NS-Kriegsverbrecher

Mit Aktionskunst gegen Jodl-Grab

Der Aktionskünstler Wolfram Kastner vor Beginn seines Prozesses im Landgericht in München. Er zeigt ein Foto, auf dem das Denkmal für den als Kriegsverbrecher hingerichteten General A. Jodl auf der Fraueninsel im Chiemsee zu sehen ist. Kastner hatte das Denkmal unter anderem mit einer Hinweistafel mit der Aufschrift "Keine Ehre für einen Kriegsverbrecher" und roter Farbe als Symbol für das von ihm vergossene Blut versehen.
Der Aktionskünstler Wolfram Kastner mit einem Foto des Denkmals für den als Kriegsverbrecher hingerichteten General A. Jodl. © picture alliance / dpa / Matthias Balk
Von Ulrich Trebbin |
Generaloberst Alfred Jodl war für schwere Kriegsverbrechen in Russland verantwortlich und ist dafür zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner versucht, gegen sein Grab im oberbayerischen Chiemsee vorzugehen.
Generaloberst Alfred Jodl war alles andere als ein Mitläufer. Er war an der Deportation der europäischen Juden in die Vernichtungslager beteiligt und hat im Zweiten Weltkrieg als Chef des Wehrmachtführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht Militäroperationen mitgeplant. Unter anderem beim Feldzug gegen die Sowjetunion ist er für schwere Kriegsverbrechen verantwortlich. Bei den Nürnberger Prozessen zählte Jodl deshalb zu den 24 Hauptkriegsverbrechern. Obwohl die Alliierten seine Asche in die Isar gestreut haben, steht am Friedhof auf der Fraueninsel im Chiemsee ein fast mannshoher Grabstein für ihn – eingemeißelt sind neben Name und Lebensdaten auch ein Eisernes Kreuz und sein militärischer Dienstgrad "Generaloberst". Von Alfred Jodls Untaten steht hier nichts zu lesen.
"Es wäre gut, wenn du die Tafel bereit hältst, sobald die Farbe dran ist und dass wir zwei die Farbe dranbringen, so dass nicht viel anderes damit befleckt wird."

Verherrlichung und Verharmlosung von NS-Unrecht

Der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner hat im vergangenen Sommer gemeinsam mit anderen Aktivisten blutrote Farbe auf Jodls Grabstein auf der Fraueninsel im Chiemsee geschüttet und eine Tafel angebracht mit der Aufschrift "Keine Ehre dem Kriegsverbrecher". Denn der Künstler sieht in dem Grabstein ein Ehrenmal, das Jodl verherrlicht und NS-Unrecht verharmlost. In einer früheren Aktion hatte er bereits das Jott von Jodls Namen abmontiert und ans Deutsche Historische Museum in Berlin geschickt. Da stand auf dem Grabstein nur noch "Odl" – das bayerische Wort für Jauche oder Gülle. Die Gemeinde hat es seinen Worten nach abgelehnt, mit ihm über das Grab zu verhandeln, ebenso der Grabeigentümer. – Einem Bewohner der Fraueninsel, Georg Wieland, ist die Grabstätte ebenfalls ein Ärgernis. Deshalb hat er Petitionen an den Bundestag und den Bayerischen Landtag gerichtet. Ohne Erfolg.
"Des ist doch Wahnsinn. Jetzt war 70 Jahre Überfall Russlands und der Kommissarbefehl, der wichtigste Befehl, den hat er unterschrieben, da sind 1,5 Millionen in Petersburg umgekommen. Das ist ja kein Honiglecken. Aber hier ist das einfach tabu."
Autor: "Haben Sie Leute da liegen am Friedhof?"
"Ja, bin die sechste Generation auf dem Anwesen auf der Insel hier. Da sind mütterlicherseits und väterlicherseits liegen die Vorfahren hier.
Autor: "Hat das damit zu tun, dass sie sich stören?"
"Natürlich! Ich selber stör mich, also sollte ich da mal beerdigt werden, dann stört mich das maßlos."
Dass das Grab 2018 ohnehin aufgelassen werden soll und dann auch die Ehrung für Alfred Jodl verschwände, daran glaubt Georg Wieland nicht. Außerdem ist für ihn ist jeder Tag einer zu viel. Die Farbaktion des Künstlers Wolfram Kastner hat er begrüßt.
"Ja, das ist gut, weil eine Kunstaktion viel mehr Möglichkeiten hat. Ich hab alles verbal gemacht, schriftlich gemacht und versucht, mit verschiedenen Leuten zu reden, aber das bringt gar nichts, aber erst wenn man was zerstört oder verändert, dann kommt der Begriff Sachbeschädigung und es wird mobil gemacht. Dann kommt das Amt und die Polizei. Vorher passiert nichts."

Bundesweite Kunstaktionen von Wolfram Kastner

Der Künstler Wolfram Kastner hat sich deutschlandweit einen Namen gemacht, weil er in vielen Städten mit großen, kreisrunden Brandflecken an die Bücherverbrennung der Nazis erinnerte. An Kränzen, die für SS-Leute im öffentlichen Raum abgelegt werden, schneidet er auch schon mal die Ehrenschleifen ab oder verändert die Schriften von Kriegerdenkmälern, weil sie seiner Meinung nach den Krieg verharmlosen.
"Dieses Ehrenkreuz für den Jodl ist ja heute noch da. Es ist ja nicht vorbei. Es ist sozusagen ein Teil der heutigen Gegenwart. Und deswegen muss man es heute behandeln und sichtbar machen, was heute in diesem Land an Geschichtsbewusstsein da ist. Und deswegen mit den Mitteln der Kunst etwas sichtbar zu machen, darum geht es. Da ist viel Vertuschen, viel Verschweigen, viel: ´Ach, des ist doch vorbei.` Es ist eben nicht vorbei, sondern es ist präsent. Dieses Denkmal ist ja nicht weg."
Wolfram Kastners Aktionen am Jodl-Grab haben einiges an öffentlicher Aufmerksamkeit hervorgerufen. Zeitung, Radio und Fernsehen haben immer wieder Reporter geschickt und berichtet. Auch die NPD ist am Friedhof aufmarschiert, um das Grab von der Farbe zu reinigen. Unterdessen hat der Inhaber des Grabes beim Münchner Landgericht eine einstweilige Verfügung erwirkt, die besagt, dass der Künstler keine weiteren Aktionen am Grab unternehmen darf. Kastner hat dagegen geklagt – vergeblich: Das Gericht wertete das Eigentumsrecht des Grabinhabers höher als das Recht zur Freiheit der Kunst. Außerdem hat das Amtsgericht Rosenheim gegen den Künstler einen Strafbefehl über 10.500 Euro erlassen – wegen Nötigung, Diebstahl und Sachbeschädigung. Dagegen hat Kastner Widerspruch eingelegt. Der Ausgang ist noch offen. Bislang hat der Künstler sehr selten gerichtliche Niederlagen hinnehmen müssen. Den Ärger riskiert er aber. Um reine Provokation gehe es ihm aber nicht.
"Nein, das wird mir oft unterstellt. Die Provokation liegt in der Wirklichkeit, nicht in mir. Ich gehe eigentlich davon aus, dass es auf Zustimmung stößt und ich würde mir wünschen, dass da im Stadtrat oder Landtag eine positivere Stimmung gäbe. Ich wills niemandem in der Konfrontation zeigen, sondern ich will Menschen gewinnen, dass sie hinschauen und nachdenken, und vielleicht auch manchmal eine Position überdenken und ändern. Ich will weder Streit mit der Polizei noch mit einer Behörde oder sonst was. Das sind mir die ja auch gar nicht wert. Nur die spielen mit, ohne dass ich sie rufe, und wollen verhindern, einschränken, begrenzen, bestrafen, Bußgelder und so weiter. Und ich knicke da nicht ein."
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