NSA-Untersuchungsausschuss

"Videoschalte reicht nicht aus"

Videokonferenz mit Edward Snowden (hier am 5. April 2014 in Chicago)
Eine Zuschaltung Snowdens per Video zum NSA-Untersuchungsausschuss reiche nicht aus, sagt Konstantin von Notz. © dpa / picture-alliance / Kamil Krazaczynski
Konstantin von Notz im Gespräch mit Nana Brink |
Die Unmittelbarkeit der Beweiserhebung ist entscheidend, auch beim NSA-Untersuchungsausschuss, sagt Konstantin von Notz. Deshalb müsse Edward Snowden persönlich als Zeuge erscheinen, so der innen- und netzpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion.
Nana Brink: Er sitzt immer noch in Russland und man sieht ihm an, dass er nichts lieber täte als nach Hause zu kommen in die USA. Doch für den Whistleblower Edward Snowden, der einem amerikanischen Sender jetzt sein erstes Interview gegeben hat, gibt es wohl so einfach keinen Weg zurück.
(Bericht)
In dem Interview also hat Edward Snowden immer wieder betont, er habe keinen Zugriff mehr auf Unterlagen der NSA, er habe gar nichts nach Russland gebracht. Aber der NSA-Untersuchungsausschuss hier in Deutschland möchte ihn trotzdem gern als Zeugen vernehmen. Ein wohl schwieriges, wenn nicht aussichtsloses Unterfangen, ebenso hoffnungslos vielleicht wie ein Verfahren gegen die NSA, über das Generalbundesanwalt Harald Range bald entscheiden wird. Der Grüne Konstantin von Notz ist Sprecher seiner Bundestagsfraktion für Innen- und Netzpolitik und sitzt im NSA-Untersuchungsausschuss, schönen guten Morgen, Herr von Notz!
Konstantin von Notz: Guten Morgen, ich grüße Sie!
Brink: Ihre Fraktion fordert ein Ermittlungsverfahren gegen die NSA. Warum?
"Da gibt es ganz klare Verfahren"
Notz: Na ja, es gibt hier schon bestimmte rechtsstaatliche Reaktionen, die auf die bekannt gewordenen Sachen notwendig sind. Und dazu gehört, dass man gegen massenhafte Grundrechtsverletzungen, dass man auf die irgendwie reagiert. Und da ist der Generalbundesanwalt gefragt. Es steht auch der Verdacht der Spionage im Raum und da gibt es ganz klare Verfahren, wie vorgegangen werden muss. Und da ist die Einleitung zum Beispiel eines strafrechtlichen Verfahrens eigentlich ein recht normaler Vorgang.
mit Konstantin von Notz,  B90/Grüne, Sprecher für Innen-  und Netzpolitik der Bundestagsfraktion
mit Konstantin von Notz, B90/Grüne, Sprecher für Innen- und Netzpolitik der Bundestagsfraktion © dpa / picture-alliance / Britta Pedersen
Brink: Nun gibt es ja dann immer die Frage: Gibt es Beweismaterial? Genau das ist ja die Gretchenfrage.
Notz: Ja, Beweismaterial gibt es ohne Ende. Schon jetzt können Sie viele der Unterlagen, die Edward Snowden veröffentlicht hat, angucken, und vieles spricht dafür – auch weil nichts dementiert worden ist –, dass bisher jede Information, die veröffentlicht wurde, korrekt ist. Nichts wurde bestritten. Und insofern kann man schon davon ausgehen, dass diese Informationen so stimmen. Und das erfordert einfach, weil das schon eine Krise des Rechtsstaates ist, rechtsstaatliche Reaktionen. Und da gehört eben eine strafrechtliche Aufarbeitung dazu, aber da gehört auch eine Aufarbeitung in dem Untersuchungsausschuss dazu. Dazu hat sich der Bundestag ja entschieden, nachdem die Bundesregierung knapp zwölf Monate nichts getan hat, nichts, keine Reaktion auf diese unglaublichen Veröffentlichungen. Und auch der Untersuchungsausschuss läuft in einem bestimmten Verfahren und muss die Dinge jetzt aufarbeiten, um dann auch Konsequenzen aus diesem größten Überwachungsskandal festzulegen.
Brink: Apropos Aufarbeitung: Dazu braucht man ja Beweismaterial. Und der Vorsitzende des NSA-Ausschusses Patrick Sensburg hat ja schon gesagt: Nach dem mir vorliegenden Erkenntnissen war Edward Snowden nie speziell mit der massenhaften Ausspähung deutscher Bürger in Deutschland befasst. – Wie erklären Sie sich diese Aussage?
Notz: Ich verstehe überhaupt nicht, welche Informationen ihm da vorliegen. Ich halte das für wirklich ein hoch problematisches Manöver des Vorsitzenden. Sie müssen sich klarmachen: Der Untersuchungsausschuss funktioniert wie ein Gerichtsverfahren. Ein Richter, der, bevor ein Zeuge befragt wurde, irgendwelche eigenen Theorien und Erkenntnisse, was der Zeuge wissen könnte oder nicht wissen könnte, in die Öffentlichkeit hinausposaunt, der würde sofort als befangen nicht mehr ein tauglicher Leiter des Verfahrens sein. Und insofern ist das schon ein schwieriges Manöver. Es scheint …
Brink: Aber abgesehen von diesen Verfahrensfragen: Haben Sie denn Erkenntnisse für diese Massenschaft? Also Beweise, die Sie dann auch zum Beispiel im NSA-Untersuchungsausschuss einsehen wollen. Und wie kommen Sie da ran, das ist noch die Frage?
"Die Unmittelbarkeit der Beweiserhebung ist da ganz wichtig"
Notz: Also, es steht unzweifelhaft fest, dass Edward Snowden ein interessanter Zeuge in dem Aufklärungsgegenstand ist, mit dem sich der Ausschuss beschäftigt. Ich kenne niemanden, der bei klarem Verstand ist, der das ernsthaft bestreitet. Deswegen hat übrigens auch der Ausschuss einstimmig, also alle Fraktionen, Edward Snowden als Zeugen benannt. Und was ein Zeuge in einem Verfahren aussagt, ja, das wissen Sie halt erst, wenn er kommt und aussagt. Das liegt dem Verfahren inne. Und deswegen muss er übrigens auch in Person und frei sprechen können und kommen und man muss ihn sehen können und nicht per Videoschalte. Die Unmittelbarkeit der Beweiserhebung ist da ganz wichtig. Aber es steht doch unzweifelhaft fest nach den Veröffentlichungen sowohl der Unterlagen als auch der Dinge, die Edward Snowden gesagt hat, dass er da einen ungeheuren Einblick in die Tätigkeit der Geheimdienste – ich sage das mal allgemein, nicht nur auf die NSA bezogen, sondern ich glaube, er kann uns auch helfen im Hinblick auf das, was andere Dienste machen –, dass er da ein besonderer Fachmann ist mit besonderer Kenntnis. Und deswegen muss er gehört werden.
Brink: Also reicht Ihnen dann diese Videoschalte, über die man jetzt nachdenkt, nicht aus?
Notz: Nein, die reicht nicht aus und das ist auch völlig unvorstellbar in einem anderen Strafverfahren. Wenn Sie einen ganz wichtigen Zeugen haben in einer Mordsache oder Ähnliches, dann können Sie den nicht einfach per Videoanhörung dazuschalten. Der muss vor Gericht kommen und in Person aussagen, das macht schon Sinn, dass dieser Unmittelbarkeitsgrundsatz vor Gericht gefordert wird, und das macht auch in unserem Verfahren Sinn. Und Edward Snowden kann eben gar nicht frei aussagen in Moskau und die Sachen sagen, die er weiß, weil sein Asyl, wenn man es so nennen will, also seine Möglichkeit, in Russland Unterschlupf zu finden, die wird ihm halt nur so lange gewährt, solange er keine diplomatischen Verwerfungen erzeugt. Und wenn er eben alle Dinge sagt, die er weiß, dann kann er das nicht machen, das hat auch sein Anwalt bestätigt.
Brink: Abschließende Frage: Wie soll das funktionieren, wenn er in den USA mit Haftbefehl gesucht wird?
"Für alle Beteiligten für eine richtige und gute Lösung"
Notz: Ja, das ist ja die Frage, ob er ausgewiesen werden muss. Das ist rechtlich gar nicht so unklar, wie man das meint. Das ist auch so ein Argument vor allen Dingen der Bundesregierung, dass man dann den armen Snowden ganz schnell ausliefern müsste. Das ist mitnichten der Fall. Es handelt sich bei dem, was Snowden gemacht hat, um eine politische Straftat und da darf man gar nicht ausliefern. Zudem hat die Bundesregierung die Möglichkeit nach Paragraf 22 Ausländergesetz, ihm einen eigenen Aufenthaltsstatus zu geben. Und deswegen ist es möglich, dass er nach Deutschland kommt. Man will es halt politisch nicht. Aber ich sage mal, auch die amerikanische Regierung genauso wie die Bundesregierung kann eigentlich mit dem Zustand, dass Edward Snowden in Moskau Unterschlupf finden muss, wo er sich doch eigentlich für die freiheitlichen Demokratiewerte eingesetzt hat und zivilen Ungehorsam geleistet hat, in dem Zustand kann doch niemand zufrieden sein, auch die amerikanische Regierung nicht. Deswegen halte ich es wirklich für alle Beteiligten für eine richtige und gute Lösung, wenn Edward Snowden nach Deutschland käme.
Brink: Konstantin von Notz, Sprecher der Bündnis-Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss. Schönen Dank, Herr von Notz, für das Gespräch!
Notz: Ich danke Ihnen, einen schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema