NSA-Skandal

Das wird keine leichte Debatte

Aufnahme von Edward Snowden, die aus einem Video-Interview mit dem britischen "Guardian" vom Juni 2013 stammt
Aufnahme von Edward Snowden, die aus einem Video-Interview mit dem britischen "Guardian" vom Juni 2013 stammt © picture alliance / dpa
Von Falk Steiner, Deutschlandradio-Hauptstadtstudio |
Heute ging es im NSA-Untersuchungsausschuss vor allem um die Frage, ob, wann und wo der Whistleblower Edward Snowden befragt werden kann. Nun geht es darum, herauszufinden was war, was ist und was künftig werden soll.
Es ist geschafft. Nach zähem Ringen hat sich der NSA-Untersuchungsausschuss durchgerungen, das zu beschließen, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit war: Edward Snowden soll als Zeuge vernommen werden. Das Wie, das Wann und das Wo, sie bleiben vorerst offen und es wird weiter darum gestritten werden. Es sind also nur die ersten, formalen Millimeter auf dem langen Weg zur Aufklärung, die die Abgeordneten nun hinter sich gebracht haben.
Jetzt aber wäre es an der Zeit, sich zu besinnen und die Aufgabe wahrzunehmen, die ein Untersuchungsausschuss des Bundestages hat: mit der Aufklärung in der Sache zu beginnen und nach Antworten zu suchen. Darin steckt mindestens so viel politischer Sprengstoff wie in der Frage einer Snowden-Anhörung.
Gemeinsame Werte im Hinblick auf Demokratie und Menschenwürde?
Im Kern geht es nach wie vor um den Vorwurf, dass in einer Welt, in der Datenströme technisch keine Rücksicht auf nationale Grenzen nehmen, bestimmte Akteure – namentlich die USA, Großbritannien und ihre engsten Verbündeten – ihre technischen Möglichkeiten, ihre geografische Lage und ihren Einfluss auf wichtige Unternehmen und Institutionen der digitalen Welt missbrauchen, um sich einen politischen und vielleicht auch wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen. Dabei legen sie ein dem deutschen Verständnis nach inakzeptables Geringschätzen der Grundrechte der Bürger dieser Welt an den Tag.
Es geht also um nicht mehr und auch nicht weniger als die Frage der Wertegemeinschaft: Teilt die westliche Welt nicht nur Geheimdienst-Erkenntnisse untereinander, sondern auch die Einschätzung, was Demokratie und Menschenwürde unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts bedeuten? Das wird keine leichte Debatte, und vielen – Bürgern wie Politikern - ist noch nicht bewusst, wie weit das Digitale bereits unser aller Leben durchdrungen hat.
Große Last auf den schmalen Schultern der Ausschussmitglieder
Die Debatte in Deutschland ist dabei einzigartig, das lässt sich in Gesprächen mit Fachleuten aus aller Welt herausfinden: Nirgendwo wird so intensiv über mögliche Folgen des riesengroßen Lauschangriffs debattiert wie in Deutschland. Die historische Verpflichtung der Bundesrepublik mit der Erfahrung von gleich zwei Unrechtsregimen in den vergangenen 100 Jahren dafür zu sorgen, dass Freiheit und Demokratie auch in Zukunft gesichert werden, das ist es, was die Bundespolitik auf die schmalen Schultern der Ausschussmitglieder geladen hat, und was diese sich tagtäglich in Erinnerung rufen müssen. Das ist der erste große Schritt – und erst im zweiten geht es um die Rückwirkungen auf die Realpolitik der Bundesrepublik.
Snowden selbst hat mit seiner Entscheidung, die Welt über die Vorgänge zu informieren, sein eigenes Schicksal hinter die Aufklärung zurückgestellt. Doch so wichtig es ist, ihn zu hören und dabei auch sein persönliches Wohlergehen nicht ganz zu vergessen: Es ging ihm selbst offensichtlich um die Sache, nicht um ihn. Weshalb es ratsam wäre, nun die Ärmel hochzukrempeln – und herauszufinden was war, was ist und was künftig werden soll. An Fragen herrscht fast ein Jahr nach den ersten Enthüllungen kein Mangel – an ernsthaften Antworten hingegen schon.