NS-Dokuzentrum München

Ein Ort zum Nachdenken

Blick auf den ehemaligen Führerbau und den Neubau des NS-Dokumentationszentrums in München.
Der ehemalige Führerbau und der Neubau des NS-Dokumentationszentrums in München, das am 30. April 2015 eröffnet wird. © picture alliance / dpa - Sven Hoppe
Von Michael Watzke |
München gilt als die ehemalige Hauptstadt der Bewegung des Nationalsozialismus. 70 Jahre nach dem Ende des Nazi-Regimes erhält die bayrische Landeshauptstadt nun ein NS-Dokumentationszentrum. Ein Ort der Erinnerung in einem Bau, der stören will.
Wer mit Professor Winfried Nerdinger über das neue NS-Dokumentations-Zentrum in München spricht, sollte ein Wort nicht benutzen: Museum.
"Museum heißt immer auch, dass sie sich auf einzelne Objekte konzentrieren. Es wird ihnen etwas gezeigt, damit wird ein solches Objekt auch immer als ein ästhetischer Gegenstand präsentiert. Wir setzen uns hier aber mit dem Nationalsozialismus auseinander. Das ist keine Angelegenheit einer Musealisierung, sondern es geht um die rationale Auseinandersetzung."
Diese Rationalität sieht man schon dem Gebäude an: ein weißer Kubus aus Beton mit schwarzen, schmalen Fensterscheiben. Das will so gar nicht in die Architektur des Königsplatzes passen, mit seinen neo-klassizistischen Prunkbauwerken. Genau das ist auch das Ziel von Nerdinger, dem Gründungsdirektor des NS-Dokuzentrums.
"Wir wollen hier stören. Ich glaube, dieser Bau ist durchaus ein störendes Element in diesem klassizistischen oder auch neo-klassizistischen Nazi-Ensemble am Königsplatz. So ist er auch von Anfang an konzipiert worden. Bereits im Wettbewerb der Architekten hieß es: Es soll ein Zeichen der Moderne gesetzt werden. Deswegen ein moderner Baustoff - Beton. Das setzt sich damit ab von all den umgebenen Natursteinbauten. Asymmetrisch in der Fenstergliederung. Alles ist hier ganz symmetrisch. Die ganze Maxvorstadt ist auf Symmetrie ausgelegt. Symmetrie ist ein altes Zeichen der Unterordnung und wird auf eine Person oder einen Punkt ausgerichtet. Das wird ganz bewusst gestört."
Überreste von Nazi-Ehrentempeln liegen direkt vorm Zentrum
Störend empfanden viele Münchner nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus die Erinnerung. Dass München die Hauptstadt der Bewegung war, dass der Königsplatz als Aufmarschzentrum und Parteizentrale der NSDAP diente, das wollte man vergessen. Es sollte Gras drüber wachsen - wie über die Fundamente von zwei Nazi-Ehrentempeln, deren Überreste jetzt genau vor dem NS-Doku-Zentrum liegen. Einer ist immer noch völlig zugewachsen. Den anderen hat Architektur-Professor Nerdinger bewusst roden lassen. Er hatte festgestellt, dass nicht mal seine Studenten, die täglich an den Ruinen vorbeigingen, ihre Bedeutung kannten.
"Wir setzen uns wieder mit der Geschichte auseinander. Wir konfrontieren uns mit der Geschichte, insofern ist dieser abgeräumte Sockel, wenn Sie so wollen, auch eine Art stummer Zeuge, der schon den Besucher empfängt. Der wird hier konfrontiert, wird drauf gestoßen: Was ist hier eigentlich. Aufeinmal ist das wieder im Stadtraum sichtbar und genau das wollen wir ja. Wir wollen ja Anstoß geben zum Nachdenken."
Andere deutsche Städte haben das längst getan. In Berlin gibt es die Topografie des Terrors - mit jährlich 900.000 Besuchern. In Nürnberg, einem Aufmarschplatz der Nazis, besuchen jährlich 200.000 Menschen das dortige Doku-Zentrum. Nur München ließ sich noch einmal 20 Jahre länger Zeit.
"Ich erkläre das damit, dass München eben ganz besonders mit dem Nationalsozialismus verknüpft war. Hier ist ja alles entstanden. 1919 wurde die Partei gegründet. Dann entstanden SA und SS - alles hier. Und diese Partei wurde unterstützt vom Münchener Bürgertum. Sie hat Unterstützung von der Verwaltung bis hin zum Polizeipräsidenten bekommen. Manche Historiker gehen so weit zu sagen: ohne München kein Hitler."
Einsatz von moderner Technik
Wer die Ausstellung in München durchwandert, vom vierten Obergeschoss mit Blick über München bis in den dunklen Keller, der wird dazu tendieren, sich dieser Historiker-Meinung anzuschließen. Eine dunkle Zeitspanne lang war Hitler München, und München Hitler. Die Ausstellung macht aber nicht den Fehler, den Besucher quasi zu erschlagen mit zu viel Information und Schuldgefühlen. Gründungsdirektor Nerdinger, der sich seit 1988 für dieses Doku-Zentrum einsetzt, will schließlich auch Generationen für Geschichte interessieren, die keinen direkten Bezug mehr zur Nazi-Diktatur haben. Er tut es mit moderner Technik.
"Wir glauben, dass wir damit auch gerade jüngere Generationen ansprechen können, die fast spielerisch dann an solchen großen Touch-Tablen zu diesem Problem finden, und die sich dann da auseinandersetzen können. Und es sind direkt zugeordnet zwei Seminarräume."
Die werden in Zukunft bayrische Schulklassen nutzen. Aber auch Zeit-Historiker und Wissenschaftler. Morgen wird das Münchner NS-Doku-Zentrum offiziell eröffnet. 70 Jahre nach dem Ende des Nazi-Regimes.
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