NSU-Prozess

Ein Gutachten über die schweigende Angeklagte

Die Angeklagte Beate Zschäpe sitzt am 05.07.2016 im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München (Bayern).
Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe. © dpa / picture alliance / Tobias Hase
Rudog Egg im Gespräch mit André Hatting |
Im NSU-Prozess hat das Gericht ein psychologisches Gutachten angefordert, das die Schuldfähigkeit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe klären soll. Nur: Sie weigerte sich, mit dem Gutachter zu sprechen. Welchen Sinn macht dann so ein Gutachten?
War Beate Zschäpe eine der zentralen Figuren des NSU oder nur – wie ihre Anwälte behaupten – eine ahnungslose Mitläuferin? Um das zu entscheiden, hat das Gericht ein psychiatrisches Gutachten angefordert.
Das Problem: Zschäpe weigerte sich, mit dem Sachverständigen Henning Saß zu reden. Saß musste sich also auf seine Beobachtungen vor Gericht und auf Aktenstudium stützen.

"Das ist kein vollwertiges Gutachten"

Was taugt ein solches Gutachten, wenn mit der Betroffenen nicht gesprochen wurde? Der Kriminalpsychologe Rudolf Egg erklärt:
"Nach den Regeln unseres Faches soll das Gespräch mit der zu begutachtenden Person das Zentrum des Gutachtens bilden, also nicht nur die Auswertung der schon vorliegenden Akten, sondern eben die Erfassung von eigenen Befunden. Und ein Gutachten, das darauf verzichten muss, weil der Betreffende nicht bereit ist zu sprechen, ist kein vollwertiges Gutachten. Aber manchmal bleibt einem nichts anderes übrig, als sich auf eine beschränkte Datenbasis zu stützen."

Verhalten vor Gericht unerheblich

Ob ein nicht vollwertiges Gutachten ausreiche, müsse das Gericht entscheiden, das das Gutachten über die Schuldfähigkeit angefordert habe, so Egg weiter:
"Es geht bei der Frage der Schuldfähigkeit nicht darum, wie sich jemand vor Gericht benimmt, sondern es geht letztlich darum, wie sich jemand bei den Taten, die ihm zur Last gelegt werden, wie er sich da verhalten hat. Also es geht darum, hat jemand eine massive psychische Störung, eine Krankheit oder eine sonstige erhebliche Einschränkung seiner Einsichtsfähigkeit - also das Wissen, dass das, was hier geschieht, unrecht ist - und seiner Steuerungsfähigkeit, also die Fähigkeit, entsprechend dieser Einsicht dann zu handeln. Das sind die Umschreibungen dessen, was die justizielle Definition der Schuldfähigkeit ist, was übrigens kein psychiatrischer oder psychologischer Begriff ist, sondern ein juristischer."
Das Gutachten sei letztlich nur eine Entscheidungshilfe, aber kein Urteil:
"Die Sachverständigen aus Psychologie und Psychiatrie sollen letztlich nur die Grundlage für diese dann juristische Entscheidung der Beurteilung der Schuldfähigkeit, der eingeschränkten oder nicht vorhandenen, treffen."
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