wenn zehntausende von "Motörhead"- und "Kreator"-Fans mit Nietenhalsbändern, schwer gepierct und in schwarzer Ledermontur ins Dorf einfallen, kommt die pragmatische Seite des Wackener Stoizismus zum Vorschein. Flinke Hände schmieren im Akkord dicke Stullen mit Käse und Gürkchen, während der Supermarkt sein Sortiment auf die Nachfrage nach Bier und Dosenravioli reduziert. Beflissen weisen die Dörfler die aus allen Winkeln der Welt angereisten Gäste mit wenigen Brocken Englisch auf die Park- und Zeltplätze.

In diesen Momenten tritt die Kamera stets einen Schritt zurück. Denn in der Totalen findet die Gelassenheit, mit der die Wackener die Satansanhänger- und Headbanger-Gemeinde empfangen, ihren angemessen Rahmen. Tatsächlich begegnen sich vor dieser quasi ethnologischen Kamera nicht einfach nur zwei Welten, sondern zwei Stämme, Zivilisationen, Lebensformen.

"Beijing Bubbles - Punk and Rock in Chinas Capital"
Deutschland/China 2005, Regie: Susanne Messmer und George Lindt, Dokumentarfilm, 80 Minuten

Ein Streifzug durchs nächtliche Peking. Durch Undergroundclubs und Bars. Die beiden deutschen Regisseure begleiten fünf Bands der chinesischen Rock- und Punkszene. Natürlich geht es um ihre Musik. Aber auch um das, was sie mit ihr ausdrücken wollen. Ob sie nun auf der Bühne in guter, alter Punkmanier rumwüten, sich als wilde Rock ’n’ Roller gebärden oder traditionelle mongolische Musik zum Besten geben – allen porträtierten Musikern ist die Verweigerungshaltung gemeinsam.

Sie haben keine Lust ins Bild des aufstrebenden Chinas zu passen, sondern ziehen ein Leben am Rande der Konsumgesellschaft vor. Man sieht sie in ihren ärmlichen Wohnungen, bei Proben in schäbigen Garagen. "Beijing Bubble" zeigt ein Peking jenseits des offiziellen Bildes. Die neue Skyline mit ihren gigantischen Hochhäusern verschwindet hier in weiter Ferne im Bildhintergrund .