NS-Regime als „Gefälligkeitsdiktatur“

Bei der Analyse des Nationalsozialismus in Deutschland stellt sich für Historiker immer wieder die zentrale Frage: Weshalb folgten die Deutschen Adolf Hitler?
Manche Historiker sprechen von einer Verführung des Volkes, andere führen die Gefolgschaft der Bevölkerung auf den Repressionsapparat des NS-Regimes zurück.

Der Historiker Götz Aly kommt in seinem neuen Buch „Hitlers Volksstaat“ zu einem anderen Ergebnis: Er bezeichnet das NS-Regime als „Gefälligkeitsdiktatur“.

Alys Analyse zeigt Hitler, die Gauleiter, die Minister und Staatsekretäre als klassische Stimmungspolitiker, die sich das Wohlwollen der kleinen Leute im Land erkauften. Durch eine Fülle von Steuerprivilegien, mit Millionen Tonnen geraubter Lebensmittel und mit der Umverteilung des „arisierten“ Eigentums von verfolgten und ermordeten Juden aus ganz Europa sicherten sie sich die Zustimmung der schweigenden Mehrheitsbevölkerung. Aly nennt das „eine kontinuierliche sozialpolitische Bestechung“.
Demnach basierte die Gefolgschaft der Deutschen Alys Analyse zufolge auf Raub, Rassenkrieg und Mord.

Neuer Akzent in der Forschung

Der Historiker Hans Mommsen lobte den Ansatz von Aly. Er setze neue Akzente in der Forschung, sagte Mommsen. Aly zeige, wie das NS-Regime durch die Verheißung eines „sozialen Volksstaates“ einen attraktiven Mythos schaffe, der ihm die Gefolgschaft vor allem der jüngeren Generation eintrage. Insofern habe das Programm des „nationalen Sozialismus“ weit mehr dargestellt als eine leere Propagandaformel.

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ schreibt, das Buch lege einleuchtend den symbiotischen Zusammenhang zwischen attraktiven und kriminellen Elementen im Nationalsozialismus dar.

Hitlers Volksstaat
Rassenkrieg und nationaler Sozialismus.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005
Gebunden, 464 Seiten, 22,90 EUR