Noten aus dem Netz
Kostenlose Online-Studiengänge ersparen den Weg in den Hörsaal. Hunderttausende nutzen bereits das Angebot. Ein amerikanischer Anbieter setzt auf künstliche Intelligenz und stellt sich auf jeden Teilnehmer individuell ein. Auch die Noten gibt es direkt vom System.
"Ich logge mich ein auf der Seite, also ich hab ein Nutzerprofil angelegt."
Gabriele Lohss, eine junge Biologin, sitzt gemütlich in ihrem Wohnzimmer auf dem Sofa, das Laptop auf dem Schoß. Wie fast jeden Tag geht sie ins Internet - zum Unterricht.
"Ich hab mir jetzt schon alle Folien von dieser Woche angehört. Also du kriegst jede Woche Unterrichtsmaterial, an dem du dich orientierst und den Inhalt durchgehst. Zum Beispiel ..."
Massive Open Online Courses sind Fernstudiengänge im Internet. Etwa vier Millionen Menschen weltweit nutzen mittlerweile solche "MOOCs" – und Gabrielle Lohss ist eine von ihnen. Gerade erscheint auf ihrem Bildschirm ein freundlich lächelnder Informatik-Professor und beginnt, die Grundlagen der Programmiersprache Python zu erklären.
"Ich geh mal auf 'Geschwindigkeit runter'. Der erklärt mir gerade, wie Arbeitsspeicher funktionieren."
Besonders interessiert sich Gabrielle Lohss für Programmierung. Seit ihrem Abschluss an der Potsdamer Universität arbeitet die Biologin in einem Forschungsprojekt und ist dort unter anderem für Datenbanken zuständig. Mit dem Unterricht im Netz schließt sie ihre Wissenslücken. Auf dem Bildschirm ist der Vortrag des grauhaarigen Professors gerade zu Ende gegangen. Nun erscheint ein Fragebogen.
"Und zwischendurch, damit man auch wirklich aufgepasst hat und am Ball bleibt, kommen dann so Fragen, die man beantworten muss. Und erst dann geht die Folie weiter. Jetzt muss ich kurz nachdenken, was die richtige Antwort ist. Vier … ist schon weg … das heißt acht ist ... So! Das muss die Antwort sein."
Mit dem herkömmlichen E-Learning haben die MOOCS nur noch wenig zu tun. Die Macher ziehen alle didaktischen und technischen Register, um das Lernen im Netz interaktiv zu machen: mit Fragebögen, Wettbewerben und Arbeitsgruppen, die sich teilweise sogar in Videokonferenzen treffen. Die MOOCs versuchen, die Studierenden einzubeziehen und zum aktiven Mitdenken zu bewegen.
"Da gab's was, was ich ganz gut fand, das Peer Reviewing. Das heißt, ich muss drei oder mehr unterschiedliche Texte von Leuten bewerten, und meine Arbeit wird auch von drei unterschiedlichen Teilnehmern bewertet. Dann werden Punkte zusammengerechnet, und das geht auch in die Endnote ein."
Internetkurse gibt es zu jedem denkbaren Thema. Oft dienen Vorlesungen renommierter Wissenschaftler als Vorlage. Noch sind die Angebote kostenlos, weil viele Universitäten und Internetfirmen in diesem Zukunftsmarkt mitmischen wollen. Eine gleichwertige Alternative zu den normalen Hochschulen sind die Internet-Unis allerdings nicht, schon weil nur wenige Teilnehmer an der Abschlussprüfung teilnehmen und noch weniger sie bestehen. Ein erfolgreicher Anbieter ist EdX. Diese Open-Source-Lernplattform ist ein Non-Profit-Projekt der Harvard Uni und des MIT und hat über eine Million Anwender. Seit kurzem nutzt die Plattform künstliche Intelligenz für den Unterricht, berichtet Johannes Heinlein von EdX in einem Skype-Interview.
"Wir benutzen unterschiedliche Methoden. Lineare Aufgaben sind einfach. 2 + 2 ist gleich 4, ein Computer kann das problemlos beurteilen. Für freie Aufsätze haben wir jetzt ein Programm entwickelt, das mit künstlicher Intelligenz arbeitet. Mit dieser Technik können wir sogar Aufsätze überprüfen, die mehrere Seiten lang sind."
Gabriele Lohss, eine junge Biologin, sitzt gemütlich in ihrem Wohnzimmer auf dem Sofa, das Laptop auf dem Schoß. Wie fast jeden Tag geht sie ins Internet - zum Unterricht.
"Ich hab mir jetzt schon alle Folien von dieser Woche angehört. Also du kriegst jede Woche Unterrichtsmaterial, an dem du dich orientierst und den Inhalt durchgehst. Zum Beispiel ..."
Massive Open Online Courses sind Fernstudiengänge im Internet. Etwa vier Millionen Menschen weltweit nutzen mittlerweile solche "MOOCs" – und Gabrielle Lohss ist eine von ihnen. Gerade erscheint auf ihrem Bildschirm ein freundlich lächelnder Informatik-Professor und beginnt, die Grundlagen der Programmiersprache Python zu erklären.
"Ich geh mal auf 'Geschwindigkeit runter'. Der erklärt mir gerade, wie Arbeitsspeicher funktionieren."
Besonders interessiert sich Gabrielle Lohss für Programmierung. Seit ihrem Abschluss an der Potsdamer Universität arbeitet die Biologin in einem Forschungsprojekt und ist dort unter anderem für Datenbanken zuständig. Mit dem Unterricht im Netz schließt sie ihre Wissenslücken. Auf dem Bildschirm ist der Vortrag des grauhaarigen Professors gerade zu Ende gegangen. Nun erscheint ein Fragebogen.
"Und zwischendurch, damit man auch wirklich aufgepasst hat und am Ball bleibt, kommen dann so Fragen, die man beantworten muss. Und erst dann geht die Folie weiter. Jetzt muss ich kurz nachdenken, was die richtige Antwort ist. Vier … ist schon weg … das heißt acht ist ... So! Das muss die Antwort sein."
Mit dem herkömmlichen E-Learning haben die MOOCS nur noch wenig zu tun. Die Macher ziehen alle didaktischen und technischen Register, um das Lernen im Netz interaktiv zu machen: mit Fragebögen, Wettbewerben und Arbeitsgruppen, die sich teilweise sogar in Videokonferenzen treffen. Die MOOCs versuchen, die Studierenden einzubeziehen und zum aktiven Mitdenken zu bewegen.
"Da gab's was, was ich ganz gut fand, das Peer Reviewing. Das heißt, ich muss drei oder mehr unterschiedliche Texte von Leuten bewerten, und meine Arbeit wird auch von drei unterschiedlichen Teilnehmern bewertet. Dann werden Punkte zusammengerechnet, und das geht auch in die Endnote ein."
Internetkurse gibt es zu jedem denkbaren Thema. Oft dienen Vorlesungen renommierter Wissenschaftler als Vorlage. Noch sind die Angebote kostenlos, weil viele Universitäten und Internetfirmen in diesem Zukunftsmarkt mitmischen wollen. Eine gleichwertige Alternative zu den normalen Hochschulen sind die Internet-Unis allerdings nicht, schon weil nur wenige Teilnehmer an der Abschlussprüfung teilnehmen und noch weniger sie bestehen. Ein erfolgreicher Anbieter ist EdX. Diese Open-Source-Lernplattform ist ein Non-Profit-Projekt der Harvard Uni und des MIT und hat über eine Million Anwender. Seit kurzem nutzt die Plattform künstliche Intelligenz für den Unterricht, berichtet Johannes Heinlein von EdX in einem Skype-Interview.
"Wir benutzen unterschiedliche Methoden. Lineare Aufgaben sind einfach. 2 + 2 ist gleich 4, ein Computer kann das problemlos beurteilen. Für freie Aufsätze haben wir jetzt ein Programm entwickelt, das mit künstlicher Intelligenz arbeitet. Mit dieser Technik können wir sogar Aufsätze überprüfen, die mehrere Seiten lang sind."
Künstliche Intelligenz ersetzt Lehrkräfte
Die automatisierte Bewertung soll das Lernen im Netz interaktiv machen. Der Computer kann unmittelbar auf die Eingaben der Nutzer reagieren, ihnen sagen, ob sie mit ihren Antworten richtig lagen – ohne, dass dazu Lehrkräfte nötig wären.
"Manche unserer Kurse haben über hunderttausend Teilnehmer, die meisten haben über zehntausend. Bei so vielen Studierenden ist das Korrigieren in Handarbeit einfach nicht möglich."
Der Fachbegriff für solche interaktive Lernsoftware lautet "intelligente Tutorensysteme". Niels Pinkwart, Informatiker an der Berliner Humboldt-Universität, beschäftigt sich schon lange mit dieser Technik.
"Intelligente Tutorensysteme sind seit 20 Jahren bestimmt in der Forschung und erobern eigentlich zunehmend den Markt – in Nordamerika sehr stark, in Asien sehr stark, und in Deutschland wird das vermutlich auch im Kontext der MOOCs mehr an Bedeutung gewinnen."
Das Besondere an den intelligenten Tutorensystemen ist, dass sie sich auf ihre Nutzer einstellen. Sie sind "adaptiv", das heißt: Sie passen sich an den Menschen vor dem Bildschirm an, sie wählen für verschiedene Personen verschiedene Fragen und Hilfestellungen. Dazu müssen sie allerdings herausfinden, ob diese Person einen Lerninhalt verstanden hat oder nicht. In Deutschland werden diese Systeme bisher nur selten eingesetzt. In den USA dagegen werden Aufsätze von Schülern und Studenten bereits automatisiert benotet. Eines der Programme, die dort eingesetzt werden, heißt E-Rater. Der Literaturwissenschaftler Les Perelman vom MIT hat es getestet. Er betont, dass längere und anspruchsvolle Texte bisher nur unzureichend verarbeitet werden können.
"Benutzt Fremdwörter! Die Metrik von E-Rater belohnt, wenn ihr möglichst ungewöhnliche Ausdrücke verwendet. Je mehr ihr schreibt, desto besser, denn die Länge des Textes hat den größten Einfluss auf die Note, viel mehr als alle anderen Faktoren. Kümmert euch nicht um Zusammenhänge! Ich konnte wahllos Passagen von Gedichten oder Zitate einfügen und meine Note dadurch verbessern, obwohl es nichts mit der Fragestellung zu tun hatte."
Ganz so negativ sieht es der Informatiker Niels Pinkwart nicht.
"Vielleicht kann ich wirklich automatisiert gewisse Sachen irgendwie abdecken, vielleicht einen kleinen Übungsbetrieb. Und in gewissen Fächern geht das auch wirklich ganz wunderbar, um da den Leuten tatsächlich ein bisschen wirkliches Trainieren zu ermöglichen."
Ob mit oder ohne automatisierten Unterricht, die MOOCs werden sich weiter verbreiten. Bisher beherrschen vor allem renommierte amerikanische Universitäten wie Stanford den Markt. Seit April gibt es nun auch eine 'paneuropäische Plattform' namens OpenUpEd, finanziell unterstützt von der Europäischen Union, die Kurse in französischer, italienischer oder auch deutscher Sprache anbietet.
"Manche unserer Kurse haben über hunderttausend Teilnehmer, die meisten haben über zehntausend. Bei so vielen Studierenden ist das Korrigieren in Handarbeit einfach nicht möglich."
Der Fachbegriff für solche interaktive Lernsoftware lautet "intelligente Tutorensysteme". Niels Pinkwart, Informatiker an der Berliner Humboldt-Universität, beschäftigt sich schon lange mit dieser Technik.
"Intelligente Tutorensysteme sind seit 20 Jahren bestimmt in der Forschung und erobern eigentlich zunehmend den Markt – in Nordamerika sehr stark, in Asien sehr stark, und in Deutschland wird das vermutlich auch im Kontext der MOOCs mehr an Bedeutung gewinnen."
Das Besondere an den intelligenten Tutorensystemen ist, dass sie sich auf ihre Nutzer einstellen. Sie sind "adaptiv", das heißt: Sie passen sich an den Menschen vor dem Bildschirm an, sie wählen für verschiedene Personen verschiedene Fragen und Hilfestellungen. Dazu müssen sie allerdings herausfinden, ob diese Person einen Lerninhalt verstanden hat oder nicht. In Deutschland werden diese Systeme bisher nur selten eingesetzt. In den USA dagegen werden Aufsätze von Schülern und Studenten bereits automatisiert benotet. Eines der Programme, die dort eingesetzt werden, heißt E-Rater. Der Literaturwissenschaftler Les Perelman vom MIT hat es getestet. Er betont, dass längere und anspruchsvolle Texte bisher nur unzureichend verarbeitet werden können.
"Benutzt Fremdwörter! Die Metrik von E-Rater belohnt, wenn ihr möglichst ungewöhnliche Ausdrücke verwendet. Je mehr ihr schreibt, desto besser, denn die Länge des Textes hat den größten Einfluss auf die Note, viel mehr als alle anderen Faktoren. Kümmert euch nicht um Zusammenhänge! Ich konnte wahllos Passagen von Gedichten oder Zitate einfügen und meine Note dadurch verbessern, obwohl es nichts mit der Fragestellung zu tun hatte."
Ganz so negativ sieht es der Informatiker Niels Pinkwart nicht.
"Vielleicht kann ich wirklich automatisiert gewisse Sachen irgendwie abdecken, vielleicht einen kleinen Übungsbetrieb. Und in gewissen Fächern geht das auch wirklich ganz wunderbar, um da den Leuten tatsächlich ein bisschen wirkliches Trainieren zu ermöglichen."
Ob mit oder ohne automatisierten Unterricht, die MOOCs werden sich weiter verbreiten. Bisher beherrschen vor allem renommierte amerikanische Universitäten wie Stanford den Markt. Seit April gibt es nun auch eine 'paneuropäische Plattform' namens OpenUpEd, finanziell unterstützt von der Europäischen Union, die Kurse in französischer, italienischer oder auch deutscher Sprache anbietet.