- Warum brach in Notre-Dame vor fünfeinhalb Jahren das Feuer aus?
- Was hat der Wiederaufbau gekostet und wie groß war der Aufwand?
- Sind die Renovierungsarbeiten nun komplett abgeschlossen?
- Wie sieht Notre-Dame jetzt im Innern aus?
- Kirche oder Staat – wer kann den Wiederaufbau von Notre-Dame als Erfolg verbuchen?
- Warum ist Notre-Dame so berühmt?
- Wie sieht die Zukunft von Notre-Dame aus?
Die Wiederauferstehung
Am 7. und 8. Dezember wird Notre-Dame wiedereröffnet – fünfeinhalb Jahre nach dem verheerenden Brand. An den Restaurierungsarbeiten waren rund 2000 Fachleute beteiligt. Der Wiederaufbau ist ein Triumph für sie und für Präsident Macron.
Der Schock war groß, als im April 2019 die Bilder der brennenden Pariser Kathedrale um die Welt gingen. Nun, fünfeinhalb Jahre später, ist die „nationale Wunde“, wie sie Präsident Emmanuel Macron nannte, geheilt. Notre-Dame ist wiederaufgebaut. 2000 Gäste werden zur Wiedereröffnung erwartet, darunter Staatschefs und internationale Künstler. Es ist ein Ereignis, das perfekt in die Vorweihnachtszeit passt und in einer von schlechten Nachrichten gebeutelten Welt einen hellen Kontrapunkt setzt.
Inhalt
Warum brach in Notre-Dame vor fünfeinhalb Jahren das Feuer aus?
Das ist nicht abschließend geklärt. Am 15. April 2019 brannte plötzlich der Dachstuhl aus dem 13. Jahrhundert lichterloh. Zu dem Zeitpunkt fanden Restaurierungsarbeiten statt. Die Erklärungsversuche reichen von einem Kurzschluss bis hin zu einer weggeworfenen Zigarette.
Noch am Abend des Brandes versprach der französische Präsident Emmanuel Macron seinen Landsleuten, dass die Kathedrale „schöner als zuvor“ wieder aufgebaut werde. Sein zweites Versprechen, das in fünf Jahren zu schaffen, erzeugte große Skepsis. „Macron glaubt an Wunder“, schrieb die Tageszeitung „Libération“.
Was hat der Wiederaufbau gekostet und wie groß war der Aufwand?
Bisher sind in den Wiederaufbau 700 Millionen Euro geflossen, rund 2000 Experten waren daran beteiligt - neben Architekten und Zimmerleuten auch Steinmetze, Dachdecker, Restauratoren, Geophysiker und Statiker. Die Arbeiten wurden von drei Architekten geplant, unter ihnen Rémi Fromont, der sich wenige Jahre vor dem Brand während seiner Studien an der École de Chaillot genauestens mit dem Dachstuhl von Notre-Dame beschäftigt hatte. An der École de Chaillot werden Spezialisten für den Erhalt historischer Gebäude ausgebildet.
Ohne die von Fromont akribisch zusammengetragenen und angefertigten Zeichnungen und Untersuchungen wäre ein Wiederaufbau wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Finanziert wurde der Wiederaufbau über Spenden. Insgesamt kamen mehr als 840 Millionen Euro zusammen, von 340.000 Spenderinnen und Spender aus rund 150 Ländern.
Sind die Renovierungsarbeiten nun komplett abgeschlossen?
Nein. Doch der Großteil der Arbeiten wurde in nur fünfeinhalb Jahren tatsächlich erledigt – eine echte Leistung, zumal es auch Baustopps während der Coronapandemie gab. Das zerstörte Dach und das stützende Balkenkonstrukt aus Holz wurden detailgetreu komplett neu aufgebaut.
Wer Notre-Dame vor dem Brand besucht hat, wird das Bauwerk kaum wiedererkennen: Der helle Kalkstein ist von jahrhundertealtem Ruß und Dreck befreit. Durch die gereinigten Fenster, von denen vier in der Kölner Dombauhütte restauriert wurden, fällt mehr Licht als zuvor hinein und bringt die frischen Farben und das Blattgold der Wandmalereien zum Strahlen. Auch die 2300 Statuen sind frisch geputzt, die 8000 Orgelpfeifen gereinigt.
Im kommenden Jahr stehen noch Arbeiten an der Fassade und der Sakristei an. Die Bauarbeiten an den Strebebögen und am Platz rund um die Kathedrale werden nach Angaben der Diözese sogar noch einige Jahre dauern.
Wie sieht Notre-Dame jetzt im Innern aus?
Beim Brand 2019 wurde von der Inneneinrichtung lediglich der Hauptaltar zerstört. Doch das Erzbistum hat entschieden, neben dem Altar auch Taufbecken, Hostienschrein und Bibelpult zu erneuern.
Alles erscheint nun wie aus einem Guss, aus rot-bräunlich schimmernder Bronze – und wurde von dem Künstler Guillaume Bardet erschaffen, der sich bei einer Ausschreibung gegen knapp siebzig andere Bewerber durchgesetzt hatte.
Kirche oder Staat – wer kann den Wiederaufbau von Notre-Dame als Erfolg verbuchen?
Staat und Religion sind in Frankreich streng getrennt. Zugleich ist der Staat Eigentümer aller Kirchen, die vor 1905 erbaut wurden. Das ist der Grund, warum Präsident Macron als oberster Bauherr von Notre-Dame auftreten konnte.
Der Präsident hätte der Kathedrale allzu gern seinen Stempel aufgedrückt, etwa durch einen Spitzturm eines zeitgenössischen Architekten. Doch die Charta von Venedig hat das verhindert. Nach ihr muss ein historisches Bauwerk nach einem Unglück originalgetreu wieder aufgebaut werden. Immerhin konnte Macron durchsetzen, dass ein Teil der Fenster aus dem 19. Jahrhundert durch zeitgenössische ersetzt wird.
Für Macron ist der Wiederaufbau ein großer politischer Erfolg, den er gebrauchen kann. Zur Wiedereröffnung wollte er in der Kathedrale eine Rede halten. Doch das sorgte im Erzbistum für Unmut.
Der Klerus empfand Macrons Wunsch als staatlichen Übergriff in Kirchenbelange. Monatelange rangen Élysée und Erzbistum darum, wo Macron sprechen darf. Der Sieger heißt Erzbischof Laurent Ulrich: Macron wird nun auf dem Vorplatz der Kathedrale auftreten.
Gestritten wurde auch über den Vorschlag von Kulturministerin Rachida Dati, für Notre-Dame künftig Eintritt zu verlangen, um mit den Einnahmen andere Kirchen im Land zu restaurieren. Das Erzbistum war strikt dagegen und hat sich auch in diesem Punkt durchgesetzt.
Warum ist Notre-Dame so berühmt?
Schon die Ausmaße der Kathedrale sind beeindruckend. Das monumentale Kircheninnere mit fünf Schiffen ist 130 Meter lang und 35 Meter hoch, die beiden Türme der Fassade ragen 69 Meter in den Himmel.
Die Pariser Kathedrale thront seit mehr als acht Jahrhunderten mitten in der Stadt auf einer Seine-Insel. Für Gläubige ist sie in ihrer Größe und Erhabenheit ein Symbol des Katholizismus, für andere ein gotisches Meisterwerk und eng mit der Geschichte Frankreichs verbunden. Napoleon Bonaparte krönte sich hier im Dezember 1804 in Anwesenheit von Papst Pius VII. selbst zum französischen Kaiser.
Victor Hugos Roman "Der Glöckner von Notre-Dame" (1831) machte das Gotteshaus zum Gegenstand romantischer Verklärung. Im Ersten Weltkrieg fanden in der Kathedrale Trauermessen für Soldaten statt, hier feierte Paris 1944 die Befreiung von den Nazi-Besatzern. 1996 wurde die Totenfeier für den ehemaligen Staatspräsidenten François Mitterrand in der Kathedrale zelebriert.
Wie sieht die Zukunft von Notre-Dame aus?
Vor April 2019 hatte die Pariser Kathedrale jährlich zwölf Millionen Besucherinnen und Besucher aus aller Welt angezogen – im ersten Jahr nach der Wiedereröffnung wird mit bis 15 Millionen Besuchern gerechnet. Das stellt das Erzbistum vor große logistische Herausforderungen.
Um den Besucherandrang zu kanalisieren, soll es eine Onlineanmeldung für bestimmte Zeitfenster geben. Gleichzeitig bietet der erwartete Ansturm Gelegenheit, für den christlichen Glauben zu werben, so gibt es zum Beispiel einen neuen Pilgerrundgang im Inneren der Kathedrale.
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