Nouripour: Kampfdrohnen nicht "leichtfertig" anschaffen
Omid Nouripour, Verteidigungsexperte von Bündnis90/Die Grünen, hat vor einer "leichtfertigen" Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr gewarnt. Die speziellen Einsatzmöglichkeiten der neuen Technik machten eine ethische Debatte erforderlich.
Marietta Schwarz: Kriegsführung am Bildschirm passiert nicht nur im Computerspiel, sondern wird längst praktiziert. Die USA zum Beispiel setzen regelmäßig Kampfdrohnen ein, um Terroristen oder militärische Feinde per Knopfdruck aus dem Weg zu räumen, obwohl dies völkerrechtlich umstritten ist.
Die Vereinten Nationen haben dazu gerade eine Untersuchung eingeleitet, doch auch die Bundesregierung will eigene, unbemannte bewaffnete Flugkörper. Die, so Verteidigungsminister de Maizière heute in der Bild-Zeitung, unterschieden sich in ihrer Wirkung nicht von Kampfflugzeugen, und Befürworter argumentieren außerdem, mit den Drohnen könne man die eigenen Soldaten, aber eben auch die Zivilbevölkerung besser schützen.
Ich habe den verteidigungspolitischen Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, gefragt, was er dem entgegenhalte?
Omid Nouripour: Das wäre eine gute Sache, wenn es so einfach wäre, es ist aber ein bisschen komplizierter. Wir müssen zum Beispiel darüber nachdenken und miteinander darüber diskutieren, wie die Hemmschwelle sowohl in der Politik, wenn es um den Beginn einer kriegerischen Auseinandersetzung geht, als auch bei den Personen, die am Bildschirm sitzen und mit einem Joystick auf einen Knopf drücken müssen, sich tatsächlich absenkt. Also, es ist durchaus denkbar, dass die Hemmschwelle zu töten und zur Kriegsführung gesenkt wird. Das wäre eine fatale Entwicklung.
Schwarz: Die jetzt eingeleitete UN-Untersuchung, die legt ja auch den Schluss nahe, dass das internationale Recht auf den Drohneneinsatz möglicherweise gar keine Antworten bietet. Ist das so?
Nouripour: Es ist selbstverständlich so, dass das Recht nicht auf jede bahnbrechende technische Entwicklung, egal ob zum Guten oder zum Schlechten, eine Antwort hat. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir die ethischen und rechtlichen Diskussionen an den Anfang stellen und vor allem für die deutsche Debatte, also wenn es um die Bundeswehr geht und um bewaffnete Drohnen, dass wir zuerst diskutieren, bevor eine Entscheidung gefällt wird, ob die Drohnen oder andere unbemannte Systeme tatsächlich beschafft werden müssen.
Schwarz: Sind Sie denn ein grundsätzlicher Gegner der Kampfdrohnen?
Nouripour: Ich finde, dass sehr viele Gründe auf dem Tisch sind, warum man skeptisch sein muss. Ich kann und weiß auch um Einsatzszenarien, bei denen sehr klar vom Militär dargelegt werden kann, warum Drohnen Sinn machen können. Es gibt auch andere …
Schwarz: Zum Beispiel?
Nouripour: Wenn es zum Beispiel darum geht, dass Soldaten im Hinterhalt sind und der einzige Unterschied zwischen einer Kampfdrohne und einem Hubschrauber wäre einfach, dass die Kampfdrohne schneller da ist. Aber da reden wir nicht mehr über die übliche Praxis der CIA, in Pakistan, nämlich um gezielte Tötungen. Bei solchen Einsätzen muss man sehr genau abwägen. Und natürlich ist aber auch die Frage zu stellen, ob denn eigentlich zum Beispiel denjenigen in der Bundeswehr, die die Kampfdrohne kaufen wollen, bekannt und klar ist, dass in den USA die Piloten der Kampfdrohnen deutlich überdurchschnittlich zu Kampfpiloten zum Beispiel posttraumatisch belastet sind, weil sie auf dem Bildschirm ziemlich genau sehen, was sie anrichten, was Kampfpiloten nicht tun. Also, es ist eine sehr komplizierte Materie und die verschiedenen Fassetten sind zu berücksichtigen, bevor man leichtfertig tatsächlich Kampfdrohnen beschafft für die Bundeswehr.
Schwarz: Dennoch kommt man wahrscheinlich an der Beschaffung von Kampfdrohnen gar nicht vorbei, wenn der Rest der Welt es auch tut?
Nouripour: Na ja, das ist ja, ich sage jetzt mal, ein Schafsargument. Wenn alle anderen etwas tun, muss ich es auch tun. Das ist so nicht richtig. Und es gibt auch keinen Herdendruck in der internationalen Gemeinschaft. Es ist aber völlig zu Recht beschrieben, dass immer mehr Länder unbemannte bewaffnete Systeme haben. Es geht, wie gesagt, nicht nur um Drohnen, es geht auch um Systeme zu Wasser oder an Land. Richtig ist auch, dass wir einwirken müssen, auch, also Deutschland, einwirken müssen, damit es Regularien gibt für solche Einsätze auf internationaler Ebene, dann entsprechend auch das internationale Recht angepasst wird.
Schwarz: Herr Nouripour, ist eine Kampfdrohne eine – in Anführungszeichen – bösere Waffe als ein bemanntes Flugzeug? Verteidigungsminister de Maizière, der spricht ja von der ethischen Neutralität der Waffen. Gibt es die?
Nouripour: Der Unterschied liegt nicht in der kinetischen Wirkung. Die kinetische Wirkung einer Rakete ist immer gleich, egal, woher sie kommt und von welchem Trägersystem die Rakete abgeschossen wird. Die zentrale Frage ist, ob die verkürzten Geschwindigkeiten, die verkürzten Zeiten, in denen die Entscheidung gefällt werden muss bei einer Drohne, und die Tatsache, dass man ja grundsätzlich keinerlei Gefahren hat für das eigene Leben, weil man ja im Trockenen sitzt im Gegensatz zum Beispiel zu einem Kampfpiloten, ob das nicht dazu führt, dass jemand schneller auf den Knopf drückt, wenn er mit einer Drohne unterwegs ist. Und deshalb ist das natürlich eine ethische Debatte, die man nicht von vornherein mit der Neutralität abräumen kann
Schwarz: Es ist auffällig, dass sich momentan viele Intellektuelle mit dem Thema Kampfdrohnen beschäftigen, die Zeitungen sind voll davon, dass aber aus der Politik nur hier und da mal tröpfchenweise etwas zu hören ist. Traut man sich nicht ran, weil das einen Rattenschwanz nach sich zieht, vielleicht auch eine Diskussion darüber, wie wir in Zukunft Kriege führen?
Nouripour: Ich kann da nur für meine eigene Fraktion sprechen. Wir diskutieren dieses Thema seit Längerem, und zwar auch, wie gesagt, deutlich breiter aufgestellt. Wir reden zum Beispiel auch über den übernächsten Schritt, der übernächste Schritt ist nicht, dass Systeme unbemannt sind, sondern dass sie komplett autonom wirken können. Das heißt, die werden nicht mehr geflogen, sondern nur programmiert und losgeschickt. Eine wahnsinnig beängstigende Entwicklung, die aus meiner Sicht zu ächten ist. Da reden wir nicht mehr von Drohnen und einem Joystick, da reden wir über eine Drohne ohne Joystick, die selbst nach Gesichtern schaut und selbst entscheidet, wann man eine Rakete abschießen muss. Also, wir führen die Debatte durchaus. Es ist halt normal, in Anführungsstrichen normal, dass mediale Aufmerksamkeit nach Konjunktur kommt, und wenn die Bundeswehr beteiligt wird, sehr viel genauer hingeschaut wird. Aber ich kann Ihnen versichern, dass die Fachwelt – und eine solche gibt es auch in der Politik – dieses Thema nun schon seit Längerem auf dem Schirm hat.
Schwarz: Omid Nouripour, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag war das. Herr Nouripour, danke für das Gespräch!
Nouripour: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr Infos zu diesem Thema auf dradio.de:
Streit um Kampfdrohnen für die Bundeswehr - Bundesinnenminister kündigt Entscheidung über Anschaffung für das Frühjahr an
Die Vereinten Nationen haben dazu gerade eine Untersuchung eingeleitet, doch auch die Bundesregierung will eigene, unbemannte bewaffnete Flugkörper. Die, so Verteidigungsminister de Maizière heute in der Bild-Zeitung, unterschieden sich in ihrer Wirkung nicht von Kampfflugzeugen, und Befürworter argumentieren außerdem, mit den Drohnen könne man die eigenen Soldaten, aber eben auch die Zivilbevölkerung besser schützen.
Ich habe den verteidigungspolitischen Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, gefragt, was er dem entgegenhalte?
Omid Nouripour: Das wäre eine gute Sache, wenn es so einfach wäre, es ist aber ein bisschen komplizierter. Wir müssen zum Beispiel darüber nachdenken und miteinander darüber diskutieren, wie die Hemmschwelle sowohl in der Politik, wenn es um den Beginn einer kriegerischen Auseinandersetzung geht, als auch bei den Personen, die am Bildschirm sitzen und mit einem Joystick auf einen Knopf drücken müssen, sich tatsächlich absenkt. Also, es ist durchaus denkbar, dass die Hemmschwelle zu töten und zur Kriegsführung gesenkt wird. Das wäre eine fatale Entwicklung.
Schwarz: Die jetzt eingeleitete UN-Untersuchung, die legt ja auch den Schluss nahe, dass das internationale Recht auf den Drohneneinsatz möglicherweise gar keine Antworten bietet. Ist das so?
Nouripour: Es ist selbstverständlich so, dass das Recht nicht auf jede bahnbrechende technische Entwicklung, egal ob zum Guten oder zum Schlechten, eine Antwort hat. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir die ethischen und rechtlichen Diskussionen an den Anfang stellen und vor allem für die deutsche Debatte, also wenn es um die Bundeswehr geht und um bewaffnete Drohnen, dass wir zuerst diskutieren, bevor eine Entscheidung gefällt wird, ob die Drohnen oder andere unbemannte Systeme tatsächlich beschafft werden müssen.
Schwarz: Sind Sie denn ein grundsätzlicher Gegner der Kampfdrohnen?
Nouripour: Ich finde, dass sehr viele Gründe auf dem Tisch sind, warum man skeptisch sein muss. Ich kann und weiß auch um Einsatzszenarien, bei denen sehr klar vom Militär dargelegt werden kann, warum Drohnen Sinn machen können. Es gibt auch andere …
Schwarz: Zum Beispiel?
Nouripour: Wenn es zum Beispiel darum geht, dass Soldaten im Hinterhalt sind und der einzige Unterschied zwischen einer Kampfdrohne und einem Hubschrauber wäre einfach, dass die Kampfdrohne schneller da ist. Aber da reden wir nicht mehr über die übliche Praxis der CIA, in Pakistan, nämlich um gezielte Tötungen. Bei solchen Einsätzen muss man sehr genau abwägen. Und natürlich ist aber auch die Frage zu stellen, ob denn eigentlich zum Beispiel denjenigen in der Bundeswehr, die die Kampfdrohne kaufen wollen, bekannt und klar ist, dass in den USA die Piloten der Kampfdrohnen deutlich überdurchschnittlich zu Kampfpiloten zum Beispiel posttraumatisch belastet sind, weil sie auf dem Bildschirm ziemlich genau sehen, was sie anrichten, was Kampfpiloten nicht tun. Also, es ist eine sehr komplizierte Materie und die verschiedenen Fassetten sind zu berücksichtigen, bevor man leichtfertig tatsächlich Kampfdrohnen beschafft für die Bundeswehr.
Schwarz: Dennoch kommt man wahrscheinlich an der Beschaffung von Kampfdrohnen gar nicht vorbei, wenn der Rest der Welt es auch tut?
Nouripour: Na ja, das ist ja, ich sage jetzt mal, ein Schafsargument. Wenn alle anderen etwas tun, muss ich es auch tun. Das ist so nicht richtig. Und es gibt auch keinen Herdendruck in der internationalen Gemeinschaft. Es ist aber völlig zu Recht beschrieben, dass immer mehr Länder unbemannte bewaffnete Systeme haben. Es geht, wie gesagt, nicht nur um Drohnen, es geht auch um Systeme zu Wasser oder an Land. Richtig ist auch, dass wir einwirken müssen, auch, also Deutschland, einwirken müssen, damit es Regularien gibt für solche Einsätze auf internationaler Ebene, dann entsprechend auch das internationale Recht angepasst wird.
Schwarz: Herr Nouripour, ist eine Kampfdrohne eine – in Anführungszeichen – bösere Waffe als ein bemanntes Flugzeug? Verteidigungsminister de Maizière, der spricht ja von der ethischen Neutralität der Waffen. Gibt es die?
Nouripour: Der Unterschied liegt nicht in der kinetischen Wirkung. Die kinetische Wirkung einer Rakete ist immer gleich, egal, woher sie kommt und von welchem Trägersystem die Rakete abgeschossen wird. Die zentrale Frage ist, ob die verkürzten Geschwindigkeiten, die verkürzten Zeiten, in denen die Entscheidung gefällt werden muss bei einer Drohne, und die Tatsache, dass man ja grundsätzlich keinerlei Gefahren hat für das eigene Leben, weil man ja im Trockenen sitzt im Gegensatz zum Beispiel zu einem Kampfpiloten, ob das nicht dazu führt, dass jemand schneller auf den Knopf drückt, wenn er mit einer Drohne unterwegs ist. Und deshalb ist das natürlich eine ethische Debatte, die man nicht von vornherein mit der Neutralität abräumen kann
Schwarz: Es ist auffällig, dass sich momentan viele Intellektuelle mit dem Thema Kampfdrohnen beschäftigen, die Zeitungen sind voll davon, dass aber aus der Politik nur hier und da mal tröpfchenweise etwas zu hören ist. Traut man sich nicht ran, weil das einen Rattenschwanz nach sich zieht, vielleicht auch eine Diskussion darüber, wie wir in Zukunft Kriege führen?
Nouripour: Ich kann da nur für meine eigene Fraktion sprechen. Wir diskutieren dieses Thema seit Längerem, und zwar auch, wie gesagt, deutlich breiter aufgestellt. Wir reden zum Beispiel auch über den übernächsten Schritt, der übernächste Schritt ist nicht, dass Systeme unbemannt sind, sondern dass sie komplett autonom wirken können. Das heißt, die werden nicht mehr geflogen, sondern nur programmiert und losgeschickt. Eine wahnsinnig beängstigende Entwicklung, die aus meiner Sicht zu ächten ist. Da reden wir nicht mehr von Drohnen und einem Joystick, da reden wir über eine Drohne ohne Joystick, die selbst nach Gesichtern schaut und selbst entscheidet, wann man eine Rakete abschießen muss. Also, wir führen die Debatte durchaus. Es ist halt normal, in Anführungsstrichen normal, dass mediale Aufmerksamkeit nach Konjunktur kommt, und wenn die Bundeswehr beteiligt wird, sehr viel genauer hingeschaut wird. Aber ich kann Ihnen versichern, dass die Fachwelt – und eine solche gibt es auch in der Politik – dieses Thema nun schon seit Längerem auf dem Schirm hat.
Schwarz: Omid Nouripour, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag war das. Herr Nouripour, danke für das Gespräch!
Nouripour: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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