Es diskutieren:
Henning Otte (CDU), verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag
Katja Keul (Grüne), Sprecherin für Abrüstungspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen
Dr. Oliver Meier, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg
Marcus Pindur, DLF-Korrespondent für Sicherheitspolitik
Atomwaffen kontrollieren – oder verbieten?
53:41 Minuten
Atomwaffen verbieten – einen entsprechenden Vertrag haben 122 Staaten unterzeichnet. Nicht dabei: die Nuklearmächte. Und für die Bundesregierung ist Rüstungskontrolle realistischer als ein Verbot. Über die reden die USA und Russland immerhin wieder.
Eigentlich sind es zwei gute Nachrichten für den Frieden in der Welt: Der Vertrag zum Verbot von Atomwaffen, hinter dem mehr als 120 Mitgliedsstaaten der UNO stehen, ist in Kraft getreten. Und die USA und Russland haben im letzten Moment den New START-Vertrag verlängert, mit dem sie ihre strategischen Nuklear-Arsenale begrenzen.
Aber beide Errungenschaften haben Schönheitsfehler: Dem Atomwaffenverbot ist keine der neun Nuklearmächte beigetreten, ebenso wenig die NATO und mithin auch nicht die Bundesrepublik. Berlin hält ein Verbot dieser Waffen derzeit für unrealistisch, zumal Deutschland über die nukleare Teilhabe ohnehin in die Atom-Strategie der NATO eingebunden ist.
Atombomben an Bord deutscher Flugzeuge
Das sieht die bündnis-grüne Bundestagsabgeordnete Katja Keul anders: Für sie ist der Atomwaffenverbotsvertrag ein "Meilenstein". Dagegen sagt der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte, ein Beitritt zu diesem Vertrag sei nicht im sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands, weil die Bundesrepublik dann aus der nuklearen Teilhabe aussteigen müsse.
Denn in unserem Land lagern nach wie vor US-amerikanische Atombomben, die Bundeswehrpiloten im Fall des Falles mit deutschen Kampfjets zum Einsatz bringen würden. In der schwarz-roten Koalition gab es Streit darüber, ob die nächste Generation deutscher Militärflugzeuge diese Fähigkeit beibehalten soll.
Die Atommächte begrenzen - und neue Waffen entwickeln
Mit dem New START-Vertrag hingegen haben die neue Administration in Washington und die russische Führung die letzte beidseitige Vereinbarung zur nuklearen Rüstungskontrolle gerettet, die Ex-Präsident Donald Trump noch nicht demoliert hatte. Das hat Gewicht, denn immerhin verfügen beide Staaten zusammen über mehr als 90 Prozent aller Atomwaffen weltweit.
Aber gleichzeitig investieren Amerikaner und Russen Milliarden in die Modernisierung ihrer verbleibenden Atom-Arsenale und entwickeln neue Waffen. Dadurch habe die Gefahr einer nuklearen Eskalation in den letzten Jahren zugenommen, warnt der Friedensforscher Oliver Meier. Wobei der sicherheitspolitische Korrespondent des DLF, Marcus Pindur, dabei Russland als treibende Kraft sieht.
Wie groß ist die Gefahr durch Atomwaffen heute, drei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Kriegs? Bringt eine Ächtung dieser Waffen durch den neuen Vertrag etwas – oder ist das Symbolpolitik? Reicht die Begrenzung der strategischen Arsenale oder muss ein neuer Anlauf auch bei den Mittelstreckenwaffen erfolgen, die besonders Europa bedrohen?
Und wie sollte sich Deutschland positionieren – nukleare Teilhabe forever?