Ein Hauch von Paul und Paula
Schlange-Stehen, zerfallende Altbauten und mittendrin ein Liebespaar: Im März 1973 kommt "Die Legende von Paul und Paula" in die Kinos und zeigt den Alltag der DDR. Im Berliner Ortsteil Friedrichshain weckt der Film bei vielen Bewohnern noch immer Erinnerungen.
Eine junge Frau verliebt sich in einen jungen Mann. Alles könnte einfach sein:
"Wir wollen Folgendes machen: Wir lassen es dauern, solange es dauert. Wir machen nichts dagegen und nichts dafür."
Einfach ist es aber nie, wenn ein Film darüber gedreht wird:
"Wir fragen uns nicht allerlei blödes Zeug. Nur die Namen. Ich bin Paula. Paul. Nee, nee, ich muss gehen..."
"Die Legende von Paul und Paula", einer der erfolgreichsten DEFA-Filme. Gedreht in Berlin-Friedrichshain.
Der Film wird zur Legende
"Ich kann mich erinnern, als wir den Film das erste Mal gesehen haben, da haben wir wirklich gesagt, endlich mal eine Geschichte bzw. Personen, die man aus dem normalen Leben kennt, ohne sie zu beschönen, zu glorifizieren oder sonstige Dinge", sagt Petra Zierholz. Sie hatte den Film kurz nach seiner Premiere gesehen.
Eine Legende – doch der Begriff ist nur Tarnung, denn diese "Legende von Paul und Paula" fängt DDR-Wirklichkeit ein. Menschen, mit ganz alltäglichen Problemen, ein Reifenhändler, der sich eher auf Tauschgeschäfte versteht, Brikett, die auf der Straße abgekippt und vom Kunden selbst in den Keller getragen werden, Schlange stehen in der Kaufhalle. Menschen und Situationen, so typisch DDR.
"Das Besondere an diesem Film war ja nicht nur die Thematik des Films, sondern auch die Filmmusik, alles war neu, alles war in Richtung Aufbruch. Das erste Mal sind Charaktere im DEFA-Film gezeigt worden, über die geredet worden ist, wo auch das normale Leben widergespiegelt worden ist, was sich auch in unserer Schule nachher zur Diskussion sehr angeheizt hat. Dieser Film. "Paul und Paula" war da sicher so ein Durchbruch. Es sind ja Geschichten über Frauen, über starke Frauen, die riskiert haben, die versucht haben, den normalen Sozialismus für sich irgendwo zu meistern."
Die Puhdys singen, während Altbauten gesprengt werden, um Platz zu schaffen für Plattenbauten. Petra Zierholz erkennt in dem Film nicht nur ihren Stadtbezirk wieder, sondern auch ihr Umfeld:
"Dieser Kontrast von Neubau zu Altbau, dieser Kontrast von Funktionär zu einer ganz einfachen Frau und trotzdem, die ihr Leben mit ihren Kindern irgendwie in den Griff kriegt. Und so war ja das Leben. Jede Frau hatte ja, auch wenn es schwierig war, wenn sie alleinstehend war, aber die Möglichkeit hier relativ vernünftig über die Runden zu kommen."
"Dieser Kontrast von Neubau zu Altbau, dieser Kontrast von Funktionär zu einer ganz einfachen Frau und trotzdem, die ihr Leben mit ihren Kindern irgendwie in den Griff kriegt. Und so war ja das Leben. Jede Frau hatte ja, auch wenn es schwierig war, wenn sie alleinstehend war, aber die Möglichkeit hier relativ vernünftig über die Runden zu kommen."
Funktionär trifft alleinerziehende Mutter
Paula ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Und Paul hat ein Kind und ist verheiratet – unglücklich. Paula arbeitet an der Flaschenkasse der Kaufhalle und hilft manchmal als Kassiererin aus. Paul ist persönlicher Referent im Außenhandelsministerium. Viel größer konnten die Unterschiede in der DDR kaum sein. Und das mitten im alten Arbeiterbezirk Berlin-Friedrichshain. Petra Zierholz:
"Bin im Friedrichshain geboren, bin im Friedrichshain zur Schule gegangen, habe im Friedrichshain geheiratet und bin immer noch im Friedrichshain. Und der Kiez hat sich extrem verändert von zerbombter Zeit in den 50er-Jahren, zum ersten Aufbau der ersten Neubauten, die hier entstanden sind, die natürlich heute nach 50 Jahren keine Neubauten mehr sind. Bis hin zu den jetzigen Neubauten, die hier entstehen."
"Bin im Friedrichshain geboren, bin im Friedrichshain zur Schule gegangen, habe im Friedrichshain geheiratet und bin immer noch im Friedrichshain. Und der Kiez hat sich extrem verändert von zerbombter Zeit in den 50er-Jahren, zum ersten Aufbau der ersten Neubauten, die hier entstanden sind, die natürlich heute nach 50 Jahren keine Neubauten mehr sind. Bis hin zu den jetzigen Neubauten, die hier entstehen."
Der Stadtbezirk Friedrichshain sollte sozialistisches Vorbild werden – beginnend mit der Weberwiese:
"Was ist denn an der Weberwiese los?"
Die Weberwiese hat Eingang gefunden in das sozialistisch-propagandistische Liedgut der DDR.
"Das Funkhaus Weberwiese berichtet vom Aufbau unserer Hauptstadt."
Aufbau war nicht nur Aufbau, sondern auch Propaganda in der DDR. Da konnte ein Haus schon mal berühmt werden - als das erste sozialistische Hochhaus auf deutschem Boden: Neun Etagen, insgesamt 35 Meter hoch. Entstanden im Jahr 1952 im Ostberliner Stadtbezirk Friedrichshain. Genau wie die Allee, die ein paar Jahre nach dem einen Tyrannen benannt war: die Stalin-Allee. Das Hochhaus an der Weberwiese sollte ein Blick in eine rosige Zukunft werden – so wie hier, sollte überall gebaut werden: Einbauküche, Fahrstuhl, Zentralheizung. Ein großes Versprechen.
"Das Funkhaus Weberwiese berichtet vom Aufbau unserer Hauptstadt."
Aufbau war nicht nur Aufbau, sondern auch Propaganda in der DDR. Da konnte ein Haus schon mal berühmt werden - als das erste sozialistische Hochhaus auf deutschem Boden: Neun Etagen, insgesamt 35 Meter hoch. Entstanden im Jahr 1952 im Ostberliner Stadtbezirk Friedrichshain. Genau wie die Allee, die ein paar Jahre nach dem einen Tyrannen benannt war: die Stalin-Allee. Das Hochhaus an der Weberwiese sollte ein Blick in eine rosige Zukunft werden – so wie hier, sollte überall gebaut werden: Einbauküche, Fahrstuhl, Zentralheizung. Ein großes Versprechen.
Arbeiterpaläste an der Weberwiese
"Es wächst in Berlin, in Berlin an der Spree ein Riese aus Stein in der Stalinallee. Es ist ja kein Luftschloss, das kann es nicht sein und wächst doch bis hoch in den Himmel hinein."
An Liedtexten mangelte es nicht in der DDR. Doch an Wohnungen. Was auf der Weberwiese begann, sollte an der Stalin-Allee fortgesetzt werden. Arbeiterpaläste entstanden hier – links und rechts einer Prachtstraße, die auch für die sozialistischen Aufmärsche gut geeignet war. Ein Denkmal durfte auch nicht fehlen – eines von Stalin. Als dessen Verbrechen schließlich öffentlich wurden, musste man sich auch in der DDR damit auseinandersetzen – man tat es auf die typische Weise: über Nacht verschwand das Denkmal und die Stalin-Allee hieß plötzlich nach Karl-Marx. So stellte sich die SED Entstalinisierung vor. Die Anwohner wunderten sich nur leise darüber, dass sie am Morgen in einer Straße mit neuem Namen aufwachten. Das war ein Jahrzehnt vor Paul und Paula und ihrer Legende.
An Liedtexten mangelte es nicht in der DDR. Doch an Wohnungen. Was auf der Weberwiese begann, sollte an der Stalin-Allee fortgesetzt werden. Arbeiterpaläste entstanden hier – links und rechts einer Prachtstraße, die auch für die sozialistischen Aufmärsche gut geeignet war. Ein Denkmal durfte auch nicht fehlen – eines von Stalin. Als dessen Verbrechen schließlich öffentlich wurden, musste man sich auch in der DDR damit auseinandersetzen – man tat es auf die typische Weise: über Nacht verschwand das Denkmal und die Stalin-Allee hieß plötzlich nach Karl-Marx. So stellte sich die SED Entstalinisierung vor. Die Anwohner wunderten sich nur leise darüber, dass sie am Morgen in einer Straße mit neuem Namen aufwachten. Das war ein Jahrzehnt vor Paul und Paula und ihrer Legende.
"Es ist vorbei, ja? - Ach, i wo, das dauert noch eine ganze Weile hier oben. – Du hast recht, ich bin vielleicht zu ... - Jaja, du bist zu, zu ... Was du willst, geht doch nicht. – Was will ich denn schon? – Alles oder nichts willst du. – Na und?"
Ein paar hundert Meter entfernt vom verschwundenen Denkmal entstanden auch Neubauten und dort war die Schule von Petra Zierholz:
"Wir sollten die Fenster schließen, weil gesprengt werden sollte. Und erst später, viel später haben wir mitgekriegt, dass zu diesem Zeitpunkt, in diesen Straßen ein Film gedreht wurde, bis wir denn mitgekriegt haben, welcher Film gedreht worden ist – es ist ja einer der legendärsten DEFA-Filme überhaupt: Die Legende von Paul und Paula. Aber zu diesem Zeitpunkt, wo gesprengt worden ist und wir das auch gehört haben, wussten wir es nicht. Und dann konnte man das Ergebnis in dem Film auch sehen."
Vom Rand in die Mitte Berlins
"Die Legende von Paul und Paula" sollte nicht in die Kinos kommen. Führende Genossen waren dagegen. Doch die Zeit war günstig: Die Ära von Walter Ulbricht ging dem Ende entgegen. Sein Nachfolger wollte sich weltoffen und liberal geben. So kam es, dass sich ausgerechnet Erich Honecker für den Film einsetzte. 1972 als "Die Legende" gedreht wurde, war auch der Beginn des Wohnungsbauprogramms. Honecker wollte die Wohnungsfrage als soziale Frage bis 1990 lösen. Vielleicht fand er auch deshalb gefallen an dem Film von Heiner Carow, weil da so schöne Bilder von entstehenden Plattenbauten zu sehen sind.
Nach der Wende hat sich Friedrichshain weiter verändert: Fabrikgebäude sind überflüssig geworden. Auf den Straßen sind nicht kaum noch die Arbeiter von einst zu erahnen. Und die Häuser – die sind auch eine geworden:
"Viele Häuser sind saniert worden in den 90er-Jahren von den Altbauhäusern, die noch standen. Da hat sich schon das erste Mal die Klientel so verändert. Bei uns hier im Kiez, hier in unserer Straße, sind viele junge Leute in die rekonstruierten Altbauwohnungen gezogen. Da die aber nicht so sehr preiswert waren und auch sind, sind viele WGs entstanden, gerade bei uns in der Straße. Das Gesicht verändert sich in der Zwischenzeit nochmal. Also, jetzt ziehen doch mehr oder weniger auch junge Familien hierher. Wir haben einen Anteil auch an richtig Neubau, jetzt neu entstanden hier im Kiez. Und dadurch verändert sich die Klientel noch mehr. Familien, junge Leute, die sich diesen Stadtbezirk halt leisten können."
Der Rand von Friedrichshain war lange auch der Rand der DDR. Dahinter lag das Niemandsland. Inzwischen ist der Stadtbezirk mit dem Niemandsland verschmolzen – zu Friedrichshain-Kreuzberg. Wo die Grenze war, fließt nur noch die Spree. Und "Die Legende von Paul und Paula" ist auch 45 Jahre nach ihrer Premiere noch sehenswert.