Nostalgie, Klang und Haptik
Als das MP3-Format seinen Siegeszug antrat und Amazon den Handel mit Tonträgern übernahm, waren die Plattenläden weltweit vom Aussterben bedroht. Bis heute aber hat die Vinyl-Schallplatte überlebt, und der "Record Store Day" will den Händlern wieder zu mehr Geltung verhelfen.
Bernd Begemann: "Oper ist scheiße. Museen sind scheiße. Theater ist scheiße. Die echte Kultur passiert in Eurem Plattenladen!"
Volker Quante: "Wir fanden das eine gute Idee, dass sich Läden zusammentun, und dass Künstler und Labels Initiative ergreifen und bewusst sagen: Wir wollen die Plattenläden, die es noch gibt, es wurden ja immer weniger über die Jahre, unterstützen und wollen Menschen dazu bringen, dass sie wieder den Plattenladen als sozialen Ort entdecken."
Der eine macht Musik, der andere verkauft sie – Songschreiber Bernd Begemann und Plattenladenbetreiber Volker Quante ("Mr. Dead and Mrs. Free", Berlin). Beide unterstützen dieselbe Idee:
"20. April 2013 ist der internationale Record Store Day."
Der massenhafte Online-Tausch von Musik im mp3-Format, die Dumpingangebote großer Elektroketten, und das Überhandnehmen von Amazon und Co. drohten Anfang des Jahrhunderts, dem lokalen, unabhängigen Plattenladen den Garaus zu machen.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurde 2007 in den USA der "Record Store Day", kurz "RSD", von einer Gruppe von Plattenhändlern ins Leben gerufen. Für den alljährlich am dritten Samstag im April stattfindenden RSD wird jedes Jahr ein "Ambassador", ein Botschafter, bestimmt. In diesem Jahr ist es Jack White, 2012 war es Iggy Pop und 2011:
"This is Ozzy Osbourne, and I’m thrilled to be 2011 Record Store Day ambassador."
Seit zwei Jahren gibt es den RSD nun auch in Deutschland. Dafür wurde unter anderem die amerikanische Tradition der "In-Store-Konzerte", also der Konzerte im Plattenladen, entdeckt – Konsument trifft Künstler.
"Man kann mit denen sprechen, man kann die anfassen und man kann sehen, dass es ganz normale Leute sind, die nämlich dann auch von dem Geld leben müssen, was ich als Kunde für die Platte ausgebe."
Christof Jessen ist Mitinhaber der 1977 gegründeten Hamburger Plattenladen-Institution Michelle Records. Mit der Wiederentdeckung des Plattenladens ging auch eine Renaissance des Vinyls einher. Die Gründe: Nostalgie, angeblich besserer Klang, Haptik.
Volker Quante: "Es gibt eigentlich tausend Gründe, warum Vinyl das Format ist, und dazu kommt jetzt auch noch, dass fast alle neuen LPs, die es jetzt gibt, auch Download-Codes haben, bzw. manchmal sogar auch die CD kostenlos dazugelegt bekommen. Und es gibt dann eben auch für die "conveniance"-Variante, wenn man im Auto oder auf ’m mp3-Player was hören will, gibt’s für die Vinylkäufer auch ’ne Lösung."
Christof Jessen: "Also es gab mal so ’n Loch um 2005, 2006 – und seitdem geht’s eigentlich relativ ständig bergauf – und mittlerweile also wirklich auch soweit bergauf, dass die großen Plattenfirmen auch sehen, dass da ein Markt ist und immer mehr Vinyl pressen. Das dann allerdings häufig auch zu gepfefferten Preisen."
Inzwischen hat auch die Industrie den "Record Store Day" für sich entdeckt. Widerspricht das nicht ein wenig der Ursprungsidee von der Stärkung der alternativen, unabhängigen Plattenläden?
Christof Jessen: "Das ist schon in der Tat eigenartig, wenn Firmen wie Sony oder auch die EMI dann plötzlich anfangen, den 'Record Store Day' offiziell zu unterstützen – aber, mein Gott, es ist 'ne gute Idee, die mediale Verbreitung wird immer größer – und da möchte man natürlich auch mit auf ’m Pferd sitzen."
Aber auch die Giganten unter Plattenfirmen haben in den letzten Jahren begriffen, dass der kompetente Einzelhändler oft über den Erfolg neuer Bands mitbestimmt. In den knapp 2.000 Läden, die weltweit am RSD teilnehmen, gibt es an diesem Tag über 400 besondere Veröffentlichungen, die speziell für den RSD hergestellt und oft auch nur zu diesem Datum erhältlich sind.
Volker Quante, Inhaber des 1983 gegründeten Berliner Plattenladens Mr. Dead and Mrs. Free, sieht das aber durchaus kritisch. Im letzten Jahr stürmten Sammler direkt nach der Öffnung seinen Laden, fragten fast hysterisch nach der Spezial-Veröffentlichung ihrer Lieblingsband – und gingen dann wieder:
"Die Funktion des Tages soll ja eigentlich sein, nicht, dass irgendwelche seltenen Produkte sich verkaufen bei uns, sondern, dass die Leute in den Laden kommen und den Laden entdecken als Anregung, als Ort wo man sich Sachen empfehlen lassen kann, wo man sich Sachen anhören kann – und nicht mit solchen Scheuklappen hierher kommt."
Mittlerweile erscheint limitiertes Vinyl auch von großen Namen, wie zum Beispiel David Bowie, Bob Dylan, Paul McCartney. Oder auch von Nick Cave. Dessen langjähriger Drummer Thomas Wydler ist seit drei Jahrzehnten Stammkunde bei Mr. Dead And Mrs. Free:
"Musik ist ’ne Kunstform und nicht ein Sack Kartoffeln, den man irgendwo kauft, das ist der Unterschied – übertrieben gesagt."
Und in den unabhängigen Plattenläden wird diese Kunst nicht nur verkauft, sondern sie ist Lebensinhalt. Und das natürlich über den Record Store Day hinaus.
Christof Jessen: "Ja, und dann freuen wir uns ja auch noch auf die nächste Woche und auf die übernächste Woche, weil – bei uns ist ja jeder Tag Record Store Day!"
Mehr Infos im Netz: Record Store Day am 20. April 2013
Volker Quante: "Wir fanden das eine gute Idee, dass sich Läden zusammentun, und dass Künstler und Labels Initiative ergreifen und bewusst sagen: Wir wollen die Plattenläden, die es noch gibt, es wurden ja immer weniger über die Jahre, unterstützen und wollen Menschen dazu bringen, dass sie wieder den Plattenladen als sozialen Ort entdecken."
Der eine macht Musik, der andere verkauft sie – Songschreiber Bernd Begemann und Plattenladenbetreiber Volker Quante ("Mr. Dead and Mrs. Free", Berlin). Beide unterstützen dieselbe Idee:
"20. April 2013 ist der internationale Record Store Day."
Der massenhafte Online-Tausch von Musik im mp3-Format, die Dumpingangebote großer Elektroketten, und das Überhandnehmen von Amazon und Co. drohten Anfang des Jahrhunderts, dem lokalen, unabhängigen Plattenladen den Garaus zu machen.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurde 2007 in den USA der "Record Store Day", kurz "RSD", von einer Gruppe von Plattenhändlern ins Leben gerufen. Für den alljährlich am dritten Samstag im April stattfindenden RSD wird jedes Jahr ein "Ambassador", ein Botschafter, bestimmt. In diesem Jahr ist es Jack White, 2012 war es Iggy Pop und 2011:
"This is Ozzy Osbourne, and I’m thrilled to be 2011 Record Store Day ambassador."
Seit zwei Jahren gibt es den RSD nun auch in Deutschland. Dafür wurde unter anderem die amerikanische Tradition der "In-Store-Konzerte", also der Konzerte im Plattenladen, entdeckt – Konsument trifft Künstler.
"Man kann mit denen sprechen, man kann die anfassen und man kann sehen, dass es ganz normale Leute sind, die nämlich dann auch von dem Geld leben müssen, was ich als Kunde für die Platte ausgebe."
Christof Jessen ist Mitinhaber der 1977 gegründeten Hamburger Plattenladen-Institution Michelle Records. Mit der Wiederentdeckung des Plattenladens ging auch eine Renaissance des Vinyls einher. Die Gründe: Nostalgie, angeblich besserer Klang, Haptik.
Volker Quante: "Es gibt eigentlich tausend Gründe, warum Vinyl das Format ist, und dazu kommt jetzt auch noch, dass fast alle neuen LPs, die es jetzt gibt, auch Download-Codes haben, bzw. manchmal sogar auch die CD kostenlos dazugelegt bekommen. Und es gibt dann eben auch für die "conveniance"-Variante, wenn man im Auto oder auf ’m mp3-Player was hören will, gibt’s für die Vinylkäufer auch ’ne Lösung."
Christof Jessen: "Also es gab mal so ’n Loch um 2005, 2006 – und seitdem geht’s eigentlich relativ ständig bergauf – und mittlerweile also wirklich auch soweit bergauf, dass die großen Plattenfirmen auch sehen, dass da ein Markt ist und immer mehr Vinyl pressen. Das dann allerdings häufig auch zu gepfefferten Preisen."
Inzwischen hat auch die Industrie den "Record Store Day" für sich entdeckt. Widerspricht das nicht ein wenig der Ursprungsidee von der Stärkung der alternativen, unabhängigen Plattenläden?
Christof Jessen: "Das ist schon in der Tat eigenartig, wenn Firmen wie Sony oder auch die EMI dann plötzlich anfangen, den 'Record Store Day' offiziell zu unterstützen – aber, mein Gott, es ist 'ne gute Idee, die mediale Verbreitung wird immer größer – und da möchte man natürlich auch mit auf ’m Pferd sitzen."
Aber auch die Giganten unter Plattenfirmen haben in den letzten Jahren begriffen, dass der kompetente Einzelhändler oft über den Erfolg neuer Bands mitbestimmt. In den knapp 2.000 Läden, die weltweit am RSD teilnehmen, gibt es an diesem Tag über 400 besondere Veröffentlichungen, die speziell für den RSD hergestellt und oft auch nur zu diesem Datum erhältlich sind.
Volker Quante, Inhaber des 1983 gegründeten Berliner Plattenladens Mr. Dead and Mrs. Free, sieht das aber durchaus kritisch. Im letzten Jahr stürmten Sammler direkt nach der Öffnung seinen Laden, fragten fast hysterisch nach der Spezial-Veröffentlichung ihrer Lieblingsband – und gingen dann wieder:
"Die Funktion des Tages soll ja eigentlich sein, nicht, dass irgendwelche seltenen Produkte sich verkaufen bei uns, sondern, dass die Leute in den Laden kommen und den Laden entdecken als Anregung, als Ort wo man sich Sachen empfehlen lassen kann, wo man sich Sachen anhören kann – und nicht mit solchen Scheuklappen hierher kommt."
Mittlerweile erscheint limitiertes Vinyl auch von großen Namen, wie zum Beispiel David Bowie, Bob Dylan, Paul McCartney. Oder auch von Nick Cave. Dessen langjähriger Drummer Thomas Wydler ist seit drei Jahrzehnten Stammkunde bei Mr. Dead And Mrs. Free:
"Musik ist ’ne Kunstform und nicht ein Sack Kartoffeln, den man irgendwo kauft, das ist der Unterschied – übertrieben gesagt."
Und in den unabhängigen Plattenläden wird diese Kunst nicht nur verkauft, sondern sie ist Lebensinhalt. Und das natürlich über den Record Store Day hinaus.
Christof Jessen: "Ja, und dann freuen wir uns ja auch noch auf die nächste Woche und auf die übernächste Woche, weil – bei uns ist ja jeder Tag Record Store Day!"
Mehr Infos im Netz: Record Store Day am 20. April 2013