NPD-Verbot? Lieber nicht!
Endlich wird Ruhe sein - wenn wir die NPD erst verboten haben: Der Demokratie also mit undemokratischen Mitteln ein Bein gestellt haben. Dann stellen die noch im Untergrund verbliebenen Rechtsterroristen ihre Arbeit ein und die Aktivisten der Neonazi-Ortsvereine gehen nach Hause und machen Gartenarbeit.
Und wenn dann doch noch mal ein ausländischer Mitbürger erschlagen wird, dann kann das erstens nicht sein, und wenn es zweitens doch so war, dann sicherlich nicht aus rassistischen Motiven, nein, dann war es wohl ein "Dönermord" oder es ging um Schutzgeld.
Selten wurde so parteiübergreifend eine politische Forderung aufgestellt wie die nach dem Verbot der NPD. Nach der Enttarnung der Zwickauer Terrorzelle vergingen wenige Tage, bis die ersten Forderungen nach einem Verbot laut wurden. Als ob wir vorher kein Problem mit Alltagsrassismus und rechtsextremen Morden gehabt hätten – auffälligerweise haben auch jene laut geschrien, die sich zuvor nicht besonders um diese Problematik gekümmert haben.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ja, die NPD ist eine rechtsextreme bis neofaschistische Partei, ja, es gibt Gründe, die für ein Verbot sprechen. Aber ein NPD-Verbot wäre reine Symbolpolitik und würde nichts an der Situation verbessern.
Ein Verfassungsrechtler hat vor Kurzem das Dilemma eines Parteienverbots auf den Punkt gebracht: Die Demokratie kann sich mit demokratischen Mitteln abschaffen. Und wenn sich die Demokratie just davor schützen will, dann kann dieser Versuch selbst undemokratisch sein. Ein Parteienverbot also ist die Ultima Ratio. Und bislang wurden nicht einmal ansatzweise alle anderen Möglichkeiten genutzt, um Neofaschismus und Rassismus zu begegnen: eine kontinuierliche Demokratie bildende Arbeit in Ostvorpommern oder der Sächsischen Schweiz, wo die NPD mancherorts verankert ist wie keine andere Partei; eine Förderung von zivilgesellschaftlichen Kräften für mehr als zwei Jahre Projektdauer; und überhaupt: die Würdigung – und nicht die Kriminalisierung – von Menschen und Initiativen, die sich tagtäglich Neonazis entgegenstellen. Diese nämlich stellt die Bundesregierung – allen voran Ministerin Schröder – durch die zu unterschreibende Extremismusklausel unter den Generalverdacht des Linksextremismus.
Aber was will man schon erwarten von einem Staat, der erst seit der Enttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds die Todesopfer rechtsextremer Gewalt überhaupt zur Kenntnis nimmt. Seit 1990, recherchierte der Berliner "Tagesspiegel", haben Rechtsextremisten mindestens 137 Menschen ermordet, die Opfer des NSU nicht mitgezählt. Die Polizei zählte lediglich 47 Todesopfer.
Und noch eine Zahl ist nötig, um die wahren Schwierigkeiten unserer Demokratie zu verstehen. 15 bis 20 Prozent der Deutschen sind empfänglich für rassistische, antisemitische oder antidemokratische Botschaften. Sie könnten einer rechten Sammlungsbewegung ihre Stimme geben. Eine Bewegung, die gegen Moscheen demonstriert und sich, wie verlogen, womöglich "freiheitlich" nennt. In fast allen europäischen Nachbarländern gibt es eine solche Partei, nur bei uns noch nicht. Auch die NPD hat nicht das Zeug dazu. Sie ist zu faschistoid, zu dumpf, zu weit weg vom demokratischen System. Ein Verbot der NPD würde jedoch ein Vakuum am rechten Rand erzeugen, das schnell besetzt wäre. Und glaube keiner, die NPD-Funktionäre hätten nicht selbst schon einen Plan B in der Tasche, mit dem sie ruckzuck wieder da wären: Etwas weicher und etwas seriöser, aber vielleicht dauerhaft und flächendeckend zweistellig. Das wäre das größere Übel.
Das geringere ist eine kleine NPD, die wir in unserer Demokratie ertragen sollten. Und die uns tagtäglich daran erinnert, was noch alles zu tun ist.
Thilo Schmidt, geboren 1976, Diplompolitologe, ist freier Autor und Hörfunk-Journalist. Unter anderem setzt er sich mit dem Themenbereich Rechtsextremismus auseinander. Seit 2010 ist er Lehrbeauftragter im Masterstudiengang Kulturjournalismus an der Universität der Künste Berlin. Schmidt lebt in Berlin.
Selten wurde so parteiübergreifend eine politische Forderung aufgestellt wie die nach dem Verbot der NPD. Nach der Enttarnung der Zwickauer Terrorzelle vergingen wenige Tage, bis die ersten Forderungen nach einem Verbot laut wurden. Als ob wir vorher kein Problem mit Alltagsrassismus und rechtsextremen Morden gehabt hätten – auffälligerweise haben auch jene laut geschrien, die sich zuvor nicht besonders um diese Problematik gekümmert haben.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ja, die NPD ist eine rechtsextreme bis neofaschistische Partei, ja, es gibt Gründe, die für ein Verbot sprechen. Aber ein NPD-Verbot wäre reine Symbolpolitik und würde nichts an der Situation verbessern.
Ein Verfassungsrechtler hat vor Kurzem das Dilemma eines Parteienverbots auf den Punkt gebracht: Die Demokratie kann sich mit demokratischen Mitteln abschaffen. Und wenn sich die Demokratie just davor schützen will, dann kann dieser Versuch selbst undemokratisch sein. Ein Parteienverbot also ist die Ultima Ratio. Und bislang wurden nicht einmal ansatzweise alle anderen Möglichkeiten genutzt, um Neofaschismus und Rassismus zu begegnen: eine kontinuierliche Demokratie bildende Arbeit in Ostvorpommern oder der Sächsischen Schweiz, wo die NPD mancherorts verankert ist wie keine andere Partei; eine Förderung von zivilgesellschaftlichen Kräften für mehr als zwei Jahre Projektdauer; und überhaupt: die Würdigung – und nicht die Kriminalisierung – von Menschen und Initiativen, die sich tagtäglich Neonazis entgegenstellen. Diese nämlich stellt die Bundesregierung – allen voran Ministerin Schröder – durch die zu unterschreibende Extremismusklausel unter den Generalverdacht des Linksextremismus.
Aber was will man schon erwarten von einem Staat, der erst seit der Enttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds die Todesopfer rechtsextremer Gewalt überhaupt zur Kenntnis nimmt. Seit 1990, recherchierte der Berliner "Tagesspiegel", haben Rechtsextremisten mindestens 137 Menschen ermordet, die Opfer des NSU nicht mitgezählt. Die Polizei zählte lediglich 47 Todesopfer.
Und noch eine Zahl ist nötig, um die wahren Schwierigkeiten unserer Demokratie zu verstehen. 15 bis 20 Prozent der Deutschen sind empfänglich für rassistische, antisemitische oder antidemokratische Botschaften. Sie könnten einer rechten Sammlungsbewegung ihre Stimme geben. Eine Bewegung, die gegen Moscheen demonstriert und sich, wie verlogen, womöglich "freiheitlich" nennt. In fast allen europäischen Nachbarländern gibt es eine solche Partei, nur bei uns noch nicht. Auch die NPD hat nicht das Zeug dazu. Sie ist zu faschistoid, zu dumpf, zu weit weg vom demokratischen System. Ein Verbot der NPD würde jedoch ein Vakuum am rechten Rand erzeugen, das schnell besetzt wäre. Und glaube keiner, die NPD-Funktionäre hätten nicht selbst schon einen Plan B in der Tasche, mit dem sie ruckzuck wieder da wären: Etwas weicher und etwas seriöser, aber vielleicht dauerhaft und flächendeckend zweistellig. Das wäre das größere Übel.
Das geringere ist eine kleine NPD, die wir in unserer Demokratie ertragen sollten. Und die uns tagtäglich daran erinnert, was noch alles zu tun ist.
Thilo Schmidt, geboren 1976, Diplompolitologe, ist freier Autor und Hörfunk-Journalist. Unter anderem setzt er sich mit dem Themenbereich Rechtsextremismus auseinander. Seit 2010 ist er Lehrbeauftragter im Masterstudiengang Kulturjournalismus an der Universität der Künste Berlin. Schmidt lebt in Berlin.