Nordrhein-Westfalen

Jäger schießen gegen neues Jagdgesetz

Jäger ziehen am 18.03.2015 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) vor den Landtag. Mehrere Tausend Jäger haben sich für einen Protestmarsch in Düsseldorf versammelt. Vor dem Landtag demonstrierten sie gegen das geplante neue Jagdrecht der rot-grünen Landesregierung.
Jäger ziehen am 18.03.2015 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) vor den Landtag © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Michael Frantzen |
Als "verfassungswidrig, antidemokratisch, unsolidarisch" bezeichnen 80.000 Jäger in Nordrhein-Westfalen das neue "ökologische Jagdrecht" der rot-grünen Landesregierung. Auf Demonstrationen in Düsseldorf und in der Provinz schreien sie lautstark ihren Waidmannsfrust heraus.
Mann: "Jutta'chen. Hallo! Warte, ich muss mit blasen."
Das hatten sich die Genossen auch anders vorgestellt – bei ihrem Treffen im Freischütz, dem idyllisch gelegenen Ausflugslokal am Rande von Schwerte. Es ist Mittwoch, kurz vor halb vier. Strahlender Sonnenschein. Perfekte Rahmenbedingungen also für die SPD Westliches Westfalen – wenn da nicht die Wut-Bürger wären – die grün gekleideten.
Dietrich Buschmann: "Ich krieg einfach nen dicken Hals, wenn ich immer sehe, dass man Tiere mit Menschen auf eine Stufe stellt. Tierschutz is ne wichtige Sache, aber Menschen stehen immer oben an erster Reihe."
Besonders, wenn sie Jäger sind und auf den Namen Dietrich Buschmann hören. Der Mittvierziger ist sauer. Wegen des geplanten ökologischen Jagdgesetzes der NRW-Landesregierung. Der Westfale verzieht das Gesicht. Allein schon das Wort ökologisch. Für jemanden wie Buschmann klingt das nach irgendwelchen Moralaposteln; schlimmstenfalls noch veganen. Leuten wie Remmel.
Jagd scheint Männersache zu sein
Der grüne Umweltminister ist sein Lieblingsgegner – allein schon wegen der Sache mit den Katzen. Letztes Jahr ließ Remmels Pressestelle eine Liste mit den in NRW abgeschossenen Katzen veröffentlichen. Im Jagdjahr 2013/14 waren es knapp 8000. Die süßen Kleinen einfach so abschießen – das geht gar nicht – empörten sich viele zwischen Rhein und Weser. Unter dem neuen Jagdgesetz soll den "Katzenmördern" das Handwerk gelegt werden. Für Buschmann eine Horrorvorstellung.
Buschmann: "Man muss das auch alles in Relation sehen. Und ich kann nich sagen: Die Katze is nen Freigänger, die darf alles machen. Wenn man mal hochrechnet: Jede Katze würde ein Singvogel im Monat fangen, bei zwölf Monaten sind das zwölf Vögel. Mal 8000: Das sind 96.000 Vögel, die weggefangen werden. Singvögel. Hat sich da einer schon mal Gedanken drüber gemacht?"
Buschmann stapft los, Richtung Fußgängerbrücke, zu den gut siebzig anderen Demonstranten, die ungefähr so aussehen wie man sich immer schon Jäger vorgestellt hat: Viel grün - jetzt Kleidungstechnisch. Viele graumelierte Herren jenseits der 60. Und wenige Frauen. Jagd ist Männersache – das war schon so, als Dietrich Buschmann damit anfing.
Buschmann: "Ich bin eigentlich durch meinen Cousin da drauf gekommen. Er hatte eine Terrier-Meute, die man halt bei Druckjagden einsetzt, wenn man Wildschweine jagt. Und so bin ich da reingekommen. Ich bin absolut leidenschaftlicher Jäger. Für mich steht auch die Nutzung der Tiere im Vordergrund. Ich bin gar kein Trophäen-Jäger oder so. Ich vermarkte das Wild alles selbst."
Passionierter Jäger ist auch Reinhard Middendorf. Vor zehn Tagen war der Vorsitzende der Kreisjägerschaft Unna das letzte Mal auf der Pirsch, nachts, zur Fuchsjagd.
Reinhard Middendorf: "Man sah Rehwild, man sah Hasen, man sah Füchse. Bin aber nicht zum Schuss gekommen, hab aber drei Füchse gesehen. Jagd is nich: Rausgehen, schießen und wieder nach Hause gehen. Sondern Jagd is für mich: Beobachtung."
Mit oftmals tödlichen Folgen – werfen Kritiker Jägern wie Middendorf gerne vor. Sollen sie nur. Den Mann mit den wachen Augen kratzt das nicht. Stramm auf die sechzig geht er jetzt zu. Schon sein Vater war Jäger, der ältere Bruder auch, da war klar, dass er früher oder später in ihre Fußstapfen treten würde. Doch die Familien-Tradition ist in Gefahr. Wegen Remmel, dem Spielverderber.
Middendorf: "Wir haben hier natürlich nen Jagdgesetz in Nordrhein-Westfalen, was jetzt besteht, das eine seiner Vorgängerinnen ja auch mit uns abgestimmt hat: Frau Höhn. Und in England und Spanien, Italien, Frankreich beneidet man uns um dieses Jagdgesetz. Und warum fangen wir da jetzt an, in diesem Jagdgesetz rumzurühren?"
Ja, warum nur?! Luftlinie gut siebzig Kilometer von den westfälischen Wut-Jägern entfernt lächelt Johannes Remmel im Umweltministerium über den Dächern Düsseldorfs. Auf die Frage hat der asketisch wirkende Grüne nur gewartet.
Johannes Remmel: "Wir haben den Tierschutz im Grundgesetz, aber noch nicht in den Gesetzen überall verankert. Und wenn man Tierschutz ins Grundgesetz schreibt, dann muss man auch ein Jagdrecht unter Tierschutz-Gesichtspunkten durchdeklinieren. Das ist der eine Ansatzpunkt. Der zweite ist der, dass wir im Koalitionsvertrag formuliert haben: Wald vor Wild. Weil wir eben an vielen Stellen festgestellt haben, dass zu hoher Wildbesatz auch dazu führt, dass eine natürliche Dauerwaldentwicklung nicht stattfinden kann."
Fronten zwischen Jägern und Tierschützern verhärtet
Remmel hat auch schon so seine Erfahrungen gemacht mit den Nordrhein-westfälischen Waidmännern. Gleich bei vier Parteiveranstaltungen traf ihn die geballte Ladung Jäger-Protest. Natürlich habe er mit den Demonstranten geredet, meint er. Das gehöre sich so. Zumindest etwas. Denn die Fronten sind verhärtet – vor allem zwischen Jägern und Tierschützern.
Da schwadroniert der Chefredakteur der bekanntesten deutschen Jagdzeitschrift "Wild und Hund", die Novelle des NRW-Landesjagdgesetzes erinnere ihn an Hitlers Ermächtigungsgesetz; demolieren militante Tierschützer wiederum Dutzende Hochsitze. Alles wegen eines Gesetzentwurfes, von dem Remmel sagt, er wisse gar nicht, warum sich alle so anstellen.
Remmel: "Sowohl NABU als auch BUND haben mehrfach weitergehende Forderungen erhoben. Insofern hab ich immer gesagt: Das liegt gut in der Mitte, was wir als Vorschlag vorgelegt haben."
Tierschutz verbessern, Artenschutz stärken, Waldschutz sichern: Bei diesem Dreiklang soll es bleiben. Weil sich die Jäger nun mal dem gesellschaftlichen Wertewandel anpassen müssten. Sagen Remmel und seine Grünen. Weil der Herr Minister unbedingt einen naturschutz-politischen Erfolg brauche, nachdem aus seinem anderen Prestigeprojekt, dem Nationalpark Ostwestfalen-Lippe, schon nichts geworden sei – seine Kritiker.
Remmel winkt ab. Alles nur Gerede. Genau wie der Vorwurf, er als Grüner habe zwangsweise etwas gegen die Jäger. Remmel kommt aus dem Siegerland, einer Gegend im Süden Nordrhein-Westfalens mit viel Wald – und dementsprechend vielen Jägern.
Remmel: "Das sind auch gute Bekannte, die ich bei den Jägerinnen und Jägern habe. Und ich hab auch nie nen Hehl daraus gemacht, dass in meiner Kühltruhe auch das eine oder andere Stück Wild liegt."
Ein grüner Wild-Liebhaber – das dürfte eigentlich auch ganz nach dem Geschmack von Ralph Müller-Schallenberg sein. Doch den Präsidenten des Landesjagdverbandes Nordrhein-Westfalen interessiert das nur am Rande. Er hat anderes im Sinn. In spätestens einer halben Stunde muss sich der Jurist von seiner Kanzlei in einem Leverkusener Gewerbegebiet auf den Weg machen, nach Detmold, zu den Jägern aus dem Lipperland. Der landesweite Protest will schließlich organisiert sein.
Ralph Müller-Schallenberg: "Bei mir auf dem Boden liegen bestimmt 40, 50 Akten. Das sind verschiedene Rechtsgebiete."
Oberster Jadglobbyist will weiter kämpfen
Alles rund um das neue Jagdgesetz. Der Mann in der braunen Trachtenjacke hebt die Hände. Die Zeitungen an Rhein und Ruhr haben ihn zum Hauptgegner des Obergrünen Remmel auserkoren. Müller-Schallenberg mag das. Er wedelt mit ein paar DINA-4-Seiten: Sein Forderungskatalog. Insgesamt 13 Punkte, darunter die Evergreens: Keine verkürzten Jagdzeiten. Und erst recht keine Neuauflage der Jagdsteuer.
Müller-Schallenberg: "Wir haben 30.000 Stück Fallwild, also größere Wildarten im Jahr, die durch Verkehrsunfälle ums Leben kommen. Hier kommen die Jäger heraus und bergen dieses Wild von der Straße. Und das kann nicht bestraft werden mit einer Steuer."
Findet Nordrhein-Westfalens oberster Waidmann. Für ihn wäre das Gesetz der "Einstieg in den Ausstieg aus der Jagd". Aber nicht mit ihm. Müller-Schallenberg steht auf und geht zum Geweih hinter seinem Schreibtisch. Ein "kapitaler Rothirsch", erlegt vor 17 Jahren. Soll das bald alles vorbei sein?! Deshalb: Maximaler Widerstand. Auch beim Katalog der jagdbaren Arten. Mögen ihm Umweltschützer auch vorhalten, dass unter dem neuen Jagdgesetz gerade einmal 1,9 Prozent weniger Tiere geschossen werden können: Den Juristen kratzt das nicht. Hier geht es ums Prinzip.
Müller-Schallenberg: "Das Jagdrecht und das Jagdausübungsrecht ist ein Eigentumsrecht. Ist fest mit Grund und Boden verbunden und kann nur verpachtet werden. Der Eingriff in den Katalog der jagdbaren Arten ist, ein radikaler Eingriff in das Eigentum, der aus unserer Sicht schlichtweg verfassungswidrig ist."
Im Mai soll der Düsseldorfer Landtag nach den Plänen des Umweltministeriums das neue Jagdgesetz verabschieden, das ökologische. Bleibt alles wie es ist, wird Umweltminister Remmel einen Erfolg verbuchen – und Müller-Schallenberg voraussichtlich vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Nordrhein-Westfalens oberster Jagd-Lobbyist geht zur Tür. Er wird weiter kämpfen – zur Not bis zum Umfallen.
Müller-Schallenberg: "Jetzt geht's genau in zehn Minuten los. Und ich werde ganz sicher nicht vor 23, 24 Uhr zu Hause sein."
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