Die Ausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden – Juden im deutschen Fußball" ist noch bis 29. November 2015 in der Gedenkstätte Topf & Söhne in Erfurt zu sehen.
Kein Platz für jüdische Spieler
Eine Ausstellung in Erfurt widmet sich der Geschichte von Juden im deutschen Fußball. Darin wird deutlich, wie die Nazis nach 1933 auf die Vereine einwirkten, um jüdische Sportler zu diskriminieren. Die Geschichte eines Spielers bewegt besonders.
Samstagnachmittag bei "Topf & Söhne", den Erfurter Ofenbauern von Auschwitz, eine Gedenkstätte. Vier junge Leute aus Meiningen in Südthüringen kommen in die Sonderausstellung "Kicker, Kämpfer, Legenden – Juden im deutschen Fußball". Sie kommen gerade aus dem Stadion.
Ja, wer von ihnen hatte die Idee, hierher zu kommen? Wie sind sie da drauf gekommen? Normale Fußballfans gehen vom Bahnhof oder vom Auto zum Stadion und dann wieder zurück!
"Oder in die nächste Kneipe. - Ich hab's bei Facebook gelesen. Und hab dann ein bißchen recherchiert über die Homepage und hab gedacht, das kann man gut mit einem Fußballspiel anschließend mal verbinden. Nicht immer: Stadion raus, Augen zu und nach Hause oder wohin auch immer, sondern darüber hinaus noch was mitnehmen, was uns ja alle angeht. Fußball ist eben doch mehr als nur das Spiel!"
Mario Walther kommt mit seinen Freunden. Er trägt ein Rot-Weiß-Erfurt-Trikot. Die Wanderausstellung "Juden im deutschen Fußball" stammt vom Berliner Centrum Judaicum. In Erfurt wurde sie erweitert durch einen eigenständigen Thüringer Teil. Die Recherche dafür hat Susanne Zielinski geleistet. Die junge Historikerin führt auch die Fans durch die Ausstellung.
"Zunächst mal die Zeit vor 1933. Da zeigt sich immer wieder, dass gerade jüdische Bürger aus dem Deutschen Reich ganz stark daran beteiligt waren, den Fußball aufzubauen, den zu fördern, die da auch selber aktive Spieler waren mit unheimlichen Erfolgen. Walther Bensemann, Kurt Landauer ‑ Walther Bensemann, ganz wichtig durch die Gründung des 'Kicker', das ist ja eine Fußballzeitschrift, die heute auch noch existiert. Und Kurt Landauer als Präsident des FC Bayern Münschen. Also, wir gucken uns mal ein paar Beispiele an."
Wie Nazionalsozialisten in den Sport eingriffen
Die Ausstellung zeigt sehr konkret, wie der Nationalsozialismus in den Sport, den Fußball eingriff, um Juden zu diskriminieren. Wie schnell deutsche Vereine ihre Spieler, Förderer, Funktionäre und Fans aussonderten, wenn sie nicht den rassischen Vorstellungen der Nazis entsprachen.
"Wir haben jetzt hier beispielsweise einen Auszug aus einer Vereinszeitung von Eintracht Dortmund. Und im Monatsheft von 1933 kommt dieser Arierparagraf schon vor. Also, da steht: 'Der Arierparagraf wird angenommen und verpflichtet alle Vereine, alle jüdischen Mitglieder aus ihren Reihen auszuscheiden. Mit dieser Ausscheidung ist sofort zu beginnen.'"
Die jüdische Sportvereine wuchsen damals rapide, von 8.000 auf letztlich 60.000 Mitglieder.
"1938 spätestens, nach dem Novemberpogrom, ist es natürlich so, dass tatsächlich in der Praxis keine jüdischen Bürger mehr in Vereinen drin sind. Also, die kämpfen um ihr Leben."
Die Ausstellung berichtet von Ausgrenzung, Verfolgung, Emigration, von Mord. Immer am konkreten Beispiel.
"An der Stelle würde ich tatsächlich mal rüber wechseln, weil wir da, glaube ich, ganz gut anknüpfen können."
Die Geschichte des Martin Rosskamm
Susanne Zielinski führt die vier Fußballfans zum Thüringer Teil der Ausstellung. Beispiel Meiningen, da kommen sie her:
"Und in Meiningen gibt es eine sehr große jüdische Gemeinde, die sponsern Geld, da wird ein eigener Sportplatz sogar gekauft; das ist der einzige Verein in Thüringen, der sich das tatsächlich leisten kann. Es ist sogar so, dass zur Einweihung des Sportplatzes 300 Besucher aus der ganzen Region kommen."
Am Ende der Führung bringt Susanne Zielinski noch ein Beispiel aus der Heimatregion der kleinen Gruppe, aus Schwarza: 1935 tritt der bürgerliche Fußballclub Schwarzgelb gegen den 1. FC Schweinfurth 05 an, einen damals sehr erfolgreichen Verein. Für Schwarza dabei ein beliebter Spieler, Martin Rosskamm, ein Jude. Dass aber ein Jude mitspielt, will der NSDAP-Kreisleiter, Otto Recknagel, unmittelbar vor Spielbeginn verhindern.
"Der ist also auf den Platz gegangen und hat gesagt: 'Hier kann es nicht eher losgehen, bevor Martin Rosskamm dieses Feld nicht verlässt.' Also: 'Der Jude muss weg!' Und dann passiert was, was man gerade 1935, also, da sind wir ja schon mitten im Nationalsozialismus, eigentlich gar nicht mehr für möglich hält: Sowohl die eigene Mannschaft als auch die gegnerische Mannschaft und das Publikum gehen auf die Barrikaden, wehren sich so vehement dagegen, dass dieser Spieler nicht mitspielen darf, dass also Otto Recknagel klein beigeben muss und das Feld verlassen muss und dieses Spiel dann tatsächlich stattfindet."