Nostalgie - eine Wunderwaffe
Adam "Ad-Rock" Horovitz von den Beastie Boys bei einem Konzert 2007 in Berlin - bei der Erinnerung daran ist die Nostalgie nicht weit. © imago images / BRIGANI-ART / HEINRICH
Ein Gefühl mit großer Wirkung
Ein alter Song, ein bestimmter Style oder ein Lieblingsfilm von früher reichen aus – schon erwischt sie uns: die Nostalgie. Bei der Erinnerung an diese Zeiten wird uns ganz warm ums Herz. Dahinter steckt sogar mehr als ein Gefühl, sagen Forscher.
Die Columbiahalle in Berlin ist voll. Sehr voll. Es ist 2007. Gleich werden die Beastie Boys auf die Bühne kommen. Ich habe nur durch Glück ein Ticket ergattert. Aufgeregte Spannung in der Luft.
Die New Yorker Hip-Hopper haben gerade „The Mix-up“ herausgebracht. Ein rein instrumentales Album. Und so ist der Abend angekündigt: als „stilles“ Konzert. Verrückt, wie soll das gehen bei dieser Band?
Beastie Boys im Blues-Brothers-Style
Dann kommen Adam „MCA“ Yauch, Adam „Ad-Rock“ Horovitz und Michael „Mike D“ Diamond auf die Bühne, im Blues-Brothers-Style mit Sonnenbrille, Hut und Anzug, stilsicher wie je – und spielen: „(You Gotta) Fight for Your Right (to Party!)“. Der Saal tobt … und tobt weiter und weiter zu all den alten Hits, die noch folgen werden an diesem Abend.
Hach, jetzt ist mir ganz warm geworden ums Herz, mitten im Winter hat sie mich erwischt: die Nostalgie.
„Erst mal ist Nostalgie die Erinnerung an etwas, das uns im wahrsten Sinne des Wortes warm ums Herz werden lässt.“ Der Glücksforscher Tobias Esch von der Universität Witten/Herdecke kann das also nur bestätigen: „Eine positive Erinnerung an etwas, was heimelig und damit insgesamt beruhigend auf uns einwirkt, uns das Gefühl von ‚zu Hause sein‘ gibt.“
Genauso fühlen sich die Gedanken an die Beastie Boys gerade an.
Die Wirkung nostalgischer Erinnerungen ist auch biologisch messbar. Unser Gehirn schüttet Glückshormone aus, wenn wir uns an schöne Erlebnisse erinnern.
„Das führt interessanterweise tatsächlich dazu, dass sogar die Körperkerntemperatur angehoben wird. Das ist nicht nur ein Gefühl, sondern daraus ergeben sich harte biologische, körperliche, physiologische Veränderungen und Konsequenzen“, sagt der Neurowissenschaftler.
Hormon Oxytocin spendet Wärme
Geht es noch ein bisschen genauer? Laut Tobias Esch ist das nostalgische Gefühl von Heimeligkeit, von Beschütztsein und Verbundenheit mit Neurotransmittern – oder neurobiologisch gesehen mit zum Beispiel Botenstoffen wie dem Kuschelhormon Oxytocin – verbunden. Etwas, das zum Beispiel Schmerz lindert oder eben wie beim Oxytocin auch Wärme spendet.
Und Esch bringt noch eine Harvard-Kollegin von sich ins Spiel. Ellen Langer – die Psychologin gilt als „Mutter der Achtsamkeit“ – ist berühmt geworden mit einem sozialen Experiment in den 70er-Jahren. Sie versetzte eine Gruppe von über 70-Jährigen in ihre Jugend zurück – sie ahmte deren frühere Lebensumstände bis ins Detail nach: inklusive Möbel, Kleider, Musik, Filme und Fernsehnachrichten aus dieser Zeit.
Sie wollte herausfinden, ob daraus physiologische, biologische oder medizinische Konsequenzen entstehen. Und siehe da: Die Probanden waren beweglicher, frischer im Geist und sogar ihre Gesichter hatten sich verjüngt.
Nostalgische "Throwback"-Playlist
Hätte ich meine alten Longsleeves und Sneaker nur nie entsorgt. Aber Hauptsache die Musik ist noch da! Schnell mal eine Nostalgie-„Throwback“-Playlist mit den Songs aus den 80ern und 90ern erstellen.
Da komme ich ins Grübeln. War der Eröffnungssong damals in Berlin doch „Sabotage“? Oder noch ein anderer? Ach, egal, das wäre fast genauso schön gewesen. Und schön war es ja. Und in der Erinnerung erst, noch schöner.
Die eisigen Temperaturen können mir jetzt auch nichts mehr. Eine Wunderwaffe, diese Nostalgie.
(Quelle: Deutschlandfunk Kultur)